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Gesundheit: Piepsen vor dem Kollaps

Sterbende Sterne senden Gravitationswellen aus. Potsdamer Forscher können die blitzartigen Signale jetzt berechnen

Schwarze Löcher läuten manchmal – wie eine riesige Glocke, die im Weltraum dröhnt. Freilich ist ihr Klang nicht zu hören, denn sie geben keine Schallwellen von sich. Vielmehr senden sie Gravitationswellen aus. Das sind Verzerrungen des Raums, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ins All ausbreiten. „Je größer das Schwarze Loch, desto ‚tiefer‘ hallt es, umso niedriger ist also die Frequenz des abgestrahlten Gravitationswellen-Signals“, sagt Luciano Rezzolla vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (MPIG) in Potsdam-Golm.

Rezzolla und seine Kollegen haben berechnet, wie ein solches Signal aussieht. Sie untersuchten, was sich ereignet, wenn ein Neutronenstern zu einem Schwarzen Loch zusammenstürzt. So etwas passiert zum Beispiel, wenn zwei dieser exotischen Himmelskörper zusammenstoßen.

„Neutronensterne sind unvorstellbar kompakt“, erklärt Rezzolla. Sie bestünden hauptsächlich aus dicht aneinander gequetschten Neutronen. Ein Fingerhut dieses Konzentrats wiege mehrere hundert Millionen Tonnen – so viel wie der Montblanc!

Neutronensterne sind die kugelförmigen Reste ehemaliger Sterne. Sie haben zehn bis zwanzig Kilometer Durchmesser und drehen sich teils mit beängstigender Geschwindigkeit um sich selbst: mehrere hundert Mal pro Sekunde. Landete ein Astronaut auf der Oberfläche eines solchen Himmelskörpers, würde er sich sofort gleichmäßig auf dessen Oberfläche verteilen – in einer Schicht von der Dicke eines Atoms.

Aber es geht noch kurioser. Selbst ein Neutronenstern kann, obwohl er so dicht zusammengepresst ist, noch weiter schrumpfen. Fällt sehr viel Material auf seine Oberfläche, etwa wenn er mit einem anderen Neutronenstern verschmilzt, erreicht seine Masse einen kritischen Wert. Dann wird die Schwerkraft so groß, dass der Neutronenstern ihr nicht mehr standhalten kann. Er stürzt zu einem Punkt zusammen: zu einem Schwarzen Loch.

„Dieses Schwarze Loch ist nicht sofort im Gleichgewicht“, sagt Rezzolla, „es vibriert noch eine Zeit lang, bis es sich beruhigt.“ Dabei sende es Gravitationswellen aus. Wie eine Glocke, deren Klang nach dem Läuten allmählich leiser wird, nähme die Intensität dieser Wellen mit der Zeit ab.

„Wir haben berechnet, dass das Gravitationswellen-Signal sehr schnell verklingt; es dauert nur wenige tausendstel Sekunden“, so der Physiker weiter. Das Läuten des Schwarzen Lochs ist also eher ein kurzer Piepser – daher wird es Blitzsignal genannt. Die Wissenschaftler am MPIG haben auch die „Tonhöhe“ des Signals ermittelt: mehrere tausend Schwingungen pro Sekunde. Schallwellen mit dieser Frequenz klängen für unsere Ohren ziemlich hoch.

Rezzolla und sein Forscherteam sind die Ersten, die das vollständige Blitzsignal eines kollabierenden Neutronensterns berechnet haben. Sie nutzten dazu Supercomputer mit mehreren hundert Prozessoren und ein spezielles Rechenverfahren namens Mesh-Refinment. „Niemand hat bisher eine solche Art der Berechnung auf dieses spezielle Problem angewandt“, sagt Rezzolla. Die Ergebnisse der Potsdamer Forscher sind kürzlich im Fachblatt „Physical Review Letters“ erschienen.

Welche Bedeutung haben die neuen Erkenntnisse? „Die Physiker wissen jetzt, wonach sie suchen müssen, wenn sie nach Blitzsignalen fahnden“, sagt Ewald Müller vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching. Ein Vorteil, denn diese Suche sei sehr schwierig.

Schon heute gibt es riesige Detektoren zum Nachweis von Gravitationswellen – etwa das kilometerlange „Ligo“ (Laser-Interferometer-Gravitationswellen-Observatorium) in den USA oder den kleineren „Geo 600“ bei Hannover. Doch bisher ist es nicht gelungen, solche Wellen zu messen. „Das Problem besteht darin, dass sie sehr schwach und deshalb schwer zu entdecken sind“, erklärt Müller. Um ein Blitzsignal vom Hintergrundrauschen zu trennen, müsse man vorher ungefähr wissen, wie es aussieht.

Ein Gravitationswellen-Detektor besteht im Wesentlichen aus zwei rechtwinkligen Tunneln, die jeweils bis zu mehrere Kilometer lang sind. In jedem Tunnel läuft ein Laserstrahl zwischen Spiegeln hin und her. An einer bestimmten Stelle werden diese beiden Strahlen miteinander überlagert – und zwar exakt so, dass sie sich gegenseitig auslöschen, so dass es dort dunkel ist.

Wenn eine Gravitationswelle durchläuft, verzerrt sie vorübergehend den Raum, wodurch die Tunnel etwas länger oder kürzer werden. Der Laserstrahl legt dann eine geringfügig andere Strecke zurück. Weil der Effekt in beiden Tunneln unterschiedlich stark ausgeprägt ist, verändert sich die Laufstrecke für den einen Strahl mehr als für den anderen. Folglich treffen die Laserstrahlen etwas versetzt an der Stelle ein, wo sie überlagert werden, und löschen sich nicht mehr exakt aus. Es leuchtet dort kurzzeitig auf. So kommen die Forscher den Gravitationswellen auf die Spur.

„Die Länge der Tunnel ändert sich aber nur minimal“, sagt Rezzolla, „nämlich um weniger als einen Atomdurchmesser.“ Das mache es so schwierig, Gravitationswellen zu registrieren. Gelänge dies aber, wäre es eine weitere Bestätigung der Allgemeinen Relativitätstheorie, die solche Wellen vorhersagt.

Außerdem hätten die Forscher, wenn sie Gravitationswellen messen könnten, eine zusätzliche Methode zur Erforschung des Weltraums. Damit, meint Rezzolla, könne man zum Beispiel untersuchen, was in der unmittelbaren Nähe eines Schwarzen Lochs passiert. „Mit herkömmlichen Lichtteleskopen“, so der Gravitationsphysiker, „geht das nicht.“

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