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Gesundheit: Katastrophale Prognosen

Wie stark ist der Mensch am Klimawandel beteiligt? Was die Wissenschaft weiß

Morgen, am 16. Februar,soll das Abkommen von Kyoto endlich in Kraft treten. Es fordert von den teilnehmenden Nationen, mit verschiedenen Maßnahmen die steigenden Temperaturen auf dem Globus zumindest ein wenig zu bremsen. Gleichzeitig aber ist eine neue Diskussion darüber entbrannt, welche Rolle der Mensch beim Klimawandel tatsächlich spielt. Anlass ist „Welt in Angst“, der neue Roman des Bestsellerautors Michael Crichton („Jurassic Park“). Seine These: Die angeblich drohende Klima-Katastrophe ist im Wesentlichen eine Erfindung fanatischer Ökogruppen.

Hat Crichton Recht? Oder liegt er daneben? Für den Außenstehenden verwirrend ist auf den ersten Blick die Vielzahl der Klimaprognosen. Die Voraussagen selbst gehen im Moment aber eher in eine Richtung, die nicht passen dürfte. Während die einen Wissenschaftler vermuten, im Jahr 2100 würden die Temperaturen auf dem Globus wohl durchschnittlich zwei bis vier Grad höher als heute liegen, äußerten Kollegen im Januar im Wissenschaftsmagazin „Nature“ die Befürchtung, bis dahin könnte die Quecksilbersäule um bis zu elf Grad Celsius in die Höhe schießen.

Nicht einmal über das Klima der letzten paar 100 Jahre scheinen die Klimatologen einig zu sein. Viel stärker als bisher bekannt sollen die Temperaturen seit der Zeitenwende auf dem Globus geschwankt haben. Wenn aber schon in der Vergangenheit die Temperaturkurven der Jahrhunderte rauf und runter gingen, könnte auch der zurzeit beobachtete Trend zu höheren Werten natürliche Ursachen haben, spekulieren wieder andere Wissenschaftler.

Im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Streits steht eine eindrucksvolle Kurve. Aufgezeichnet hat sie der Amerikaner Michael Mann von der Universität von Virginia: Während die durchschnittlichen Temperaturen in den letzten Jahrtausenden zwar rauf und runter gingen, schwankten sie doch immer nur um allenfalls wenige Zehntel Grad um einen Mittelwert. Erst am Ende des 20. Jahrhunderts biegt diese Kurve steil nach oben und die Temperaturen schießen in die Höhe. Dieser Knick in der Kurve war ein Grund für das Kyoto-Protokoll. Wer anders als der Mensch könnte ihn verursacht haben?

Die Wetterdienste bestätigen diese Entwicklung: Weltweit registrieren sie seit 1990 Temperaturrekorde wie am Fließband. Die wärmsten Jahre, Jahrzehnte, Sommer oder andere Jahreszeiten seit „Menschengedenken“ scheinen fast alle in den letzten 15 Jahren stattgefunden zu haben. Ein zweiter Blick aber enthüllt rasch die Probleme dieser Kurve von Michael Mann. Denn halbwegs zuverlässige Wetterdaten werden erst seit rund 150 Jahren aufgezeichnet. Für die Zeit davor aber basteln sich die Forscher ihre Klimadaten aus nicht sonderlich zuverlässigen „Messgeräten“: Je dicker die Ringe von Bäumen, um so wärmer war der Sommer, lautet das Grundprinzip einer solchen Messung. Ähnlich liest man Temperaturdaten aus den Wachstumsschichten von Korallen oder sogar dem Zeitpunkt und Ertrag der Weinlese in französischen Gemeinden, die solche Daten seit Jahrhunderten akribisch genau aufzeichnen. Daraus kann man Klimakurven wie die von Michael Mann machen.

