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Iranische Raketen über Tel Aviv

© AFP/MENAHEM KAHANA

Update

Ein Toter, erhebliche Schäden: Iran attackiert Israel mit 180 Raketen – Scholz warnt vor weiterer Eskalation

Der iranische Raketenangriff dauerte rund eine Stunde. Im Westjordanland stirbt ein Palästinenser. Israel reagiert mit neuen Angriffen auf die Hisbollah. Kanzler Scholz warnt vor einem Flächenbrand.

Stand:

Nach dem iranischen Angriff auf Israel mit rund 180 Raketen warnt Bundeskanzler Olaf Scholz vor einer weiteren Eskalation im Nahen Osten. „Iran riskiert damit, die ganze Region in Brand zu setzen – das gilt es unter allen Umständen zu verhindern“, erklärte der SPD-Politiker am Mittwoch in Berlin. Nur dank der israelischen Luftverteidigung und den Verbündeten sei es am Abend gelungen, den iranischen Angriff weitgehend abzuwehren.

Scholz forderte, die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz im Libanon und der Iran selbst müssten ihre Attacken auf Israel unverzüglich einstellen. Gemeinsam mit ihren Partnern werde sich die Bundesregierung weiter dafür einsetzen, eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah zu vermitteln.

Wie das israelische Militär mitteilte, wurden auch Mittwoch „terroristische Ziele der Hisbollah“ in der libanesischen Hauptstadt Beirut angegriffen. Aus libanesischen Sicherheitskreisen verlautete, dass die israelische Armee zwei Angriffe im Süden der Hauptstadt Beirut ausgeführt habe.

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Erstmals Hyperschallraketen eingesetzt

Der Iran hatte Israel am Dienstagabend mit rund 180 Raketen angegriffen. „Die Systeme der israelischen Armee haben etwa 180 Raketen identifiziert, die vom Iran aus auf israelisches Gebiet abgefeuert wurden“, teilte die Armee mit. In ganz Israel sei Raketenalarm ausgelöst worden. Laut Lageberichten konnte Israel die meisten Raketen abfangen. Der Iran sprach hingegen davon, 200 Raketen abgefeuert zu haben.

Nach rund einer Stunde, gegen 19.30 Uhr, gab es Entwarnung: Menschen überall in Israel dürften die Schutzräume verlassen, teilte das Militär mit. Ein Sprecher sagte zudem, er gebe keine Hinweise auf weitere Bedrohungen aus dem Iran.

Das iranische Außenministerium teilte am späten Dienstagabend auf X mit, die Aktion des Landes sei abgeschlossen – es sei denn, Israel entscheide sich für weitere Vergeltungsmaßnahmen.

Beim Angriff sind nach iranischen Angaben auch erstmals Hyperschallraketen zum Einsatz gekommen. Mit der Rakete vom Typ Fatah-1 sei es den Luftstreitkräften der Revolutionsgarden gelungen, die israelische Luftabwehr zu überwinden, berichtete der staatliche Rundfunk. Die Hyperschallrakete wurde vor 15 Monaten vorgestellt.

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Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten von Explosionen, die über Jerusalem zu hören waren. Eine Korrespondentin der Deutschen Presse-Agentur berichtete, in Tel Aviv seien starke Explosionen zu hören gewesen.

Viele der iranischen Raketen seien von der israelischen Luftabwehr abgeschossen worden, während eine Handvoll in Zentral- und Südisrael gelandet sei, sagte Armeesprecher Daniel Hagari.

Ein Toter durch Raketenteile im Westjordanland

Im besetzten Westjordanland sei ein Palästinenser in Jericho durch herabfallende Raketenteile getötet worden, teilte der örtliche Gouverneur am Dienstag mit. Der israelische Rettungsdienst Magen David Adom meldete zwei leicht Verletzte im Raum Tel Aviv, laut „New York Times“ durch Granatsplitter.

Zudem seien landesweit einige Menschen sehr leicht verletzt worden, während sie die Schutzräume aufsuchten, hieß es weiter. Mehrere Menschen wurden wegen leichter Verletzungen nach einem Sturz oder wegen akuter Angstzustände behandelt.

