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Schweden solle „aufwachen“, rief Salwan M. am Mittwoch, ehe er einzelne Seiten des Korans vor einer Moschee in Stockholm anzündete.

© AFP/Jonathan Nackstrand

Update

„Ausländerfeindliche Terroristen“: Koranverbrennung in Schweden empört islamische Welt – Botschaft im Irak gestürmt

Nach der Koranverbrennung in Stockholm reagiert die islamische Welt scharf: Marokko zieht den Botschafter ab, Erdoğan kritisiert die „Überheblichkeit des Westens“.

| Update:

Wladimir Putin hat viele Sorgen derzeit, aber der Kremlchef findet trotzdem Zeit, sich dem Nato-Land Türkei als Partner zu empfehlen und gegen den Westen zu stänkern. In Russland sei die Schändung des Korans strafbar, anders als in anderen Ländern, sagte Putin jetzt während eines Besuches einer russischen Moschee zum islamischen Opferfest.

Kurz zuvor hatte der 36 Jahre alte Salwan M. in Stockholm öffentlich einen Koran vor einer Moschee verbrannt und so viele in der islamischen Welt und besonders die türkische Regierung verärgert.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kritisierte Schweden und den Westen als Ganzes am Donnerstag scharf: „Wir werden den Überheblichen im Westen letztendlich beibringen, dass die Beleidigung der Heiligtümer von Muslimen nichts mit Meinungsfreiheit zu tun hat“, sagte er nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu.

Aktionen wie Koranverbrennungen könnten nicht mit dem Recht auf Meinungsfreiheit gerechtfertigt werden, sagte der türkische Außenminister Hakan Fidan. Wer das toleriere, mache sich mitschuldig.

Türkei fordert Kampf gegen Terroristen

Fahrettin Altun, der Kommunikationsdirektor von Präsident Erdoğan, schrieb auf Twitter, ein Nato-Beitrittskandidat dürfe „das zerstörerische Verhalten von islam- und ausländerfeindlichen Terroristen“ nicht hinnehmen.

Die schwedischen Behörden müssten rasch handeln und dürften sich nicht hinter dem Hinweis auf die Meinungsfreiheit verstecken, schrieb Altun. Schließlich gehöre der Kampf gegen den Terrorismus zur Grundlage „jeder serösen Allianz“.

Die Türkei hoffe, dass europäische Länder bei diesem Thema zur Vernunft kämen, „obwohl unsere Hoffnungen in dieser Hinsicht schwinden“.

Weder Altun noch Fidan oder andere Regierungspolitiker verbanden ihre Kritik an Schweden mit einer endgültigen Absage an den Beitrittswunsch des Nordlandes. Seit mehr als einem Jahr schwelt ein Konflikt zwischen den beiden Ländern.

Schweden will als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine in die Nato eintreten. Die Türkei blockiert das. Ankara wirft Stockholm, nicht ausreichend gegen pro-kurdische Aktivisten in Schweden vorzugehen. Die Koranverbrennung belastet das Verhältnis zusätzlich.

„Feind des Islams“

Die irakische Regierung erklärte, hinter den Koranverbrennungen steckten Rassisten und „Gestörte“. Am Donnerstagnachmittag ist die schwedische Botschaft in Bagdad nach Protesten gestürmt, mindestens eine schwedische Flagge ist dabei verbrannt worden.

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Der Oppositionsführer Muqtada al Sadr soll laut Medienberichten zu einer Demonstration aufgerufen und die Ausweisung des schwedischen Botschafters gefordert haben. Dem Außenministerium in Stockholm zufolge sind alle Mitarbeiter rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden.

Angaben des schwedischen Rundfunks zufolge nannte er Schweden ein „Feind des Islams“.

Deutlich reagierte auch Marokko: Das Königreich zog am Donnerstag seinen Botschafter in Stockholm ab und sprach von einem „Angriff“ auf den Islam. Die sunnitische Führungsmacht Saudi-Arabien verurteilte die Koranverbrennung als abscheuliche Tat.

In der öffentlichen Debatte wird die Meinungsfreiheit als absolut dargestellt. Nichts könnte falscher sein als das.

Ulf Dahlsten, ehemaliger Staatssekretär des Ministerpräsidenten in der Tageszeitung „Aftonbladet“

Das ägyptische Außenministerium wies darauf hin, dass Islamfeinde in Europa bereits mehrmals den Koran verbrannt hätten, und kritisierte eine „Eskalation der Islamophobie in jüngster Zeit“.

Der Iran bestellte den schwedischen Geschäftsträger ein. Wie das Außenministerium in Teheran am Donnerstag mitteilte, wurde der Diplomat in Abwesenheit des Botschafters zu dem Gespräch vorgeladen - eine scharfe Form des diplomatischen Protests. Besonders beleidigend sei die Verbrennung angesichts des muslimischen Opferfests und der Wallfahrt Hadsch, teilte das Außenministerium weiter mit.

Auch der Außenminister der Islamischen Republik, Hussein Amirabdollahian, kritisierte die Koranverbrennung. Demokratie und Freiheit für ein solches Verhalten zu missbrauchen werde nur Terrorismus und Extremismus anheizen, schrieb der Minister auf Twitter. „Der Westen verbrennt sich nur die Finger.“ 

Weitere Kritik gab es aus Jordanien, Kuwait und dem Jemen.

Die parlamentarische Versammlung der Arabischen Liga forderte, die internationale Gemeinschaft solle Koranverbrennungen unter Strafe stellen. Regeln zur Verfolgung religiöser Beleidigungen sollten ins internationale Recht aufgenommen werden, verlangte das Arabische Parlament.

Angriff auf die muslimische Minderheit

Gegen Salwan M. ermittelt in Stockholm seit Mittwochnachmittag die Polizei wegen Volksverhetzung und Verstoß gegen das Feuerverbot. Im Großraumgebiet der schwedischen Hauptstadt ist es derzeit unverhältnismäßig trocken, Mitte Juni wurde ein allgemeines Rauch- und Feuerverbot verhängt.

Warum die Polizei nicht noch vor Ort einschritt, als M. zündelte, blieb am Donnerstag unklar. Am Mittwoch waren vorsorglich Beamten aus dem ganzen Land zu Verstärkung in die Hauptstadt beordert worden.

Das bedeutet gleichzeitig aber auch, dass wir Äußerungen schützen, die enorm kränkend sind und viele Menschen empören.

Gunnar Strömmer, Justizminister Schwedens

Auch der Staatssekretär des ehemaligen schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme, Ulf Dahlsten, sieht in den wiederholten Verbrennungen des Koran einen „Angriff auf die muslimische Minderheit“ im Land und den Straftatbestand der Volksverhetzung damit erfüllt.

„In der öffentlichen Debatte wird die Meinungsfreiheit als absolut dargestellt. Nichts könnte falscher sein als das“, sagte er der Tageszeitung „Aftonbladet“.

In der Vergangenheit wurden angemeldete Anti-Koran-Demonstrationen immer wieder von der Polizei verboten. Das wurde jedoch stets im Nachhinein von den Gerichten gekippt – unter Verweis auf die verfassungsrechtlich garantierte Versammlungs- und Meinungsfreiheit.

Schwedens Justizminister Gunnar Strömmer betonte im Interview mit dem schwedischen Fernsehsender SVT, dass die Meinungsfreiheit im Land einen sehr hohen Wert habe. „Das bedeutet gleichzeitig aber auch, dass wir Äußerungen schützen, die enorm kränkend sind und viele Menschen empören.“

Wenn Schweden solche Aussagen zulasse, bedeute das aber nicht, dass man sich hinter das Gesagte stelle.

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