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Menschen trauern am 29. Februar 2024, nachdem mehrere Menschen nach der Ankunft eines Hilfskonvois zu Tode kamen.

© AFP/-

Update

„Ein weiteres Blutbad unter Zivilisten“: Mehrere Tote nach Ansturm auf Hilfsgüter in Gaza – was bisher bekannt ist

Donnerstagfrüh will die israelische Armee nach eigenen Angaben Schüsse abgegeben haben, um eine Plünderung zu verhindern. Die radikalislamische Hamas spricht indes von einem „Massaker“.

| Update:

Bei der Ankunft von Hilfslieferungen in der Stadt Gaza ist es am Donnerstag zu dramatischen Szenen mit mehr als hundert Toten und hunderten Verletzten gekommen. Zu den Ursachen für die vielen Opfer gab es widersprüchliche Angaben.

Die radikalislamische Hamas machte israelische Soldaten verantwortlich. Der Sprecher des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, Aschraf al-Kudra, sprach von einem „Massaker“ in der Nähe eines Kreisverkehrs im Westen der Stadt Gaza. 104 Menschen seien getötet und mehr als 750 weitere verletzt worden.

Von israelischer Seite wurden Schüsse bestätigt, zugleich hieß es, einige Opfer seien von den Lastwagen zerquetscht oder niedergetrampelt worden.


Vorfall in Gaza: Was bisher bekannt ist

In der Hoffnung auf Lebensmittel war am frühen Donnerstagmorgen in Gaza-Stadt eine Menschenmenge zusammengeströmt. Nach Angaben von Augenzeugen vor Ort und den Gesundheitsbehörden der Hamas eröffneten israelische Soldaten, die den Hilfskonvoi schützen sollten, das Feuer auf die Menschenmenge, die den ankommenden Lastwagen entgegen stürmte.

Die „Times of Israel“ berichtet, dass gegen vier Uhr morgens etwa 30 Lastwagen mit humanitärer Hilfe an der Küste von Gaza-Stadt eingetroffen sein sollen, um Lebensmittel in den Stadtteil Rimal zu liefern. 


Was wird Israel vorgeworfen?

Israel sieht sich nach dem Vorfall mit massiven Vorwürfen konfrontiert. Laut dem palästinensischen UN-Botschafter Mansur hatten sich Tausende Menschen bei der Ankunft der Hilfsgüter im Norden Gazas versammelt. Er warf Israel die vorsätzliche Tötung von Palästinensern vor.

Ich bin entsetzt über die Nachrichten über ein weiteres Blutbad unter Zivilisten in Gaza, die verzweifelt humanitäre Hilfe brauchen.

Josep Borrell, EU-Außenbeauftragter

„Und dann begann die israelische Armee plötzlich, auf sie zu schießen, und den uns vorliegenden Informationen zufolge haben Dutzende von ihnen Kugeln im Kopf. Es ist nicht so, als würde man in den Himmel schießen, um Menschen zurückzuhalten, wenn Verwirrung und Chaos herrschten. Es wurde absichtlich gezielt und getötet“, sagte Mansur am Donnerstag in New York.

Seine Behauptungen ließen sich zunächst ebenso wenig unabhängig überprüfen wie die widersprüchlichen Angaben von israelischer Seite. 

Die ägyptische Regierung warf Israel ebenfalls vor, das Feuer auf eine wartende Menge eröffnet zu haben. Auch Saudi-Arabien und Jordanien kritisierten Israel für den Vorfall.

Eine Pressevertreterin tröstet eine Frau vor dem Al-Aqsa-Krankenhaus im Gazastreifens.
Eine Pressevertreterin tröstet eine Frau vor dem Al-Aqsa-Krankenhaus im Gazastreifens.

© AFP/-


Wie reagiert Israel auf die Vorwürfe?

Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari wies die Vorwürfe zurück: „Es gab keinen Angriff des israelischen Militärs auf den Hilfskonvoi.“ Der Armeesprecher betonte: „Wir haben weder auf Hilfesuchende noch auf den humanitären Konvoi geschossen, weder am Boden noch aus der Luft.“


Wie schildert das israelische Militär den Vorfall?

Das israelische Militär stellte den Vorgang völlig anders dar. Die Armee habe am Morgen einen Lastwagenkonvoi mit humanitären Hilfsgütern koordiniert, der Bewohner im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens erreichen sollte, sagte Armeesprecher Hagari.