Videos und Bilder zeigen Schäden in Israel

Israelische Medien veröffentlichten wenige Stunden nach dem Raketenangriff Aufnahmen von mutmaßlichen Schäden. Auf einem vom israelischen Sender Kan 11 geteilten Video, das in einem Ort Zentralisrael aufgenommen worden sein soll, ist ein mehrere Meter tiefer Krater im Boden zu sehen; Autos rund um den Krater sind mit Erde bedeckt.

Auf Videos in sozialen Medien war zu sehen, wie Raketenteile auf israelische Orte wie Tel Aviv herabfielen. Der israelische Armeesender veröffentlichte ein Foto aus der Beduinenstadt Tel Scheva im Süden Israels, auf dem ein Teil einer meterhohen Rakete zu sehen ist, die senkrecht im Boden steckte.

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Millionen Menschen in Israel suchten während des Angriffs Zuflucht in Schutzräumen. In einem Bunker unterhalb eines Einkaufszentrums im Zentrum von Tel Aviv versammelten sich Dutzende Menschen. Eine Frau reagierte panisch auf die Geräusche von Explosionen, die auch in den unterirdischen Räumen zu hören waren.

Viele Menschen lasen oder hörten Nachrichten, bis es nach rund einer Stunde Entwarnung gab und sie den Bunker wieder verlassen durften. Auf den Straßen im Zentrum der Küstenmetropole war nach den Angriffen nur wenig los.

Reaktion auf Tötung von Hisbollah-Chef Nasrallah

Irans Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei drohte Israel nach der Raketenattacke. „Die Schläge der Widerstandsfront auf den erschöpften und dem Untergang geweihten Körper des zionistischen Regimes (Israel) werden, mit göttlicher Hilfe und Kraft, noch heftiger werden“, schrieb das Staatsoberhaupt (85) auf der Plattform X. Chamenei hat in allen strategischen Belangen das letzte Wort im Iran.

Irans Präsident Massud Peseschkian verteidigte den Raketenangriff auf Israel. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu solle wissen, dass Iran kein kriegslüsternes Land sei, „aber jeder Bedrohung entschlossen entgegentritt“, schrieb Peseschkian auf der Plattform X. „Dies ist nur ein Bruchteil unserer Fähigkeiten. Legen Sie sich nicht mit Iran an“, warnte der Präsident.

Der Angriff sei eine Vergeltung für die Tötung von Hamas-Auslandschef Ismail Hanija, Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah sowie eines iranischen Generals, hieß es im iranischen Staatsfernsehen. Die Luftstreitkräfte der Revolutionsgarden zielten nach eigener Darstellung auf wichtige militärische Ziele. Gleichzeitig drohten die Revolutionswächter mit weiteren, „vernichtenden und zerstörerischen Angriffen“, sollte Israel auf den iranischen Schlag reagieren.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu kündigte nach dem iranischen Angriff einen solchen Vergeltungsschlag an. „Der Iran hat heute Abend einen großen Fehler gemacht – und er wird dafür bezahlen“, sagte Netanjahu dem israelischen Sicherheitskabinett nach Angaben seines Büros. Irans Angriff sei gescheitert.

Auch Israels Armeechef Herzi Halevi kündigte eine Reaktion an. „Wir werden entscheiden, wann wir den Preis fordern und unsere präzisen und überraschenden Angriffsfähigkeiten demonstrieren werden“, sagte der israelische Generalstabschef. Dies geschehe auf Anweisung der Regierung. Wie genau ein Vergeltungsschlag aussehen könnte, teilte er nicht mit.

Einem Medienbericht zufolge wolle Israel mit einer „erheblichen Vergeltungsmaßnahme“ innerhalb der kommenden Tage reagieren. Ziel könnten Ölanlagen im Iran und andere strategische Standorte sein, meldete das US-Nachrichtenportal Axios unter Berufung auf israelische Behördenvertreter. 

US-Präsident Biden diskutiert Antwort mit Israel

US-Präsident Joe Biden erklärte, dass Gespräche mit Israel über eine mögliche Reaktion im Gange seien. Wie eine Antwort auf den Beschuss aussehen könnte, werde „im Moment aktiv diskutiert. Das bleibt abzuwarten“, sagte Biden am Dienstag vor Journalisten im Weißen Haus in Washington.

