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Hollywood-Schauspieler Elliot Page.

© Catherine Opie

Autobiografie von Hollywoodstar Elliot Page: Der harte Weg zur Selbstbefreiung

Elliot Page ist der erste Hollywoodstar, der sich als trans geoutet hat. Wie schwer der Weg dahin war, beschreibt er in seiner Autobiografie „Pageboy“.

Die Erleuchtung kam auf der Toilette. Das zwölfjährige Kind hatte lange dort gesessen, Löcher in die Luft gestarrt und wusste plötzlich, dass seine Zukunft in der Schauspielerei liegen würde. Ein unbeschreibliches Gefühl durchströmte den Körper des Teenies und er beschloss, von nun an stetig auf dieses Ziel hinzuarbeiten und sich nicht von seinen skeptischen Eltern entmutigen zu lassen.

Der Teenager lebte damals, Ende der Neunziger, im kanadischen Halifax und wurde von seiner Umgebung als Mädchen wahrgenommen, das Geschlecht, das ihm nach der Geburt zugewiesen worden war. Sich selbst empfand er überhaupt nicht so. Denn schon mit vier Jahren hatte ihn ein anderer Erkenntnisblitz getroffen: „Irgendwann begriff ich einfach, dass ich kein Mädchen war. Nicht in einem bewussten Sinn, sondern rein instinktiv, unverfälscht. Diese Empfindung ist eine meiner frühesten und klarsten Erinnerungen“, schreibt der 1987 geborene Schauspieler Elliot Page in seiner gerade auf Deutsch erschienenen Autobiografie „Pageboy. Meine Geschichte“.

Darin zeichnet er in einem zwischen verschiedenen Zeitebenen wechselnden, packenden Flow nach, wie diese beiden zentralen Identitätsaspekte, die er schon als Kind erkannt hatte, sein Leben bestimmt haben und auch immer wieder in Konflikt miteinander gerieten. Wobei Page das Wissen um sein Trans-Sein erst spät zulassen konnte, denn zunächst musste er damit zurechtkommen, dass seine sexuelle Orientierung auf Ablehnung stieß: Page liebt Frauen, was zunächst als lesbisches Begehren gelesen wurde.

Mit seiner ersten Freundin Paula kam er kurz vor seinem Durchbruch mit dem Film „Juno“ (2007) zusammen, in dem er eine schwangere Schülerin spielte. Nach vier Oscarnominierungen (eine für Page) und einem Oscargewinn (für Diablo Codys Drehbuch) sprang die Hollywoodmaschinerie an – und drängte den jungen Schauspieler zur Geheimhaltung der Beziehung. Es sei zu seinem Besten, er dürfe sich keine Möglichkeiten verbauen, hieß der Rat zahlreicher Branchenmenschen.

Elliot Page: „Pageboy. Meine Geschichte“. Aus dem Englischen von Katrin Harlaß, Lisa Kögeböhn und Stefanie Frida Lemke. S. Fischer Verlag, 336 S., 24 €. Lesungen: 22.6., 20.30 Uhr, Kino International Berlin; 23.6., 19.30 Uhr Kulturkirche Köln.

© S. Fischer

Der Jungstar gehorchte, trug verhasste Kleider und Make-up, hielt Paula versteckt und redete die eigenen Gefühle klein. „War wie betäubt. Schweigsam. Hatte Nägel im Bauch, war aber nicht in der Lage meinen tiefen Schmerz zu artikulieren, besonders, da ja gerade ,meine Träume in Erfüllung gingen’.“ Die Folge waren Panikattacken und Depressionen. Schon seit seiner Pubertät hatte Page mit Essstörung zu kämpfen gehabt, denn sein Körper begann, ihn mit Abscheu zu erfüllen – und er bestrafte ihn. Dies wurde später zu einem Muster, das auch Selbstverletzungen mit einschloss.

Verdrängung und Verzweiflung führen zu einem immensen Selbsthass, den Elliot Page anschaulich beschreibt. Bei der Lektüre von „Pageboy“ erschließt sich ganz unmittelbar, warum die Selbstmord-Quoten unter trans Jugendlichen deutlich höher liegt als bei ihren cis-geschlechtlichen Altersgenoss*innen. Für die derzeit in einigen feministischen Kreisen gern kolportierte These, dass Trans-Sein ein Trend sei und sich vor allem trans Männer dem Druck einer sexistischen Welt entziehen wollen, finden sich in Pages Buch keinerlei Hinweise. Im Gegenteil: Wenn der Autor schildert, wie ihn sein Anblick im Spiegel oder Schaufensterscheiben fertig macht, weil er nicht mit seinem inneren Bild übereinstimmt, begreift man, was Genderdysphorie bedeutet und wie schmerzhaft sie ist.

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Page bemühte sich lange, den Wünschen anderer zu entsprechen. Er ließ seine Mutter weibliche Kleidung für ihn kaufen, versuchte sogar, Beziehungen mit Männern zu haben. Als der Druck unerträglich wurde, entschloss er sich 2014 zu seinem ersten öffentlichen Coming Out: Auf einer Menschenrechtskonferenz sprach er über sein Queersein. Wider Erwarten brach die Welt nicht zusammen, sondern es stellte sich sogar ein Gefühl von Erleichterung ein – bis das Unbehagen in der weiblichen Rolle schließlich übermächtig wurde. Auch körperlich drückte es Page tiefer und tiefer in die Dunkelheit.

Wie er sich schließlich ins Licht der eigenen Wahrheit kämpft und heute als glücklicher Mann lebt, ist berührend zu lesen. Und so überwiegen in „Pageboy“ bei allem Schmerz – erschütternde MeToo-Schilderungen inklusive – schlussendlich die Widerstandskraft und die Selbstermächtigung. Dazu gehört auch, dass Elliot Page queerem Sex viel Raum gibt, euphorisch von seiner endlich flachen Brust berichtet und Anfeindungen öffentlich macht.

Im Vorwort beschreibt der Schauspieler, dessen Rolle in der Netflix-Serie „The Umbrella Academy“ an seine Transition angepasst wurde, wie Bücher ihn einst gerettet haben. Er hofft, dass sein eigenes Buch dabei helfen kann, dass andere sich gesehen und weniger allein fühlen. Ein Wunsch, der sich ganz sicher erfüllen wird.

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