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Gesundheit: Schallortung: Krächzen, aber sicher

Wenn in einem weitläufigen Gebäude ein Feuer ausbricht und Qualm die Sicht verstellt, verlieren Menschen rasch die Orientierung und laufen ins Verderben. So starben vor fünf Jahren in der Abflughalle des Düsseldorfer Fughafens 17 Menschen.

Wenn in einem weitläufigen Gebäude ein Feuer ausbricht und Qualm die Sicht verstellt, verlieren Menschen rasch die Orientierung und laufen ins Verderben. So starben vor fünf Jahren in der Abflughalle des Düsseldorfer Fughafens 17 Menschen. Im Parkhaus des Münchner Flughafens soll nun ein neues Alarmsystem die Gefahr bannen.

Sollten dort Flammen lodern, ertönen merkwürdige Geräusche. Auf jedem Parkdeck kommt aus 28 Lautsprechern "eine Art Krächzen", wie es Sicherheitstechniker Karlheiz Mayer beschreibt. Der Sound weist den kürzesten Weg in sicheres Terrain - selbst bei dichtem Qualm. Denn - das ist der Clou - jeder Mensch fühlt instinktiv, woher der Ton kommt. Man muss nur dem Klang folgen, um der Gefahr zu entrinnen. "Es funktioniert wirklich", beteuert Mayer. Als die Feuerwehr einen verwinkelten Kellertrakt voller Rauch pumpte, seien die Versuchspersonen innerhalb von 30 Sekunden draußen gewesen.

Designerin des kuriosen Klangs ist Deborah Withington von der englischen Universität Leeds. Sie wollte herausfinden, wie Tiere es schaffen, eine Schallquelle zu orten. Die Fähigkeit entscheidet bei ihnen über Leben und Tod, denn hinter jedem Rascheln, hinter jedem Knistern kann der Todfeind stecken. Tiere reagieren deshalb spontan und zielgenau auf gefährliche Geräusche. Menschen haben diese Fähigkeit nicht verloren. Allerdings, so die Biologin, können wir nur solche Schallquellen orten, die aus einem Mix vieler Frequenzen bestehen. Nur der Breitband-Sound liefert dem Gehirn genug Informationen, um alle verfügbaren Ortungsmechanismen zu aktivieren.

Beim Hören tiefer Frequenzen registriert das Gehirn, ob das Signal zuerst am linken oder rechten Ort ankommt - und bestimmt danach grob die Richtung des Geräuschs. Bei Frequenzen ab 3000 Herz spielt dagegen die Lautstärke eine Rolle: Das Ohr, das der Schallquelle zugewandt ist, wird intensiver beschallt. Ein dritter Mechanismus, der bei hohen Frequenzen greift, hängt von der Form der Ohrmuschel ab. Die individuellen Höcker und Dellen bewirken, dass bestimmte Frequenzen - je nach Ausrichtung zur Schallquelle - verstärkt oder abgeschwächt werden. So lässt sich unterscheiden, ob ein Geräusch von vorne oder hinten kommt.

Wenn genügend Daten verfügbar sind, kann der Mensch eine Schallquelle auf rund fünf Grad genau orten. Bestimmte Geräusche aktivieren sogar - wie bei Tieren - eine spontane, unbewusste Reaktion, was Withington für ein trickreiches Überwachungssystem nutzen will. Videokameras, wie sie in Bankfilialen oder Kaufhäusern stehen, sollen bei einem Überfall ein kurzes Schnarrgeräusch von sich geben. Die Langfinger, bei ihrem Coup ohnehin in Alarmbereitschaft, schauen dann unwillkürlich ins Objektiv. " Das ist, als ob einem jemand von hinten auf die Schulter klopft", beschreibt die Expertin das Gefühl.

Withington ist nicht verlegen, wenn es um die Vermarktung ihrer Forschung geht. "Ich habe eine Polizeisirene gehört, aber nicht gewusst, woher das Fahrzeug kommt", erinnert sie sich. Bald kannte sie den Grund für ihre Irritation: Die Martinshörner jaulen in England im schmalen Frequenzbereich zwischen 500 und 1800 Herz, während das menschliche Ohr 20 bis 20 000 Herz wahrnehmen kann. Sie entwickelte eine breitbandige Alternative und demonstrierte deren Vorteile im Fahrsimulator. Fast jeder der 200 Probanden konnte nun erkennen, ob der Alarm von links oder von rechts kam, und 82 Prozent unterschieden vorne und hinten richtig.

Inzwischen fahren in England einige Feuerwehren, Kranken- und Streifenwagen mit dem Withington-Horn. Die Fahrzeiten haben sich, so heißt es, um durchschnittlich zehn Prozent verringert, weil die Verkehrsteilnehmer rascher Platz machten. Zudem ist die neue Klang-Kreation weniger aufdringlich.

Die findige Professorin hat eine Firma mit 16 Mitarbeitern auf die Beine gestellt, die sich um Produkte und Lizenzen kümmert. In Großbritannien, Österreich und Hongkong wurden bereits Patente erteilt, bald sollen weitere in der EU, den USA, Kanada und Japan folgen. Der Markt für den lokalisierbaren Ton scheint gewaltig. Das meinen auch unabhängige Experten, die der Erfindung mit dem Namen "Localizer" 1997 den "Prince of Wales Preis" für das Produkt mit dem größten kommerziellen Potenzial verliehen.

Frau Withington will nicht nur Gebäude mit ihrem schnarrenden Rettungssystem ausstatten, sondern auch Schiffe, Flugzeuge und Eisenbahnen. Auch in Tunnels und Bergwerken könnte der Vielklang Menschen aus Qualm und Flammen retten. Jede Autohupe könnte künftig multifrequent krächzen und so zum zielgerichteten Hinschauen animieren. Sogar bei Handys drängen die englischen Newcomer ins Geschäft. Sie wollen dafür sorgen, dass jeder sofort weiß, ob das eigene Handy gerade klingelt.

Klaus Jacob

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