Biden erklärte, dass sein Team während des Angriffs in Kontakt mit dem Stab von Netanjahu gestanden habe und dass er selbst mit dem israelischen Regierungschef sprechen werde. „Ich werde mit ihm sprechen, und meine Botschaft wird davon abhängen, was wir letztendlich als notwendig erachten“, sagte Biden. „Der Angriff scheint vereitelt worden und unwirksam gewesen zu sein, und das ist ein Beweis für die militärischen Fähigkeiten Israels und der US-Armee.“

Der Iran feuerte bei seinem Angriff am Dienstagabend nach Angaben des Pentagon etwa doppelt so viele Raketen ab, wie bei seinem letzten Angriff im April. „Der Angriff war, was die Anzahl der abgeschossenen ballistischen Raketen angeht, etwa doppelt so groß“, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat Ryder, vor Journalisten.

Sehen Sie hier weitere Videos zum Krieg in Nahost

In Israel wurde der Flugverkehr nach den iranischen Raketenangriffen wieder aufgenommen. „Starts und Landungen werden innerhalb der nächsten Stunde wieder anlaufen“, erklärte die Flughafenbehörde am Dienstagabend. Israel hatte seinen Luftraum wegen der iranischen Attacke zuvor geschlossen.

Jordaniens Luftfahrtbehörde verkündete ebenfalls eine „vorübergehende Schließung des jordanischen Luftraums“. Auch das irakische Verkehrsministerium gab einen vorübergehenden Stopp des Flugverkehrs an allen Flughäfen des Landes bekannt.

Der Iran selbst sperrte den Luftraum über Teheran. Flüge am Hauptstadtflughafen seien zunächst gestrichen worden, berichtete die Nachrichtenagentur Isna am Abend unter Berufung auf den Geschäftsführer des Airports.

Schon im April hatten Irans Revolutionsgarden (IRGC) zum ersten Mal in der Geschichte der Islamischen Republik einen direkten Angriff auf Israel ausgeführt. Dabei feuerten die IRGC-Luftstreitkräfte mehr als 300 Drohnen, Raketen und Marschflugkörper auf ihren Erzfeind. Der Angriff wurde erfolgreich abgewehrt. Der Iran reagierte damit auf die Tötung hochrangiger Generäle, die bei einem mutmaßlich israelischen Angriff in Syrien starben.

Israels Militär und Geheimdienste hatten zuletzt Irans Verbündete in der Region erheblich geschwächt. Ende Juli etwa wurde der Auslandschef der islamistischen Hamas in Teheran getötet. Irans Staatsführung schwor daraufhin Rache.

Am vergangenen Freitag wurde mit Hassan Nasrallah, Chef der libanesischen Schiitenorganisation Hisbollah, ein weiterer und zentraler Verbündeter Teherans getötet. Zuvor hatten explodierende Funkempfänger, sogenannte Pager, Hunderte Hisbollah-Funktionäre verletzt und etliche auch getötet. Es war seither unklar, ob und wie Irans militärische Führung darauf reagiert.

Am Dienstag kam ein weiterer Schritt des israelischen Militärs hinzu: Erstmals seit fast zwei Jahrzehnten drangen israelische Bodentruppen wieder in den Libanon ein. Rund ein Jahr nach Beginn des Gaza-Kriegs verlagert sich damit der Schwerpunkt der Kämpfe in Richtung des nördlichen Nachbarlandes. Die Armee sprach von „begrenzten“ Angriffen in Grenznähe auf Ziele der schiitischen Hisbollah, die eng mit dem Iran verbündet ist.

Seit der Revolution von 1979 gelten die USA und Israel als Erzfeinde der Islamischen Republik. Mit Ausbruch des Gaza-Kriegs vor knapp einem Jahr drohte mehrfach, dass sich der Schattenkonflikt zu einem Flächenbrand entwickelt. Irans Revolutionsgarden sind die Elitestreitmacht des Landes und gelten als deutlich schlagkräftiger als die reguläre Armee. (Tsp, dpa, AFP, Reuters)

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