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Gesundheit: Gefühlte Kälte

Umfrage unter Partnern: Die Europäer mögen die USA, aber nicht deren Präsidenten. Schlechte Werte für Israel

Wie denken die Europäer wirklich über die Amerikaner? Robert M. Worcester, Englands prominentester Meinungsforscher, kam jetzt mit differenzierten Ergebnissen ans Potsdamer Einstein Forum. Die Europäer hegen für die transatlantische Weltmacht mit 64 Sympathiepunkten nur verhalten freundschaftliche Gefühle. Die in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden und Polen jeweils 1000 befragten Ländervertreter sollten ihre Haltung auf einer Skala zwischen 100 (sehr freundschaftlich) und Null (sehr kalt) einordnen. Die Werte, die das führende britische Meinungsforschungsinstitut Mori in den einzelnen Ländern erhob, pendeln um den europäischen Mittelwert: Die Franzosen geben den USA 60 Sympathiepunkte, die Deutschen 63, die Briten und die Italiener 64.

Schlechte Noten für Bush

George Bushs Politik allerdings bekommt mittelmäßige bis schlechte Noten. Urteilen konnten die Europäer über verschiedene Felder der Außenpolitik mit Noten von 4 (sehr gut) bis 1 (ungenügend): Für seine Reaktionen auf den internationalen Terrorismus kam Bush auf 2, 4, für den Krieg in Afghanistan auf 2, 2 für den palästinensisch-israelischen Krieg auf 1, 9. An dieser Stelle konnte Meinungsforscher Worcester, ein gebürtiger Amerikaner, die für ihn größte Überraschung präsentieren: Die befragten Amerikaner gaben ihrem Präsidenten durchweg fast ebenso schlechte Noten – 2,5 für die Terrorismusbekämpfung, 2,0 für den Konflikt in Israel. Und das bei gleichbleibend guten Umfragewerten zur Beliebtheit des Präsidenten.

Beunruhigt reagierte das Potsdamer Publikum auf Umfragewerte zu Israel. Die Deutschen ordneten ihre Haltung zum Judenstaat auf der Skala von Null bis 100 bei 32 ein. Die Frage zu Israel war – ebenso wie die zum Irak – der politischen Aktualität geschuldet. Die Auftraggeber der Studie, der German Marshall Fund of the United States und der Chicago Council of Foreign Relations, wollten wissen, welche Schatten der Nahost-Konflikt und der Kampf gegen den Terrorismus auf die Beziehungen zwischen den Regionen werfen. Eine Erklärung für die mangelnde Israelfreundlichkeit der Deutschen musste der Meinungsforscher naturgemäß schuldig bleiben. Nichts als weitere Werte konnte Worcester liefern: Die Polen gaben Israel nur 29 Punkte auf der Beliebtheitsskala. In den USA erreicht Israel 55, in Frankreich und Großbritannien 43 und im europäischen Mittel 40 Punkte. Tiefer steht nur der Irak in der Gunst der Europäer und Amerikaner. Dieses Land, das die USA mit Krieg bedrohen, wird auf der Skala der freundschaftlichen Gefühle im europäischen Mittel bei 25, in den USA gar nur bei 23 eingeordnet.

Die Deutschen sind mit einem Mittelwert von 62 Punkten in Europa nicht beliebter als die Amerikaner. Dabei urteilen die Franzosen (62 Punkte) noch freundlicher als die Briten (54) und die Polen (51). Ausgeglichen wird der Wert durch die Selbstzufriedenheit der Deutschen: Sie geben sich 84 Punkte.

Bei den „lebenswichtigen Interessen“ ihrer eigenen Länder neigen die Europäer definitiv dazu, die Amerikaner auf Distanz zu halten. Auf die Frage „Wer ist für Ihr Land wichtiger – die EU oder die USA?“ preschen wieder die Franzosen selbstbewusst nach vorne. Für 93 Prozent der Befragten hängen die „vital interests“ allein von der EU ab, für nur vier Prozent von den USA und lediglich ein Prozent hält beide Mächte für gleich wichtig. Die Deutschen erweisen sich hier als Euroskeptiker: Nur 55 Prozent glauben, dass allein die EU die Geschicke der Bundesrepublik bestimmt, immerhin 20 Prozent halten die USA für führend, und 11 Prozent sehen ein Gleichgewicht der Kräfte. Polen – als einziges EU-Erweiterungsland befragt – setzt zu 69 Prozent auf die EU.

Kurz nach der internationalen Intervention in Afghanistan und im Vorfeld eines möglichen Irak-Kriegs fragte Mori auch nach der gewünschten Rolle in der Weltpolitik: „Aktiv werden oder sich heraushalten?“ Immerhin 25 Prozent der Amerikaner sind gegen die Rolle ihres Staates als Weltpolizei, 71 Prozent wollen weiterhin eingreifen. In Europa plädieren nur 17 Prozent für ein klares „Stay out“ und 78 Prozent für einen „Active part“. Die Deutschen und die Niederländer sind mit 23 Prozent Neutralitäts-Befürwortern nahe bei den Amerikanern, während die Italiener zu 90 Prozent für eine Beteiligung an internationalen Einsätzen sind.

Gleichzeitig wollen die Europäer internationale Organisationen stärken: So wollen 82 Prozent der Italiener, 81 Prozent der Briten und 75 Prozent der Deutschen die Vereinten Nationen aufwerten. Die Nato schneidet nicht ganz so gut ab: Zwischen 61 und 66 Prozent der Europäer bewegt der Wunsch, das militärische Bündnis zu stärken.

Welches Bedrohungspotenzial aber steht hinter dem verbreiteten Wunsch, sich gemeinsam zu verteidigen? Der Internationale Terrorismus wird in den beiden Staaten, die die Allianz gegen den Terrorismus anführen, als besonders große Gefahr gesehen: In den USA fühlen sich 91 Prozent extrem bedroht, in Großbritannien 74 Prozent. Mit einigem Abstand folgen die Italiener mit 67 Prozent, die Deutschen (63 Prozent) und die Franzosen (60 Prozent). Die Bedrohung durch „Massenvernichtungswaffen des Iraks“ empfinden die Staaten in ähnlicher Abstufung: In den USA fühlen sich 86 Prozent extrem bedroht, in England 75 Prozent, in Frankreich dagegen nur 43 Prozent.

Keine Invasion auf eigene Faust

Weitgehend einig sind sich die Länder allerdings wieder über die Reaktion auf die irakische Bedrohung: Die USA sollen „nur mit der Zustimmung der Vereinten Nationen und Unterstützung durch Alliierte“ einmarschieren, meinen 54 Prozent (Italien) bis 70 Prozent (Niederlande). In den USA selbst wollen 65 Prozent die UN-Unterstützung, 20 Prozent sind für eine Invasion auf eigene Faust.

Dieses Ergebnis beeinflusste die Irak-Politik der USA, sagt Robert M. Worcester. Nachdem der Chicago Council es dem Präsidenten vorlegte, habe George Bush die Rolle der Vereinten Nationen aus Rücksicht auf die „public opinion“ wieder stärker betont. Der kleine Triumph über den Weltpolizisten macht Worcester sichtlich Spaß. Wie Bush auf die jüngsten Ergebnisse der Forsa-Umfrage zum Irak-Krieg reagieren wird, bleibt abzuwarten. Wie berichtet lehnen 81 Prozent der Deutschen, 90 Prozent der Italiener, aber nur 47 der Engländer und 42 Prozent der Amerikaner eine Intervention im Irak ab.

Die Umfrage im Internet:

www.mori.com/pubinfo/pdf/rmw-nally.pdf

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