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Miley Cyrus (Mitte) und eine Gruppe von Drag Queens bei den MTV Video Music Awards in Los Angeles.

© REUTERS

"Miley Cyrus & The Dead Petz": Miley Cyrus stellt Gratisalbum ins Netz

Überraschung für die Fans: Auf ihrem Gratisalbum „Miley Cyrus & The Dead Petz“ betrauert die Sängerin ihre toten Haustiere, fantasiert über lesbischen Sex und kooperiert mit den Flaming Lips.

Überraschende Albumveröffentlichungen gibt es inzwischen so häufig, dass der Überraschungseffekt nur noch gering ausfällt. Beyoncé, U2, Wilco - alle machen es. Jetzt eben auch Miley Cyrus. Könnte man meinen. Doch der Coup der 22-jährigen Skandalnudel hat doch nochmal einen anderen Dreh, ist er doch ganz ohne Mitwirkung ihrer Plattenfirma entstanden.

Es handelt sich nicht um ein sorgfältig ausgetüfteltes Produkt, das mit einem Megaetat gepusht wird, sondern um ein Spaßprojekt, wie der einstige Disney-Star betont. Das kann man ihr schon glauben, denn „Miley Cyrus & The Dead Petz“ steht umsonst als Stream auf Cyrus' Website. Vor allem aber klingt das Album, das mit seinen 23 Titeln und rund eineinhalb Stunden Spielzeit eigentlich viel zu lang ist, nicht wie ein durchkalkulierte Produktion, sondern tatsächlich wie eine Herzenssache.

Miley Cyrus hatte die Veröffentlichung bei den MTV Video Music Awards angekündigt und den Track "Dooo It" zusammen mit den Flaming Lips und einer Gruppe von Drag Queens aus "Ru Paul's Drag Race" auf der Bühne präsentiert. „Dooo It“ ist nun auch der Eröffnungssong der Platte. Er beginnt mit der verzerrten, verdoppelten Stimme der Sängerin, die die Zeile „Yeah, I smoke pot / yeah, I love peace / but I don’t give a fuck / I ain’t no hippie“ mehrmals wiederholt.

Dann bollern und tackern die Beats los, der Einfluss des momentan angesagten Trap-Sounds ist deutlich. Cyrus eröffnet hier keine neuen Perspektiven, aber als Statement funktioniert das Stück, zu dem es auch einen bunten Clip gibt, bei dem hauptsächlich der von buntem Schleim verschmierte Mund der Sängerin zu sehen ist.

Psychedelischer Pop

Bei den folgenden drei Stücken wird der Einfluss von Cyrus‘ Kollaborationspartnern von der Psychedelic-Rock-Band The Flaming Lips deutlich. Vor allem „The Floyd Song“ (über ihren toten Hund) und „Something About Space“ klingen, als sei die junge Sängerin bei der 1983 in Oklahoma gegründeten Freak-Gruppe eingestiegen. Offenbar hat Frontman Wayne Coyne, den sie als eine Art Seelenverwandten sieht, ihre Sex-und-Drogen-Themen-Palette um das Thema Weltraum erweitert.

Und ein bisschen beruhigt scheint er sie auch zu haben. Anders als das Vorgängerwerk „Bangerz“, das von aufgepumptem Hochleistungspop und R‘n‘B geprägt war, dominieren nun reduzierte, unaufgeregte Elektrostücke wie „Tangerine“ oder „Tiger Dreams“, das chillig vor sich hinpluckert und bei dem Ariel Pink die zweite Stimme singt. Nur aus ein paar Synthieflächen, etwas Klangschalengeplinge und dem Gesumme von Cyrus besteht „Miley Tibetan Bowlzzz“ - die Sängerin unterwegs zur buddhistischen Erleuchtung?

Miley Cyrus setzt sich für queere Teenager ein

Nein, ganz so weit ist es wohl noch nicht. Miley Cyrus mag es natürlich weiterhin provokant, aber es wirkt nicht mehr so zwanghaft wie vor zwei Jahren, als sie nackt auf der Abrissbirne schaukelte und mit rausgestreckter Zunge herumtwerkte. Die Emanzipation von ihrer „Hannah Montana“-Fernsehserienzeit scheint abgeschlossen zu sein. Sie fühle sich inzwischen vollkommen frei, könne machen, was sie wolle, sagte sie kürzlich in einem Interview. Zu dieser Freiheit gehört dann eben auch einen Song wie „Bang Me Box“ zu schreiben, in dem es sehr explizit um Sex mit einer Frau geht. Die poppige, von einem agilen Bass angetriebene Uptempo-Nummer ist eine der stärksten auf „Miley Cyrus & The Dead Petz“. Produziert wurde sie von Mike WiLL, mit dem die Sängerin schon auf dem Vorgängeralbum kooperierte.

Mit „Bang Me Box“ demonstriert Cyrus ein weiteres Mal ihre Verbundenheit zur queeren Community. Ein Anliegen, das man ihr inzwischen abnimmt, weil sie - anders als Kolleginnen wie Katy Perry, Nicki Minaj oder Rihanna - nicht nur mal kurz ein sexy Video dreht, sondern sich kontinuierlich für LGBTI-Rechte stark macht. So hat sie letztes Jahr eine Non-Profit-Organisation gegründet, die obdachlosen queeren Jugendlichen hilft, und startete die Transgender-Kampagne #instapride.

Sie weint ihrem toten Fisch nach

Cyrus bezeichnet sich selber als „gender fluid“. Zur „New York Times“ sagte sie: „Lange Zeit habe ich meine Sexualität nicht verstanden. Ich war sehr frustriert und dachte, ich würde nie verstehen, was ich bin, weil mir nicht mal klar war, ob ich mich mehr wie ein Mädchen oder ein Junge fühle.“ Durch viele Gespräche mit Trans-Menschen habe sie schließlich verstanden, dass sie sich gar nicht für eins von beiden entscheiden müsse.

Wen sie zu lieben hat, lässt sich Miley Cyrus ebenfalls nicht vorschreiben. Ihr Herz ist groß. So hat sie beispielsweise ein sehr enge Beziehungen zu ihren Haustieren, worauf auch der Titel ihres neuen Albums hindeutet. Sie trauert darauf nicht nur Hund Floyd nach, sondern weint zudem ihrem Kugelfisch nach. In der Klavierballade „Pablow The Blowfish“ singt sie: „How can I love someone I’ve never touched/You lived under the water but I love you so much/You’ve never been on land and you’ve never seen the sky /You don’t know what a cloud is why did everything I loved have to die?“ Als sie am Ende auch noch zu schluchzen beginnt, rutscht das Ganze in Richtung unfreiwillige Komik. Aber so ist das eben mit Herzensangelegenheiten - manchmal wird‘s eben auch ein bisschen peinlich. Trotzdem: Mit ihrem neuen Album hat sich Miley Cyrus wieder geschickt ins Pop-Gespräch gebracht und aufregender als die Jazz singende Lady Gaga ist sie derzeit allemal.

Mehr LGBTI-Themen erscheinen auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite oder per E-Mail an: queer@tagesspiegel.de. Unter dem Hashtag #Queerspiegel können Sie twittern, zum Feed geht es hier.

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