Bei der Ankunft seien zahlreiche Menschen auf die Lastwagen gestürmt und es sei zu chaotischem Gedränge gekommen. Wie Aufnahmen einer Drohne zeigen sollen, die die israelische Armee veröffentlicht habe, sei es dabei zu einer Massenpanik gekommen.

Drohnenaufnahme des israelischen Militärs vom 29. Februar 2024 in Gaza-Stadt.
Drohnenaufnahme des israelischen Militärs vom 29. Februar 2024 in Gaza-Stadt.

© AFP/ALINE MANOUKIAN

„Einige fingen an, andere gewaltsam zu schubsen und zu Tode zu trampeln und plünderten die humanitären Hilfsgüter“, sagte der Armeesprecher. Dutzende wurden demnach etwa durch Rempeleien und Gedränge getötet und verletzt. Den Angaben zufolge wurden zudem auch Menschen von Lastwagen überfahren. Diese Angaben ließen sich jedoch bislang nicht unabhängig verifizieren.

Ein anderer Sprecher des israelischen Militärs, Peter Lerner, sagte dem Fernsehsender CNN, nach ersten Erkenntnissen habe sich kurze Zeit darauf eine Gruppe von Menschen israelischen Soldaten genähert. Das Militär habe daraufhin Warnschüsse in die Luft abgegeben. Die Gruppe habe sich den Soldaten jedoch weiter genähert und eine Bedrohung dargestellt, woraufhin die Soldaten das Feuer eröffnet hätten.

Laut israelischen Medienberichten sollen sie auf die Beine gezielt haben. Eine Handvoll Menschen sei bei dem Vorfall verletzt worden, sagte Lerner. Der Vorgang werde untersucht.


Was weiß man über die Opferzahlen?

Beim von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministerium war indes die Rede von 104 Toten und Hunderten Verletzten. Der Leiter der Notaufnahme des Al-Schifa-Krankenhauses, Amjad Aliwa, sprach von „mindestens 50 Märtyrern“. Sie seien durch Schüsse auf die Menge getötet worden, als Lastwagen dringend benötigte Lebensmittel in die Stadt gebracht hätten, sagte Aliwa.

Nach Angaben der israelischen Armee wurden 10 Menschen durch Schüsse getötet, während „die überwiegende Mehrheit der Opfer“ durch die Massenpanik ums Leben kam. Eine konkrete Opferzahl nannte die Armee nicht.


Welche internationalen Reaktionen gibt es?

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeigte sich in der Nacht zum Freitag auf der Plattform X (vormals Twitter) empört über die Bilder, „die uns aus Gaza erreichen, wo Zivilisten von israelischen Soldaten ins Visier genommen wurden“.

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In einer am Donnerstagabend veröffentlichten Mitteilung des französischen Außenministeriums hieß es: „Der Beschuss von Zivilisten durch das israelische Militär bei dem Versuch, an Lebensmittel zu gelangen, ist nicht zu rechtfertigen“. Frankreich erwarte, dass das schwerwiegende Vorkommnis vollständig aufgeklärt werde.

Borrell verurteilt Tod von Zivilisten in Gaza als „Blutbad“

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte den Tod Dutzender Menschen in Gaza als „Blutbad“. „Ich bin entsetzt über die Nachrichten über ein weiteres Blutbad unter Zivilisten in Gaza, die verzweifelt humanitäre Hilfe brauchen“, schrieb Borrell in der Nacht auf Freitag im Kurzbotschaftendienst X, früher Twitter. 

„Diese Todesfälle sind absolut inakzeptabel.“ Menschen Lebensmittelhilfen vorzuenthalten sei „eine schwere Verletzung“ des humanitären Völkerrechts, schrieb Borrell weiter. „Ein ungehinderter humanitärer Zugang nach Gaza muss gewährleistet sein.“

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USA verlangen Antworten von Israel

Die US-Regierung steht mit der israelischen Regierung wegen des Vorfalls in Kontakt und verlangt Antworten. Es sei das Verständnis der USA, dass eine Untersuchung im Gange sei, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, am Donnerstag (Ortszeit).

„Wir werden diese Untersuchung genau verfolgen und auf Antworten drängen.“ Man habe keine gesicherten Erkenntnisse über die Geschehnisse, so Miller. Die „Tragödie“ könne die Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas komplizierter machen.

Der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stephane Dujarric, sagte zu dem Vorfall, man kenne nicht alle Fakten und sei sich bewusst, dass es unterschiedliche Darstellungen gebe. „Es wird eine Zeit der Verantwortung geben“, sagte Dujarric. (AFP, Tsp, dpa)

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