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Da war noch alles eitel Sonnenschein. Schlagersänger Michael Wendler und seine Frau Laura warben am Dienstag für ihre Doku-Soap um die Schwangerschaft seiner Frau bei RTLzwei.

© dpa/Michael Quelle

RTL II stoppt geplante Wendler-Dokusoap: Das Publikum lässt sich täuschen? Irrtum!

Der Privatsender sagt, er nehme die ablehnenden Reaktionen des Publikums ernst. Muss er auch.

Ein Kommentar von Joachim Huber

Das Kalkül war offensichtlich. Michael Wendler, von Beruf Schlagersänger, hatte mit antisemitischen und rechtsextremistischen Äußerungen für ordentlich Aufregung gesorgt.

Der Privatsender RTL hatte sich daraufhin von Wendler getrennt, nannte ihn einen Verschwörungstheoretiker und erklärte ihn zur persona non grata. Nun gibt es da noch den Privatsender RTLzwei, wahrlich keine Perle im deutschen TV-Business, aber in seinen besseren Sendungen darum bemüht, das Deutschland da unten zu zeigen.

Den Wendler wieder aus der Versenkung holen?

Nun hatten die Verantwortlichen und die beiden Produktionsfirmen Rainer Laux Productions und Endemol Shine Germany die grandiose Idee, die Wendlers wieder aus der Versenkung zu holen. Mit einem augenscheinlich so harmlosen wie empathischen Format: in der Dokusoap „Michael Wendlers Baby-Glück“ sollte die Schwangerschaft von Laura Müller mit Höhepunkt Geburt begleitet werden.

Und hatte sich Wendler nicht, wenn auch sehr schwammig, von „einigen meiner Äußerungen der Vergangenheit“ distanzierte. Unklar, wovon er sich distanzierte, aber RTLzwei genügte es offenbar. Dem Sender muss schon geschwant haben, was er mit Wendler einhandeln könnte, die Dokusoap sollte sich auf Laura Müller konzentrieren.

Das Publikum wollte sich auf diese Scharade nicht einlassen. Er hagelte Proteste, RTLzwei reagierte: „Wir haben die Vehemenz der Reaktionen wahrgenommen und nehmen die Stimmen unseres Publikums ernst. Wir bitten um Entschuldigung, sollten wir hier Gefühle verletzt haben“, teilte der Sender am Mittwochvormittag mit.

„RTLzwei hat sich immer von Extremismus aller Art distanziert und steht für Weltoffenheit und Toleranz. Es ist uns wichtig, auch nur den Anschein zu vermeiden, dass der Sender hier zu Abstrichen bereit ist. Deshalb werden wir das Projekt mit Michael Wendler nicht weiterverfolgen.“

Welche Überraschung ist nun größer: Dass die Zuschauer ihre Ablehnung artikulierten oder der Sender das Projekt absetzte? Erst einmal ist klar, dass der Privatsender auf die Reizfigur Wendler setzte. Dieses Potenzial sollte kapitalisiert werden, das Trashpublikum werde den werdenden Vater schon lieben.

Saulus wird Paulus?

Nein, tut es nicht. Die Wandlung des Wendler vom Saulus zum Paulus wirkte alles andere als glaubhaft. Noch vor wenigen Wochen verbreitete er verstörende Nachrichten. Alles deutet darauf hin, dass Michael Wendler wie auch RTLzwei auf die Vergesslichkeit des Publikums wie auch dessen Sehnsucht nach Schwangerschaft-Voyeurismus gesetzt haben.

Ein veritabler Irrtum. Bei den RTLzwei-Produktionen gilt die Authentizität seines Bildschirm-Personals als entscheidend. Wenn Schicksal, dann echtes Schicksal. Selbst das schräge Star-Paar aus Carmen und Robert Geiss gilt bei aller Künstlichkeit als glaubwürdig. Sie sollen, berichtet der Branchendienst dwdl.de, mit Abschied vom Sender gedroht haben, sollten die Wendlers auf Sendung gehen.

Vielleicht war es mehr die Angst vor dieser drohenden Pleite, die RTLzwei zur Besinnung brachte, als das plötzlich pochende Gewissen, das die Einsicht in einen Fehlgriff beförderte. Vielleicht, hoffentlich hat der Privatsender seine Lektion gelernt: Wer sein Publikum unterschätzt, den bestraft das Publikum.

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