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Gesundheit: Das Auge der Milchstraße

Im Zentrum unserer Galaxie formieren sich die Sterne nicht zu einer Spirale, sondern zu einem Balken

Wer im Wald steht, sieht nur Bäume. Ob der Wald groß oder klein ist, ob es Lichtungen darin gibt und wie die Waldränder verlaufen, sieht er nicht. Ähnlich geht es uns inmitten unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße: Wir sehen nur Sterne. Immerhin können wir erkennen, dass sich besonders viele von ihnen in einem leuchtenden Band zusammenballen, das sich in Augustnächten von Süden kommend, quer übers Firmament zum nordöstlichen Horizont erstreckt.

Dieser Anblick rührt daher, dass die Milchstraße eine gewaltige Scheibe aus Milliarden von Sternen ist – und wir sind mittendrin. Was wir als Band sehen, ist der Blick seitlich in die Scheibe hinein, die uns auf allen Seiten umgibt. Wie aber sieht die Milchstraße von außen aus? Zahlreiche Bücher und Zeitschriften zeigen als Antwort hierauf ein riesiges Feuerrad mit Spiralarmen, die von einem kreisrunden Zentrum ausgehen. Das wirkt beeindruckend, ist aber leider nicht richtig.

US-Astronomen haben jetzt nachgewiesen, dass sich im Zentrum der Milchstraße ein riesiger, länglicher Block aus überwiegend alten, roten Sternen erstreckt. Er ist schätzungsweise 27000 Lichtjahre lang – ein Viertel ihres Gesamtdurchmessers. Die Entdeckung bestätigt, was Forscher schon seit einiger Zeit vermuten: Unsere Heimatgalaxie gehört nicht zur Gruppe der normalen Spiralen, deren Spiralarme von einem runden Zentrum ausgehen, sondern zur Gruppe der Balkenspiralen mit einem lang gestreckten Zentralbereich.

Das Forscherteam um den Physiker Robert Benjamin von der University of Wisconsin-Whitewater (USA) erkundete die Struktur der Milchstraße so umfassend wie noch nie. Die Wissenschaftler bedienten sich dabei des Weltraumteleskops „Spitzer“, das den Himmel nicht im Bereich des sichtbaren Lichts abbildet, wie es gewöhnliche Teleskope tun, sondern im Bereich der Infrarotstrahlung. Mit Hilfe seiner Infrarot-Augen ermöglicht es „Spitzer“ den Astronomen, durch die zahlreichen Staubwolken hindurch zu blicken, die das Innere der Galaxis verhüllen.

Benjamin und seine Kollegen beobachteten insgesamt 30 Millionen Sterne in der Umgebung des Milchstraßenzentrums. Sie erkannten, dass diese in Form eines lang gestreckten Balkens angeordnet sind, der die Mitte der Galaxis überspannt. Die galaktischen Spiralarme gehen von den Enden dieses Balkens aus und schwingen sich von dort in Bögen nach außen. Unser Sonnensystem liegt am Rand eines solchen Spiralarms, des „Orion-Arms“, etwa 25000 Lichtjahre vom Milchstraßenzentrum entfernt. Zieht man eine gerade Linie von unserer Sonne zur Mitte der Galaxis, dann ist diese etwa 45 Grad gegen den Balken geneigt. Die amerikanischen Forscher werden ihre Ergebnisse im Fachblatt „Astrophysical Journal Letters“ veröffentlichen.

Dass die Milchstraße eine Balkenspirale ist, vermutet die Astronomengemeinde zwar schon lange. „Ähnliche Ergebnisse hatten wir schon vor zehn Jahren“, sagt Simon White, Direktor am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching. Überraschend jedoch sei, dass die Struktur derart stark ausgeprägt ist.

Gero Rupprecht von der Europäischen Südsternwarte pflichtet White bei. „Hinweise auf einen zentralen Balken gibt es seit Ende der 80er Jahre“, sagt Rupprecht, sie seien allerdings „noch nie so deutlich bestätigt worden – die Amerikaner haben erstmals die genaue Länge des Balkens vermessen und seine räumliche Lage bestimmt“.

Bisher gingen die Forscher von einem „moderaten“ Zentralbalken mit einer Länge von etwa 20000 Lichtjahren aus. Der neu bestimmte Wert liegt mit 27000 Lichtjahren beträchtlich darüber.

Benjamin und seinen Kollegen fiel auch auf, dass der Balken überwiegend alte Sterne enthält. Man erkennt sie an ihrer roten Farbe. Wenn Sterne am Ende ihres Lebens nämlich den größten Teil ihres Brennstoffs verbraucht haben, blähen sie sich gewaltig auf, wodurch ihre äußeren Hüllen abkühlen. Wegen der niedrigeren Außentemperaturen verschiebt sich ihre Strahlung zu längeren Wellenlängen hin, und sie nehmen eine rote Farbe an. Junge, heiße Sterne erscheinen dagegen blau. Warum aber sind in dem Zentralbalken fast nur alte Gestirne zu finden? „Das hängt mit der Geschichte der Milchstraße zusammen“, sagt Rupprecht. „Das Gas im Zentrum der Galaxis verdichtete sich sehr rasch und bildete in kurzer Zeit Unmengen von Sternen. Es war schnell verbraucht, weswegen später kaum noch neue Sterne entstehen konnten.“ Wenn wir heute ins Zentrum der Milchstraße schauen, sehen wir also vor allem Vertreter der ersten, ursprünglichen Sterngeneration.

Ergibt sich aus der Erkenntnis, dass unsere Galaxie zu den Balkenspiralen gehört, ein direkter „Nutzen“? Nicht unbedingt. „Für unsere Vorstellungen davon, wie sich die Milchstraße entwickelt hat, ist das nicht sehr bedeutsam“, sagt White. Auch für die Kosmologie – die Wissenschaft vom Ursprung und der Entwicklung des Universums – sei es kaum relevant. Aber manche Dinge lohnt es zu wissen, auch ohne dass sich daraus messbares Kapitel schlagen lässt. „Ich für meinen Teil finde es spannend, wie die Sternenstadt aussieht, in der wir leben“, sagt Rupprecht. „Ich glaube, es geht auch vielen anderen Menschen so.“

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