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Das Parlament in der ghanaischen Hauptstadt Accra. Hier hielt Queer-Aktivist Davis May-Iyalla eine Rede.

© Imago/Lin Xiaowei

Queerfeindlicher Gesetzentwurf in Ghana: „Es ist kein Konflikt, der nur unser Land betrifft. Es ist ein globaler Konflikt“

In Ghana könnte eines der homofeindlichsten Gesetz weltweit verabschiedet werden. Der Menschenrechtsverteidiger Davis Mac-Iyalla fordert Unterstützung.

Es könnte eines der gefährlichsten Gesetze für queere Menschen weltweit werden: In Ghana prüft das Parlament derzeit einen Gesetzentwurf, wonach queeren Personen zukünftig bis zu fünf Jahre Haft drohen. Auch die Unterstützung queerer Personen stünde unter Strafe und intergeschlechtliche Personen könnten zu Operationen gezwungen werden.

Laut Gesetzentwurf müssten „homosexuelle Handlungen“ dann der Polizei gemeldet werden. Wer dies unterlässt, muss ebenfalls mit bis zu fünf Jahren Haft rechnen. Der Menschenrechtsverteidiger Davis Mac-Iyalla setzt sich gegen das geplante Gesetz ein. Er lebt in der Hauptstadt Accra und arbeitet für das „Interfaith Diversity Network of West Africa".

Angriff der Polizei auf queeres Büro

Erst im Juni war Davis Mac-Iyalla gemeinsam mit anderen Aktivist*innen in Berlin, um auf die Lage queerer Menschen in Ghana aufmerksam zu machen. „Wir wollen innerhalb der deutschen Zivilgesellschaft Bewusstsein dafür schaffen, dass das Parlament dabei ist, ein Anti-LGBT-Gesetz zu verabschieden“, sagt der 50-Jährige. „Wir brauchen Unterstützung.“ In Ghana wachse der religiöse Einfluss stetig, meint Mac-Iyalla – zu Lasten der queeren Community.

In den vergangenen Monaten habe der russische Angriffskrieg in der Ukraine die globale Aufmerksamkeit dominiert. Dabei sei die Situation queerer Menschen in Ghana „ein wenig unter den Tisch gefallen“. „Wir müssen die Leute darauf aufmerksam machen, dass die Lage sich immer weiter verschlechtert.“

Bereits im März 2021 wurde das Büro der Organisation LGBT+ Ghana von der Polizei gestürmt, Mitglieder mussten fliehen. Weil Fotos von ihnen in den sozialen Medien kursierten, sind sie seither Morddrohungen und Attacken ausgesetzt. Seit das Büro geschlossen wurde, gibt es kaum Orte, an denen queere Personen sich treffen können. „Man muss sehr vorsichtig sein und aufpassen, mit wem man die Orte teilt“, erzählt Mac-Iyalla.

Eine Gruppe rund um den Exekutivsekretär der National Coalition for Proper Human Sexual Rights and Family Values, Moses Foh-Amoaning, hatte damals die Verhaftung der Mitglieder gefordert und den Gesetzentwurf im Parlament eingebracht. Daraufhin hatten 67 prominente Persönlichkeiten aus Großbritannien mit Wurzeln in Ghana den Präsidenten Nana Akufo-Addo und andere politische Führungsfiguren dazu aufgefordert, der LGBTQ+ Community Schutz zu bieten.

Offenbar ohne Erfolg: Bislang steht eine Entscheidung über den Gesetzentwurf, den Kritiker*innen als das „homofeindlichste Dokument der Welt“ bezeichneten, noch aus.

"Erstmals wurden unsere Stimmen gehört"

Mac-Iyalla reichte gemeinsam mit anderen Aktivist*innen und queeren Gruppierungen zu Beginn des Jahres ein Memorandum im Parlament ein, um sich gegen den Gesetzenwurf auszusprechen. Anschließend wurde er eingeladen, um dort eine Rede zu halten.

„Es gab vorher viele Beleidigungen, aber ich bin rückblickend froh, dass wir diese Chance erhielten“, sagt Mac-Iyalla. „Dadurch konnten wir unsere Botschaft verbreiten. Vorher haben immer alle über uns geredet. Dort wurden unsere Stimmen erstmals gehört, wir waren sichtbar.“

Sein Auftritt im Parlament habe auch langfristige Konsequenzen gehabt, sagt Mac-Iyalla. Eltern von queeren Kindern, die ihn im Fernsehen verfolgt hatten, würden sich seither vermehrt an ihn und queere Organisationen wenden. „Wir bilden Partnerschaften und Koalitionen, leisten gemeinsam Widerstand gegen das Gesetz.“

Viele Eltern hätten angesichts des Gesetzentwurfes Angst um ihre Kinder. „Die meisten sehen ihre Kinder als Geschenk von Gott und verstehen nicht, warum sie aufgrund ihrer Sexualität oder sexuellen Orientierung ins Gefängnis müssen.“

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Das Gesetz würde nicht nur queere Personen in Ghana betreffen, sondern auch auf jene in der Diaspora, zum Beispiel in Deutschland. Mac-Iyalla sieht darin eine Chance: „Es ist kein Konflikt, der nur unser Land betrifft. Es ist ein globaler Konflikt. Die Diaspora sollte Solidarität mobilisieren.“

Freund*innen und Familien wandten sich von ihm ab

Davis May-Iyalla selbst wuchs in Nigeria auf. Er habe sich schon früh mit seiner sexuellen Orientierung auseinandergesetzt, sagt er. „Dass ich schwul bin, war lange kein Problem.“ Bis die anglikanische Kirche das Thema aufgriff und behauptete es gäbe keine homosexuellen Menschen in seiner Heimat. „Eigentlich gab es keine Coming-outs in Westafrika, das ist ein westliches Konzept. Aber in diesem Moment musste ich meine Stimme erheben und zeigen, dass ich existiere.“

Das führte dazu, dass Freund*innen sich von ihm abwandten und Teile seiner Familie ihn nicht akzeptierten. „Sie verstanden nicht, warum ich im Radio oder Fernsehen darüber sprach.“ Damals, im Alter von 21 Jahren, arbeitete Mac-Iyalla noch als Lehrer, später wurde er Vorsitzender des IDNOWA, einem Netzwerk, das in elf westafrikanischen Ländern vertreten ist.

Die unterschiedlichen Sprachen innerhalb des Netzwerks seien die größte Herausforderung, sagt Mac-Iyalla. „Es gibt eine Sprachbarriere, weil einige Englisch sprechen, andere Französisch und in Ghana gibt es zum Beispiel ganz viele verschiedene Sprachen. Viele wollen die Sprache der Kolonialisierer auch nicht lernen.“

Dass er als queerer Aktivist international immer sichtbarer wurde, war mit zunehmender Gefahr verbunden. Deshalb zog Mac-Iyalla vorübergehend nach Großbritannien und anschließend nach Ghana. „Jetzt tue ich, was meine Seele will. Und ich bin überzeugt, dass ich tue, was Gott von mir erwartet. Die demütigenden und beleidigenden Sachen können mir nichts anhaben.“

Er hofft dabei auch auf die Unterstützung internationaler Institutionen, zum Beispiel der deutschen Botschaft. Diese sollte den Visa-Prozess für queere Ghanaer*innen vereinfachen, fordert Mac-Iyalla, und ihnen Schutz bieten. „Wir können wir uns selbst sprechen, aber sind auf Unterstützung angewiesen.“

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