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Früherkennung: Eierstockkrebs: Plädoyer für erhöhte Wachsamkeit

Frauen sollten nach Ansicht der amerikanischen Krebsgesellschaft frühe Anzeichen der Krankheit ernster nehmen.

Frauenärzte sprechen vom „Problemkrebs“: Zwar sind Tumoren der Eierstöcke seltener als Brustkrebs und auch etwas weniger häufig als Krebs der Gebärmutter. Doch fünf Jahre nachdem die Diagnose gestellt wurde, leben trotz Operation und Chemotherapie nur noch 40 Prozent der erkrankten Frauen. Das liegt vor allem daran, dass dieser Krebs in der ersten Phase seines Wachstums, wenn die Geschwulst sich auf die Eierstöcke beschränkt, meist keine ernsthaften Beschwerden macht. In drei von vier Fällen sind schon andere Organe im Becken oder sogar in der Bauchhöhle befallen, wenn die Diagnose gestellt wird.

Mit einer gemeinsamen Initiative wollen mehrere US-Krebs-Organisationen jetzt dafür sorgen, dass der Krebs der Eierstöcke früher erkannt und damit besser behandelt werden kann. Die American Cancer Society hat sich dafür unter anderem mit der Gynecologic Cancer Foundation auf vier Beschwerden geeinigt, die schon im frühen Stadium auf diese Krebsform hinweisen könnten. Sie basiert auf einer Liste, die die Gynäkologin Barbara Goff von der Universität von Washington in Seattle im Fachblatt „Cancer“ (Band 109, Seite 221) veröffentlichte.

Die vier Symptome sind Schmerzen im Becken und im Bauchraum, Gefühl des Aufgeblähtseins, schnelles Sättigungsgefühl gekoppelt mit Schwierigkeiten, gewohnte Mengen Nahrung zu sich zu nehmen, und plötzlicher oder häufiger Harndrang. Wenn diese Probleme neu auftreten und sich an mehr als zwölf Tagen eines Monats bemerkbar machen, ist das nach Ansicht von Goff ein Grund, einen Termin beim Frauenarzt zu vereinbaren. Denn mehrere Studien haben gezeigt, dass sie sich besonders häufig bei Frauen zeigen, bei denen später Eierstockkrebs diagnostiziert wird.

Trotzdem ist die Empfehlung heikel. Denn Aufgeblähtsein oder zeitweilig verminderter Appetit sind häufig, doch Eierstockkrebs ist selten. Nur in drei von 100 Fällen, in denen eine Frau an Krebs erkrankt ist, geht er von den Eierstöcken aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass etwas Harmloseres, Vorübergehendes hinter den Beschwerden steckt, ist groß.

„Wir wollen die Frauen nicht erschrecken, wir wollen sie jedoch mit den geeigneten Informationen ausstatten“, argumentiert Goff. Dahinter steckt die Erfahrung, dass vor allem Frauen, bei denen der Krebs sehr spät entdeckt wird, ihre Beschwerden zuvor oft lange ignoriert oder heruntergespielt haben. Umgekehrt könnte die neue Liste aber vor allem gesundheitsbewusste Frauen, die zudem ein sensibles Schmerzempfinden haben, mit einer neuen Sorge belasten.

Dass das sich unter dem Strich lohnt, ist jedoch noch nicht erwiesen. „Mit der Empfehlung gehen Frauen eventuell schon etwas früher zum Arzt. Ob das die Lebenserwartung verlängert, muss erst noch gezeigt werden“, sagt der Gynäkologe Achim Schneider von der Charité. Nach Schneiders Erfahrung hat der Krebs meist schon den begrenzten Raum der Eierstöcke verlassen, wenn er sich mit Bauchschmerzen bemerkbar macht. Trotzdem findet auch Schneider den Aufruf richtig, zum Arzt zu gehen, wenn eines der diffuseren Symptome plötzlich auftritt. Schließlich ist das auch sinnvoll, wenn eine andere behandelbare Krankheit dahintersteckt. Etwa Darmkrebs.

Eine überzeugende Methode der Früherkennung fehlt. Mit einer Ultraschalluntersuchung, für die die Sonde durch die Scheide eingeführt wird, kann man zwar Veränderungen in den Eierstöcken erkennen. Ob es sich um harmlose Zysten oder um bösartige Geschwülste handelt, ist aber nicht sicher zu entscheiden. Im Mai wurden in der Zeitschrift „Cancer“ (Band 109, Seite 1887) erste Ergebnisse einer Studie von der Universität von Kentucky veröffentlicht, für die 25 000 Frauen ohne Symptome über Jahre hinweg einer echten Ultraschall-Reihenuntersuchung unterzogen wurden. Tatsächlich wurde durch das Screening der Krebs oft in einem früheren Stadium entdeckt – um den Preis zahlreicher Fehlalarme.

Für Frauen, die schon auffällige Symptome haben oder bei denen eine familiäre Belastung vorliegt, empfiehlt sich der Ultraschall. Die Treffsicherheit wird erhöht, wenn man ihn mit einem Bluttest auf ein Eiweiß namens CA 125 kombiniert, falls sich beim Ultraschall eine Auffälligkeit findet. Dieser „Tumormarker“ ist bei der Hälfte der erkrankten Frauen erhöht. Leider finden sich erhöhte Werte auch bei gesunden Frauen.

Letzten Aufschluss darüber, ob es sich wirklich um Krebs handelt, bringt nur die Untersuchung des Gewebes unter dem Mikroskop des Pathologen. „Wir müssen 20 Frauen operieren, um einen Eierstockkrebs zu finden“, erläutert Schneider. Auch wenn das meist mit schonenden „Schlüsselloch“-Verfahren erfolgt, bleibt der Preis der unnötigen Beunruhigung.

Wird Eierstockkrebs frühzeitig entdeckt, dann kann er in neun von zehn Fällen geheilt werden. „Vernünftige Strategien der Früherkennung sind also hochwillkommen“, sagt Schneider. Zu den Strategien der Frauen selbst sollte neben der Wachsamkeit Gelassenheit gehören.

Adelheid Müller-Lissner

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