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Viele Wünsche frei. In einer Unterkunft in Nordrhein-Westfalen haben die Betreuer am Girl’s Day einen Bastelworkshop angeboten.

© Save the Children

Save the Children: Stark für eine Zukunft nach der Flucht

Das Projekt „Mädchen machen Mut“ unterstützt Jugendliche in deutschen Erstaufnahmeeinrichtungen.

Beengte Räume, Langeweile, Angst vor Abschiebung – die Verhältnisse in Erstaufnahmeeinrichtungen sind für viele nach Deutschland geflüchtete Menschen belastend, vor allem für Kinder und Jugendliche. „Geflüchtete Kinder haben oft traumatische Erfahrungen gemacht und leben hier in einer sehr unsicheren Situation“, sagt Ruby Rebekka Brinza, fachliche Leiterin des Bereichs Migration und Flucht bei Save the Children Deutschland. Das Projekt „Mädchen machen Mut“ legt erstmals einen Fokus auf geflüchtete Mädchen in Erstaufnahmeeinrichtungen, denn sie sind oft besonders gefordert: „Es zeichnet sich ab, dass vor allem in Belastungssituationen die ältesten Töchter einer Familie die Versorgerrolle für Eltern und Geschwister übernehmen, wenn die Eltern dazu nicht mehr richtig in der Lage sind“, sagt Brinza.

„Mädchen machen Mut“ soll geflüchtete Mädchen für ihren weiteren Lebensweg psychosozial stärken und widerstandsfähig machen im Umgang mit Belastungen, mit denen sie inner- und außerhalb der Unterkünfte konfrontiert sind. Im Februar 2018 startete das Projekt in vier Erstaufnahmeeinrichtungen, zwei davon in Brandenburg, zwei in Nordrhein-Westfalen. Gefördert wird es von dem amerikanischen Motorenbauer Cummins mit 680 000 Euro.

Die Prozessbegleiterin Colette Kabeya Wa-Tshunza ist eine der fünf Mitarbeitenden von „Mädchen machen Mut“. Zum einen gebe es das „Angebot einer Mädchenzeit für die Zielgruppe, die regelmäßig wöchentlich stattfindet und eine ständige Bedarfserfassung ermöglicht“, erzählt sie. In Zusammenarbeit mit der Berliner Charité wurden vorab die Situationen und Bedürfnisse der Teilnehmerinnen analysiert. Darauf aufbauend sollen im Laufe des Jahres mehrere Mikroprojekte entstehen. Die Jugendlichen, die an „Mädchen machen Mut“ teilnehmen, sind zwischen zehn und 20 Jahre alt; die meisten kommen aus Tschetschenien, Russland, Syrien, Afghanistan und dem Iran. Eine von ihnen ist Ayla (Name geändert), die mit ihrer kleinen Schwester aus dem Iran geflohen ist: „Frauen und Mädchen im Iran haben nicht die Möglichkeit, zu tun, was sie gerne möchten. Die Familie und die Regierung entscheiden darüber, was eine Frau machen darf und was nicht“, sagt sie. Dennoch musste Ayla – wie viele andere – in Deutschland bei null anfangen und auch in den Unterkünften viele Unfreiheiten ertragen: Es gibt kaum Rückzugsmöglichkeiten, die Essenszeiten sind festgelegt, selbst zu kochen ist nicht möglich. In den Erstaufnahmeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen geht zudem ein Großteil der Kinder und Jugendlichen nicht zur Schule, da es dort für sie keine Schulpflicht gibt.

„Mädchen geraten schnell in einen Rollenkonflikt“

Hinzu kommt, dass es gerade jungen Mädchen an starken Rollenbildern fehlt, sowohl aus der eigenen Community als auch aus der neuen Umgebung in Deutschland. Vorbilder aus der Aufnahmegesellschaft seien wichtig, um Anbindungen an die neue Heimat zu finden, sagt Ruby Rebekka Brinza. Um solche Vorbilder kennenzulernen, sollen bei „Mädchen machen Mut“ unter anderem Leseclubs etabliert werden. Dies birgt aber auch Probleme: „Mädchen geraten schnell in einen Rollenkonflikt, da die Vorstellungen, wie sie sich zu verhalten haben, hier in Deutschland oft anders sind als in ihrem Herkunftsland.“

Die bisher ermittelten Bedarfe der Teilnehmerinnen sind vielfältig: „Das geht von Sport über Malen und Basteln bis zum Deutschlernen, Zeit für sich zu haben, Mädchen oder Frau sein zu dürfen, spazieren zu gehen, in der Natur zu sein oder zu kochen“, sagt Wa-Tshunza. Auf dieser Grundlage werden derzeit die Mikroprojekte erarbeitet. Dazu zählen etwa Sport und Tanz, erlebnispädagogische Ausflüge in die Natur oder Kunst- und Handwerksprojekte, die die Selbstwirksamkeit stärken, zum Beispiel das gemeinsame Bauen eines Hochbeetes sowie das Anpflanzen und Ernten des eigenen Gemüses.

Ayla hat noch weitere Ideen. „Meiner Meinung nach sollten mehr Aktivitäten mit einer Gruppe in meinem Alter stattfinden, auch nicht eingeschränkt auf diese Unterkunft – wir müssen offener denken und handeln“, sagt die junge Frau.

„Mädchen machen Mut“ bietet zudem Elternkurse an, um Angehörige für die Belastungssituation der Kinder zu sensibilisieren. „Von Eltern, Mädchen und Mitarbeitern erfahren wir positives Feedback“, freut sich Colette Kabeya Wa-Tshunza. Das erleichtere den Alltag. Im Januar 2020 endet das Projekt. Bis dahin soll ein „Werkzeugkoffer“ entwickelt werden, der die gewonnenen Erfahrungen und Methoden bündelt und den auch andere Einrichtungen nutzen können.

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