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Gesundheit: Gentechnik: Zu hoher Preis für ein Baby

Weltweit leben inzwischen insgesamt 30 Kinder, deren Erbgut im Zusammenhang mit einer künstlichen Befruchtung genetisch verändert wurde. Obwohl das älteste von ihnen bald vier Jahre alt werden soll, blieb dieser Eingriff in die Keimbahn bisher von der Öffentlichkeit unbemerkt.

Weltweit leben inzwischen insgesamt 30 Kinder, deren Erbgut im Zusammenhang mit einer künstlichen Befruchtung genetisch verändert wurde. Obwohl das älteste von ihnen bald vier Jahre alt werden soll, blieb dieser Eingriff in die Keimbahn bisher von der Öffentlichkeit unbemerkt. Die Kinder tragen neben den Genen von Mutter und Vater die einer zweiten Frau, allerdings liegt ihr Anteil im Promillebereich. Und die genetische Veränderung war nicht Ziel, sondern Nebeneffekt der Behandlung. Denn es handelt sich offensichtlich durchweg um die Babies von Paaren, die sich schon mehrfach erfolglos den Prozeduren einer In-vitro-Befruchtung ausgesetzt hatten.

Nun berichtete Jacques Cohen, seines Zeichens Direktor des Instituts für Reproduktionsmedizin und -wissenschaft in Saint-Barnabas/New Jersey, in der Fachzeitschrift "Human Reproduction" über die Methode. Sie wurde in seiner Klinik erstmals angewandt, 15 der nach einer Eiplasma-Verpflanzung geborenen Kinder wurden jedoch in anderen Institutionen gezeugt.

Dafür wurden in die Eizellen der Mütter Bestandteile aus gespendeten Eizellen anderer, fruchtbarer Frauen gespritzt. Es handelt sich dabei um Material, das den Kern der Eizelle umgibt, das Zytoplasma. Cohen wollte die Eizellen seiner Patientinnen gewissermaßen mit dem gespendeten Material flicken, denn er ging davon aus, dass die Unfruchtbarkeit der Frauen auf eine Störung der Eizellen zurückzuführen sei, die die gesunde Weiterentwicklung eines Embryos unmöglich mache. Einen Beweis für seine Vermutung gibt es bisher nicht.

Die amerikanischen Fortpflanzungsmediziner haben, wie Heidemarie Neitzel vom Institut für Humangenetik der Berliner Charité vermutet, "aus dem hohlen Bauch heraus" und ohne klare Behandlungskriterien einzelne Frauen dieser Methode unterzogen. Der deutsche Fortpfanzungsmediziner Klaus Diedrich von der Universität Lübeck moniert, die Methode sei offensichtlich auch nicht zuvor im Tierexperiment geprüft worden. "Ich halte das für sehr gefährlich, denn es könnten Schäden entstehen, die man nicht mehr reparieren kann."

Wundern kann er sich darüber allerdings nicht, denn Cohen ist - ähnlich wie sein italienischer Kollege Antinori, der sich unlängst für das Klonen von Menschen stark machte - schon mehrfach mit neuartigen, noch ungeprüften Verfahren an die Öffentlichkeit getreten: "Er ist in der Fachwelt als Außenseiter bekannt."

Diesmal ist allerdings besonders bedenklich, dass durch ein Verfahren, dass die Chancen auf ein eigenes Kind für bestimmte Paare erhöhen soll, Gene von Dritten ins Spiel kommen. Denn zum übertragenen Zytoplasma gehören auch die Energielieferanten der Zelle, die Mitochondrien. Auch sie enthalten DNS, mithin Gene. Genetiker vermuten, dass sie von Mikroorganismen abstammen, die in einer frühen Phase der Evolution in andere Einzeller eingedrungen sind und ihr selbständiges Dasein aufgaben.

Die DNS dieser "Kraftwerke der Zelle" enthält den Bauplan für Enzyme, die den Energiestoffwechsel steuern. Fast alle Zellen enthalten deshalb Mitochondrien. Ausnahme: die ausgereifte Samenzelle, die der Vater für die Fortpflanzung beisteuert. Mitochondrien-DNS wird fast ausschließlich von der Mutter vererbt. Welche biologischen und ethischen Konsequenzen es hat, wenn dies nun auch durch eine "zweite Mutter" geschieht, ist überhaupt noch nicht abzusehen. "Man weiß überhaupt noch nicht, was durch so einen Gentransfer angerichtet wird, deshalb kann man die Anwendung des Verfahrens nur verurteilen", betont Diedrich.

Adelheid Müller-Lissner

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