zum Hauptinhalt

Panorama: Wenig wirksam und veraltet

Gegen viele tropische Krankheiten gibt es keine modernen Medikamente. Das soll sich ändern

Die kenianische Nachrichtensendung „KTN Leo“ bringt die verzweifelten Krankheitsfälle meist zum Ende der nur in Kisuaheli ausgestrahlten 19-Uhr-Nachrichten. In den späteren Nachrichten auf Englisch weichen sie dem Börsenbericht. Aber was man in „KTN Leo“ an medizinischen Fällen aus der ländlichen Gegend zu sehen bekommt, erschüttert die Zuschauer immer wieder: Menschen mit Elefantiasis, aufgeschwemmten, überdimensionalen Gliedmaßen sind zu sehen, Kinder mit Wasserköpfen oder erschreckenden Deformationen, die mehr oder weniger umsorgt von Verwandten oder Nachbarn in ihrer Hütte dahindämmern. Die Spendenaufrufe sollen oft nur die tägliche Nahrung sichern, an Heilung ist gar nicht zu denken.

„Was kann ihnen helfen?“ Unter diesen Titel stellte jetzt die Zeitung „Daily Nation“ einen Bericht über die rätselhafte Erkrankung von fünf Waisenkindern aus dem Nyamira- Distrikt in Westkenia, die an riesigen Geschwulsten leiden und allesamt geistig behindert sind: „Die Kinder sind ja nicht immer traurig, nein sie lachen auch“, sagt ihre Tante Coletta Kemunto, aber im Dorf würden sie geschnitten. Ihre Pflege sei eine große Bürde.

Afrika, der Kontinent der Krankheiten? Bei einer Pressekonferenz von humanitären Organisationen wie Oxfam, „Ärzte ohne Grenzen“ und medizinischen Forschungsinstituten wurde gerade in Nairobi eine weltweite Initiative für „Medikamente für vernachlässigte Krankheiten“ vorgestellt. Und dabei wurden Bilder von erschreckenden Krankheitsbildern gezeigt, die in Europa kaum einer kennt: Im Sudan gebe es das Buruli-Geschwür, das ganze Partien von Armen oder Beinen wegfrisst und schwärende Wunden hinterlässt, dozierte Davy Koech vom Kenianischen Institut für Medizinische Forschung. Es gebe keine Heilung und keine Medikamente für Buruli, sagte Koech: „Warum eigentlich nicht? Weil die Personengruppe der Betroffenen zu klein ist? Jedes Leben sollte doch zählen.“

Die Initiatoren wollen das Augenmerk der Pharmaindustrie und der westlichen Regierungen auf solche Erkrankungen lenken. Gedacht ist auch an die oft tödlich verlaufende Schlafkrankheit, die immer noch sehr schwer zu diagnostizieren ist und jährlich 48 000 Menschen tötet. In Flussgebieten wird die Seuche von der berüchtigten Tsetse-Fliege übertragen, ein hartnäckiges Killer-Insekt, von dem man in Afrika sagt, dass es erst im zerkrümelten Zustand wirklich tot sei. Eine andere Geißel ist die Leishmaniasis, die sich nach Ausbruch in schweren Geschwüren zeigt, das Krankheitsbild heißt Kala-Azar. Im Sudan, Bangladesh, Brasilien, Indien und Nepal gibt es die meisten Krankheitsfälle, jährlich sterben mindestens 57 000 Menschen. Zwar gibt es Medikamente gegen Kala-Azar, aber in weiten Teilen Afrikas hat die Bevölkerung keinen Zugriff darauf. Aus Lateinamerika wird das Beispiel der Chagas-Krankheit genannt.

Zu wenig wirksam und zu veraltet, das ist das Verdikt über viele Medikamente für tropische Krankheiten. Christine Génévier von „Ärzte ohne Grenzen“ stellt auch Tuberkulose als neue Volkskrankheit der Dritten Welt dar. Zwei Millionen Menschen seien heute an TBC erkrankt, 90 Prozent von ihnen lebten in unterentwickelten Ländern. Es gebe einen Medikamenten-Mix, aber der müsse für sechs bis acht Monate eingenommen werden, und die Abbrecherquote in Afrika unter den Patienten sei hoch. Da Afrika lediglich einen Anteil von gut einem Prozent am Pharmahandel habe, sei das Interesse der Pharmaindustrie an der Erforschung tropischer Krankheiten gering, meint Nicoletta Dentico, eine Beraterin der Initiative. Man benötige politische Führerschaft, um die Forschungsausgaben zu steigern. Das rasche Handeln und Diagnostizieren bei der Geflügelgrippe Sars, aber auch die enormen Anstrengungen in den USA bei der Erforschung von Antrax während der Antrax-Krise hätten gezeigt, was möglich sei. Die Initiative will in einem Jahr eine Million Unterschriften für einen Aufruf für eine moralischere Gesundheits- und Forschungspolitik sammeln. Im Internet tritt die Kampagne unter dem Begriff „Drugs for Neglected Diseases Initiative“ auf. Ihr Appell ist einsehbar unter: www.researchappeal.org.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false