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Irland: Grillen für Gourmets

Unlängst noch fuhren Touristen wegen der Landschaft nach Nordirland. Nun verführt sie die Küche. Dabei ist Kochkünstler nicht unbedingt ein Begriff, den man bisher mit den Iren verband.

Sie legt beide Handballen auf das frisch gerupfte, aufgeklappte Huhn. Ein kurzer fester Druck, Knochen knacken und der Vogel ist platt wie eine Flunder. „Das Geräusch ist schrill“, sagt Liz Moore, „doch diese Prozedur lässt später beim Grillen viel Saft ins Fleisch laufen.“ Das Thema in der nordirischen Belle Isle School of Cookery heißt schließlich „Brilliant barbecue food“. Erste Lektion: Flach ist eine gute Voraussetzung für gleichmäßiges Garen auf dem Rost.

Beim Stichwort Kochkünstler werden einem nicht sofort die Iren in den Sinn kommen. Statt kulinarischer Poesie diktierte ein bodenständiger Pragmatismus die Zutaten bekannter Rezepte: ein Irish Stew, das sich tagelang auf dem Herd warmhalten lässt und einen Irish Coffee, der hochprozentig Mut macht gegen schlechtes Wetter. Doch auf der Insel rührt sich was. Im Norden etwa, wo der schwelende konfessionelle Konflikt über Jahrzehnte andere Prioritäten setzte, wird hoch motiviert die Kunst am Herd zelebriert. Man fragt sich in vielen Küchen bereits, ob Champ, der Kartoffelbrei mit Frühlingszwiebeln, und Ulster Fry, das Frühstück aus der Pfanne, bleiben sollen, was sie sind: schlicht und kalorienreich.

Über die Lakelands von Fermanagh zieht ein kräftiger Regenschauer. Es scheint etwas gewagt, auf Belle Island, einer kleinen Insel im Nordzipfel des Upper Lough Erne, ausgerechnet Barbecue als Thema anzubieten. Doch die Grills auf der Terrasse lassen sich abdecken, und gleich wird ohnehin wieder die Sonne scheinen. Das ist in Irland nun mal so.

Drinnen ist Liz dazu übergegangen, ihren Kochschülern die Geheimnisse schmackhaften Salzens nahezubringen. Mit Zimt gemischt sei Steinsalz ideal für Lammbraten oder Geflügel, behauptet sie. Tee, Fenchel, Kümmel oder Rosmarin böten sich ebenfalls für Würzmischungen an, bitte ein Teil Gewürz, zwei Teile Salz. Dann ist die Butter dran: mit Avocado verrührt ideal für Lachs, Rind und Huhn, mit Orange und Koriander für Schwein und Fisch. Der flache Vogel wird entsprechend gesalzen und gefettet und wandert nach draußen auf den Rost.

Das Grill-Einmaleins ist abgehakt. Unter kritischen Blicken hantiert Liz flink mit Töpfen und Pfannen, legt rosarote Lachsfilets in chinesische Marinade, knetet Brotteig für eine Focaccia und zaubert aus tiefgekühlten Fruchtstücken Ananaseis im Mixer. Langsam mischen sich süße und herzhafte Düfte im Raum. Gegessen wird leger, im Stehen oder mit dem Teller auf den Knien, typisch Barbecue eben. Offen bleibt am Ende nur, ob die hausgemachte Barbecuesauce oder die gegrillten Brownies der besondere Kick waren.

Seinen Wissenshunger kann man auf Belle Isle in unterschiedlichen Portionen stillen: Vom Estate des Duke of Abercorn aus lassen sich viele stille Winkel der Seenplatte von Fermanagh entdecken. Die Kurse der Kochschule machen auch mit der regionalen Küche bekannt. Wer die Rezepte schon an Ort und Stelle ausprobieren möchte, sollte in einem der historischen Cottages Quartier beziehen. Wer es luxuriöser mag, kann sich im Belle Isle Castle wie ein Lord bedienen lassen.