Leider hat diese Kurve gleich mehrere Schwächen: Zum einen beeinflusst nicht nur die Temperatur die Dicke eines Baumringes oder den Ertrag der Weinlese, sondern auch Zeitpunkt und Ergiebigkeit von Niederschlägen. Dieser zusätzliche Einfluss verwässert die Temperaturschwankungen und stellt sie in der Kurve von Michael Mann kleiner dar, als sie wirklich waren. Mit unterschiedlichen Methoden haben verschiedene Forscher in letzter Zeit diese Unterschätzung der tatsächlichen Schwankungen immer wieder bestätigt. Das Klima war demnach in der Vergangenheit tatsächlich weniger gleichmäßig als bisher vermutet.

Diese Feststellung ist allerdings noch kein Streit unter Wissenschaftlern, genau genommen wird damit nur die Kurve von Michael Mann ein wenig korrigiert. Denn den entscheidenden Punkt bestätigen alle Forscher: Gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts knickt die Temperaturkurve der Welt plötzlich ab und schießt steil in die Höhe. Der Mensch hat anscheinend doch seine Finger im Spiel.

Hauptverdächtiger ist das Kohlendioxid. Dieses Gas entsteht zum Beispiel beim Verbrennen von Kohle, Öl und Gas. Und da riesige Mengen dieser fossilen Brennstoffe verheizt werden, steigt der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre ständig an. Waren vor 200 Jahren noch 280 von einer Million Teilchen in der Luft solche Kohlendioxid-Moleküle, sind es heute 380 Teilchen. Jedes Jahr kommen zwei oder drei weitere Kohlendioxidteilchen dazu. Jedes dieser Teilchen hält wie das Glas eines Treibhauses ein wenig Wärme fest. Viel Kohlendioxid lässt also die Temperaturen steigen.

Da aber niemand weiß, wie viel Kohlendioxid die Menschheit zukünftig in die Luft blasen wird und welche Klimaschutzmaßnahmen in den kommenden Jahren durchgesetzt werden können, schwanken auch die Schätzungen der Forscher über die Temperaturen im Jahr 2100 erheblich. So einfach lässt sich also zumindest ein Teil des Wissenschaftlerstreits erklären. Zwischen 1,4 und 5,8 Grad wärmer als heute könnte es dann sein, vermutet zum Beispiel der Wissenschaftlerrat IPCC, der die Vereinten Nationen in Klimafragen berät. Ausschließen können diese Forscher zwar auch nicht, dass die Quecksilbersäule 2100 sogar elf Grad mehr zeigt. Dazu aber müssten alle Klimawürfel auf die „1“ fallen. Das aber ist sehr unwahrscheinlich.

Noch steht die Frage im Raum, ob nicht doch natürliche Faktoren die Temperaturen steigen lassen. Schließlich schwankte das Klima auf dem Globus schon lange vor Erfindung von Kohleheizung, Gasherd und Ottomotor kräftig. Dafür gab es verschiedene Ursachen, von denen die meisten aber für die zurzeit beobachtete Erwärmung ausfallen.

Einer der Verdächtigen konnte lange Zeit kein Alibi beibringen: Die Sonne strahlt mal mehr und mal weniger Energie auf die Erde. Zwar sind die Unterschiede nicht sonderlich groß, aber für einige Zehntel Grad mehr könnten sie durchaus sorgen. Tatsächlich finden Sami Solanki und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau im Grönlandeis Spuren, nach denen die Sonne seit rund sechzig Jahren der Erde so stark einheizt wie seit 8000 Jahren nicht mehr.

Trotzdem aber sprechen die Forscher die Sonne vom Verdacht frei, die seit 1990 vielerorts gemessenen Rekordtemperaturen verursacht zu haben: Die wärmenden Sonnenstrahlen erklären die steigenden Temperaturen auf dem Globus - es handelt sich immerhin um 0,7 Grad im Laufe des 20. Jahrhunderts - nämlich nur bis 1980. Danach muss ein weiterer Faktor für noch mehr Wärme gesorgt haben. Damit aber bestätigen die Max-PlanckForscher erneut Öl, Gas und Kohle als Verursacher des Knicks in der Temperaturkurve. Genau das ist längst die Meinung der überwältigenden Mehrheit der Klimaforscher – Crichton zum Trotz.

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