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Berlin – ein Paradies?

© dpa

Der Musiker und die Stadt: Was Lou Reed über Berlin sagte

Lou Reed, der am Sonntag mit 71 Jahren gestorben ist, war der deutschen Hauptstadt seit seinem Album „Berlin“ verbunden. Besonders redselig war er nicht. Über die Schwierigkeit, mit ihm ein Interview zu führen.

Mit Lou Reed über seine Musik und über Berlin zu sprechen, war nicht einfach. Er machte keinen Hehl daraus, dass er solche Interviews hasste wie jenes, das seine Agentur vor sechs Jahren für den Tagesspiegel arrangiert hatte. Also ließ der Musiker im fernen New York seinen Gesprächspartner in Berlin erst mal eine gefühlte Ewigkeit lang am Telefon warten. Als er endlich den Hörer in die Hand nahm, war seine eindringliche Stimme kühl und abweisend. Was man denn überhaupt von ihm wolle, wo er doch eigentlich gar keine Zeit habe. Im Laufe der nächsten Minuten taute er dann doch vorübergehend etwas auf. Wohl auch, weil er noch Werbung für die damals bevorstehende Aufführung seines 1973 veröffentlichten Albums „Berlin“ im Tempodrom brauchte. Und so entwickelte sich ein fast normales Gespräch, bevor er die Unterhaltung ähnlich schroff beendete, wie sie begonnen hatte.

Vor seinem Album "Berlin" war er nie in der Stadt gewesen

Einmal ins Erzählen gekommen, hatte der Rockstar einiges über sein Verhältnis zu dieser Stadt zu erzählen, in der er immer wieder mal gewohnt hatte und die ihm als Inspiration diente. „Am meisten beeindruckt hat mich Berlin nach dem Mauerfall“, erzählte er. 1993 zum Beispiel, da war er für einen Monat in der Stadt und spielte in Wim Wenders’ Film „In weiter Ferne so nah“ mit. Seitdem waren der Regisseur und der Rockstar gute Freunde. „Ich schaue öfter bei ihm vorbei“, erzählte Reed. „Dann sitzen wir in seiner Dachgeschosswohnung und blicken über die Stadt.“ Er sei dann immer erstaunt, wie radikal sich Berlin seit dem Fall der Mauer gewandelt hat. „Ich habe das Gefühl, dass die Stadt berlinischer geworden ist“, sagte er. Berlinischer? „Ja, größer, weltstädtischer, vereinter – und die Leute scheinen glücklicher zu sein.“

Die Dreigroschenoper inspirierte ihn

Sein Album „Berlin“ entstand allerdings, bevor er die Stadt überhaupt persönlich kannte. Das düstere Werk, in dem es um gewalttätige Beziehungen, Drogenabhängigkeit und Prostitution geht, schockierte bei seinem Erscheinen Kritik und Öffentlichkeit. Heute gilt es als Klassiker der Rockmusik. Als Reed die Songs für das Album schrieb, war sein Berlin-Bild geprägt von Filmen und Büchern. „Ich dachte an Christopher Isherwood, der in seinen Romanen die 1920er Jahre beschrieben hat, an den Schauspieler Peter Lorre, den Regisseur und Schauspieler Erich von Stroheim oder an Marlene Dietrich.“ Auch Filme wie „Nosferatu“ und Stücke wie die „Dreigroschenoper“ hätten sein damaliges Bild von Deutschland und Berlin geprägt. Die Mauer tauchte in seinen Songs als Metapher für die Trennung der Geschlechter, für Gefühlskälte und Depression auf. „Berlin stand für mich damals als Metapher für Eifersucht, für Zorn und Sprachlosigkeit.“

David Bowie und Iggy Pop waren Weggefährten, aber es stimmt nicht alles, was darüber erzählt wird

Dann räumte er mit einer Legende auf. In den späten siebziger Jahren, so wurde immer wieder mal kolportiert, soll er sich mal eine Wohnung mit den wohl berühmtesten Teilzeit-Berlinern jener Zeit, David Bowie und Iggy Pop, in der Hauptstraße in Schöneberg geteilt haben. Mit den beiden verbanden ihn nicht nur musikalische Projekte, sondern offenbar auch eine bemerkenswerte physische Kondition, dank derer sie die Drogenexzesse der frühen Rockstar-Jahre überlebten. Da hätte man doch gerne gewusst, wie es war, als alle drei zusammen Berlin unsicher machten. Reeds Entgegnung: „Das ist eine dieser Geschichten, für die gilt, was meine Mutter immer gesagt hat: Glaub nur die Hälfte von dem, was du liest.“ Mehr wolle er dazu nicht sagen.

So ging es noch ein bisschen weiter, über sein Edgar-Allan-Poe-Album „Raven“ und über Meditation, über das Verhältnis von Live- und Studiomusik und über die Zeitlosigkeit von Rock („Die großartigste Musik der Welt“). Mitten im Gespräch verließ den Musiker dann plötzlich die Lust. Abrupt teilte er mit, dass jetzt alles gesagt sei und er keine Lust mehr habe. Und über Berlin wolle er auch nicht mehr reden, er sei ja kein Fremdenführer. Dann war die Leitung tot.

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