Der Sprung auf die kleine Insel bedeutet Ankunft in einer anderen Zeit. Am Turm des Schlosses klettert der Efeu seit dem frühen 17. Jahrhundert empor. Schwere Rosenblüten neigen sich im Wind. Zwei spielende Engelspaare haben sich mit grüner Patina gegen ihre Nacktheit geschützt. Sie flankieren die Stufen einer Terrassentreppe, die hinunter in einen Park führt. An mächtigen Baumkronen geht es vorbei zum See. Der Blick streift über eine Landschaft, deren Ruhe unwillkürlich inhaliert wird.

Der Fußboden im oberen Stockwerk knarrt, so wie es sich gehört. Ein Himmelbett mit Baldachin, überzogen mit nordirischem Leinen. Durch die Sprossenfenster fällt die Nachmittagssonne auf einen antiken Sekretär und limonengrüne Wände. Jeder Raum besitzt seine eigene Farbe. Einer von ihnen wurde nach Coco Chanel benannt. In dem Bett schlief die Modeschöpferin in den 1930er Jahren, als es noch in Eaton Hall stand. Damals machte ihr der zweite Duke of Westminster den Hof. Während ihres Aufenthalts im Belle Isle Castle schickte er ihr täglich eine Orchidee, doch sie wies seinen Antrag zurück. Vielleicht hat Madame Chanel die verschlungenen Uferwege mehr gemocht. Heute darf auf dem 470-Morgen-Anwesen gewandert und geangelt werden. Wer will, legt auf Waldschnepfen an. Zum Kochen gehört bisweilen auch das Jagen.

Unten, in der riesigen Halle, wird schon zum Frühstück üppig getafelt. Was wäre Irish Breakfast ohne Bacon, am besten Fermanagh Black Bacon von Pat O’Doherty aus dem nahe gelegenen Enniskillen. Über der Tür seines Ladens steht „Fresh Meat Specialists“. Weißer Kittel, Krawatte und Strohhut, Schlachter Pat macht Eindruck hinter der Theke. Sein Black Bacon ist legendär, er durfte ihn schon der Queen servieren.

Da Wandern durchaus hungrig machen kann, haben Liz und Pat für verschiedene Ausflugziele der Region auch gleich das passende Rezept parat: Das leichte Gebäck mit Black Bacon und Blaukäse eigne sich hervorragend für ein Picknick auf Devenish Island, die größte der etwa 200 Inseln im See mit zahlreichen Klosterruinen. Und wer einmal den Lough-Navar-Aussichtspunkt erklommen habe und auf dem Gipfelpfad entlanggewandert sei, um den Blick hinunter auf Lower Lough Erne zu genießen, würde sich für den Abend bestimmt auf die Lammhaxe mit Black Bacon und Guinness freuen.

Kein Grund also, für die Iren kulinarisch schwarzzusehen. Seit in jener stürmischen Nacht des Jahres 1639 die Küche des nahen Dunluce Castle samt seiner sieben Köche ins Meer fiel, geht es doch längst wieder aufwärts.

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ANREISE

Mit Aer Lingus oder Ryanair von Schönefeld nach Dublin (im Juli ab 62 Euro). Weiterfahrt mit dem Mietwagen.

UNTERKUNFT
Auf der Insel selbst gibt es verschiedene Möglichkeiten zum Wohnen: vom Castle (zu fürstlichen Preisen ab 200 Euro pro Nacht im Doppelzimmer, Internet: www.celticcastles.com) bis zum Cottage oder Courtyard. Auswahl im Netz: www.discoverireland.com

KOCHEN
Kochkurse von kompakt bis opulent bietet die Belle Isle School of Cookery. Ein Kurstag kostet in der Regel 120 Pfund, umgerechnet 138 Euro. Mehr erfährt man im Internet unter: www.irish-cookery-school. com

SEHENSWERT
Im Lower Lough Erne liegen etwa 200 kleine Inseln. Die größte, Devenish Island, bietet eine Vielzahl historischer Stätten.

AUSKUNFT

Telefonische Bestellung von Broschüren: 069 / 66 80 09 50

Dirk Wegner

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