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Die Herren warten schon. Kim (Friederike Becht 2.v.r.) und Maja (Nina Gummich) arbeiten als Gastro-Hostessen.

© dpa / Foto: Marion von der Mehden

Übergriffiger „Gentlemen’s Evening“: Macht der Männerbünde

„So laut Du kannst“ ist ein #MeToo-Film im ZDF - aber kein Moral-TV

Sie sind jung und sie brauchen das Geld. Kim Krawitz (Friederike Becht) und Maja Heller (Nina Gummich) wollen eine gemeinsame Physiotherapiepraxis in Hamburg eröffnen. Das kostet Geld, also jobben sie als Hostessen beim „Gentlemen's Evening“, einer exklusiven Veranstaltung der Wirtschaftselite. Wie immer werden die jungen Frauen als Objekte der Männerbegierde gesehen, noch während die Hostessen den Alkohol zum Dinner ausschenken, gibt es anzügliche Angebote für die Stunden danach.

Während Kim nach Hause fährt, trinkt Maja noch einen Absacker an der Bar. Am nächsten Tag wacht sie nackt und orientierungslos in einem Hotelzimmer auf, auf ihrem Körper zeigen sich zahlreiche Hämatome. Majas Anzeige der Vergewaltigung läuft ins Leere, doch Kim beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln. Schnell zeigt sich, dass Übergriffe an der Tagesordnung waren. Für den Deal, auf Anzeigen zu verzichten, gab es ordentlich „Entschädigung“.

Maja will ihr „altes Leben“ zurück

Kim läuft wieder und wieder gegen die Wand. Aber nicht nur bei den Ex-Hostessen und der Agenturchefin Ines Betzold (Gesine Cukrowski), sondern vor allem bei der traumatisierten Maja. Sie möchte nur noch vergessen, sie will „ihr altes Leben“ zurück, sie will die eigene Praxis, sie rebelliert gegen ihre ermittelnde Freundin, weil Kim sie immer wieder an diese erniedrigend Nacht erinnert.

Kim hat bei dem besagten „Gentlemen's Evening“ auch ihren Schulfreund Maximilian Holtdorf (Jan Krauter) wiedergetroffen. Sie hatten sich aus den Augen verloren, er arbeitet jetzt als Anwalt mit steilen Karrierechancen. Wie sich zeigt, ist seine Kanzlei in dieses schützende Geflecht aus Tätern und „Tatortreinigern“ eingebunden. Auch als Kim den Vergewaltiger von Maja, den Unternehmer Lukas Berger (Ulrich Brandhoff), stellt, setzt sich das Räderwerk der Männerbünde in Gang. Maja wird eine Anzeige wegen übler Nachrede angedroht, zugleich gibt es die Offerte eines üppigen Schweigegelds. Maja akzeptiert, sie kann, wie der Zeitsprung von einem Jahr zeigt, ihre Praxis eröffnen, die Freundschaft zu Kim scheint wieder intakt – aber das ist längst nicht das Ende des ZDF-Films „So laut Du kannst“.

Die 88 Minuten des Autorenteams Sophia Krapoth, Isabel Kleefeld, Lilly Bogenberger und David Weichelt greifen ein Thema auf, das längst nicht der Vergangenheit angehört: #MeToo, wo Frauen auf Schlampen-Niveau gesehen und behandelt werden, wo der sexuelle Übergriff herrscht, Machtmänner weiter agieren können, weil sie sich im Kokon von Geld und Einfluss bewegen. Der Film lappt an wenigen Stellen in Moral-TV, verliert sich aber nicht darin.

„So laut Du kannst“ bringt diese Perspektiven auf, der Film trägt sie direkt ins Publikum hinein. Ja zum Schweigegeld, nein zur Anzeige? Verbleiben in der Opferrolle oder mutige, unkalkulierbare Schritte in die Öffentlichkeit? Haltungen werden nicht gegeneinander ausgespielt.

Thema wie Perspektiven zum Thema profitieren von einer kraftvollen filmischen Umsetzung hinter und vor der Kamera. Und insbesondere von Friederike Becht und Nina Gummich in den Hauptrollen. Die Kamera (Martin Neumeyer) nähert sich den Gesichtern immer wieder sehr nah, exploriert im Mienenspiel die jeweiligen Gefühlslagen.

Die Produktion setzt auf Becht und Gummich. Beide haben das Vermögen, ihre Figuren dar- und nicht nur auszustellen. Sie sind nahe bei Kim und Maja, und weil sie dies sind, erwächst aus der Nähe Empathie fürs jeweilige Handeln. Kraft und Leben steckt in den Bildern. Groß.

Regisseurin Esther Bialas akzentuiert das Geschehen mit Stärke und Sensibilität, wo es doch in fast Szenen um alles geht, es auf und ab geht, Durchatmen ist nicht, Atemlosigkeit prägt die 88 Minuten. Frauen können sich wehren. So laut sie es eben können – und wollen.

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