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Podcast über Geheimdienstmorde: „Die deutschen Behörden waren sehr machtlos“

Eine Mordserie des jugoslawischen Geheimdienstes in der Bundesrepublik ist der Öffentlichkeit bis heute kaum bekannt. Der Podcast „Krieg im Schatten“ geht nun auf Spurensuche.

Der Podcast „Krieg im Schatten“ blickt auf eine Serie von Morden und Anschlägen, die der jugoslawische Geheimdienst über Jahrzehnte hinweg in der Bundesrepublik verübte. Für Macher Danijel Majic führte die Recherche zu persönlichen Verwicklungen.

Herr Majic, in Ihrem Podcast suchen Sie den Mörder eines fünffachen Familienvaters, der vor 44 Jahren spätnachts auf einem Parkplatz im Frankfurter Ostend hingerichtet wurde. Was reizte Sie an diesem Fall?
Bei den meisten Morden, die der jugoslawische Geheimdienst in der Bundesrepublik verübte, ist nachvollziehbar, weshalb das Opfer jeweils für gefährlich gehalten wurde und ausgeschaltet werden sollte. Bei Nikola Milićević war dies überhaupt nicht klar. Also haben wir recherchiert. Nach und nach entfaltete sich dann vor uns ein komplettes Bild, und uns wurde bewusst, dass wir  anhand dieses Falles eine weitaus umfassendere Geschichte erzählen können.

Der Mord an Nikola Milićević war Teil eines gewalttätigen Konflikts, der dutzende Todesopfer forderte. Auf der einen Seite standen sogenannte Exilkroaten, die ihren Traum eines souveränen Kroatiens mit Gewalt durchsetzen wollten, auf der anderen der jugoslawische Geheimdienst UDBA. Alles auf dem Boden der Bundesrepublik. Warum ist dieses Kapitel der deutschen Geschichte kaum bekannt?
Sobald Deutsche „Jugoslawien“ oder „Balkan“ hören, geht bei vielen im Kopf direkt eine Schranke herunter – einfach weil sie denken, das sei eh alles zu kompliziert. Der Hauptgrund dürfte aber sein, dass sämtliche Beteiligten an dieser Geschichte bis heute nicht oder nur sehr ungern darüber sprechen. Ehemalige Geheimdienstmitarbeiter schweigen, ehemalige kroatische Terroristen wollen nur Heldengeschichten erzählen und nicht, was sie selbst angerichtet haben. Und auch deutsche Behörden haben kein Interesse an einer öffentlichen Aufarbeitung. Denn sie waren sehr machtlos damals, daran möchten sie nicht erinnert werden.

Der Podcast handelt von Geheimbünden mit sonderbaren Namen wie „Revolutionäre Bruderschaft“, es geht um Intrigen, falsche Verdächtigungen und immer wieder um überraschende Wendungen. Haben Sie nicht gefürchtet, selbst den Überblick zu verlieren?
Sagen wir so: Wer glaubt, dass dieser Podcast zu kompliziert ist, der sollte uns danken, denn wir haben schon die Hälfte weggelassen, um uns auf den Mord an Nikola Milicevic konzentrieren zu können. Allein die zahllosen Querverbindungen, die sich uns bei der Recherche auftaten. In Kroatien gibt es ein paar Menschen, die sich schon länger mit diesem Themenkomplex befassen, und viele von denen haben heute, freundlich ausgedrückt, einen Knacks weg. Nach unserer Recherche kann ich das verstehen.  

Einer der Verdächtigen in Ihrem Mordfall ist ausgerechnet Tomislav M., ein Landsmann des Opfers, der auf dessen Beerdigung noch Rache schwor. Was genau machte ihn verdächtig?
Sein Verhalten. Sieben Tage nach dem Mord zog M. mit einem Fernsehteam los und fand am Tatort angeblich zufällig und vor laufender Kamera zwei Patronenhülsen, die exakt zur Tatwaffe passten. Diese Hülsen sollen Polizei und Passanten dort übersehen haben?  Schwer zu glauben, wobei ich der deutschen Polizei natürlich einiges zutraue. Und das ist nur eine von vielen Merkwürdigkeiten im Verhalten des Tomislav M.

Glauben Sie, es gab und gibt heute vergleichbare Konflikte in anderen migrantischen Communities in Deutschland?
Wir haben jetzt bei den Exilkroaten angefangen, aber würde man weiter wühlen, kämen da sicher noch ganz andere Geschichten ans Licht. Allein die ganzen Gewalttaten, die staatliche oder staatlich gesteuerte Stellen aus der Türkei mutmaßlich zu verantworten haben. Ich denke, einen Großteil davon bekommt die deutsche Mehrheitsgesellschaft nicht mit, und das hat auch ein Stückweit mit Ignoranz zu tun. Wie sagt man so schön: Was interessiert uns das, solange die sich nur gegenseitig die Köpfe einschlagen?

Danijel Majic
Danijel Majic

© privat

Sie selbst haben kroatische Wurzeln – und lassen einen Großteil der organisierten Exilkroaten jener Zeit ziemlich schlecht aussehen. Werden Sie sich jetzt anhören müssen, Sie seien ein Nestbeschmutzer?
Diese Vorwürfe werden kommen, aber das bin ich gewohnt.  Ob es einem gefällt oder nicht, dieser Konflikt zwischen exilkroatischen Terroristen und dem Geheimdienst ist nunmal keine Geschichte in Schwarz und Weiß. Und wenn Leute mit Geschichte Unsinn treiben, triggert mich das ganz schön. Es gibt eben einen wichtigen Unterschied zwischen „Geschichte“ und „Geschichten“.

Im Zuge der Recherche stellten Sie fest, dass Sie mit einem der kroatischen Terroristen, über den Sie berichten, verwandt sind.
Wir nennen ihn Iwan P. Aus einer Akte habe ich erfahren, dass sein Großvater mein Ururgroßvater ist. Ich habe meiner Mutter davon erzählt, und die sagte nur: „Ja klar, der Iwan wollte doch damals Split in die Luft jagen.“ Diese Geschichte war in unserer Familie anscheinend so bekannt, dass niemand es für nötig hielt, mir mal davon zu erzählen.

Haben Sie versucht, Kontakt mit ihm aufzunehmen?
Natürlich. Er hat sich aber leider bis heute nicht gemeldet. 

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