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Eine palästinensische Familie im südlichen Gazastreifen.

© AFP/MOHAMMED ABED

Hunderttausenden droht der Hungertod: UN-Sicherheitsrat einigt sich auf Resolution für mehr humanitäre Hilfe für Gaza

Die humanitäre Lage in Gaza ist beispiellos. Auch die USA legen nun kein Veto mehr ein: Der UN-Sicherheitsrat fordert mehr humanitäre Hilfe für den Küstenstreifen.

Es ist ein humanitärer Alptraum, der sich derzeit im Gazastreifen abspielt. Und die Lage droht sich täglich zu verschlimmern. Seit mehreren Wochen weisen humanitäre Hilfsorganisationen auf die verheerenden Zustände vor Ort und die Hürden bei der Versorgung der Bevölkerung hin. Eine Untersuchung, die mehrere UN-Organisationen am Donnerstag vorlegten, warnt nun vor dem Hungertod Hunderttausender Menschen und spricht von einer „weltweit beispiellosen“ Situation.

„Diese wissenschaftliche Studie belegt, mit welcher Geschwindigkeit sich die Hungerkatastrophe in Gaza ausbreitet“, sagt Martin Frick, Direktor des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) in Deutschland, dem Tagesspiegel. „Schon jetzt hat jeder vierte Haushalt praktisch nichts zu essen.“

Laut der Studie fallen in dem abgeriegelten Küstenstreifen 577.000 Menschen in die schwerwiegendste Kategorie des Hungers. „Das sind viermal mehr als im gesamten Rest der Welt zusammen“, erklärt Frick. 129.000 Menschen in Burkina Faso, Südsudan und Somalia würden in dieser Kategorie gezählt.

Ohne sicheren und durchgängigen Zugang ist die Lage verzweifelt, und niemand in Gaza ist vor dem Hungertod sicher.

Cindy McCain, Exekutivdirektorin des World Food Programme

„Das WFP hat seit Wochen vor dieser Katastrophe gewarnt“, betont Cindy McCain, die Exekutivdirektorin der Organisation und Witwe des verstorbenen US-Senators John McCain. „Ohne den von uns geforderten sicheren und durchgängigen Zugang ist die Lage verzweifelt, und niemand in Gaza ist vor dem Hungertod sicher.“

Ringen um UN-Resolution

Nach tagelangen Verhandlungen über Resolution zur Linderung des Leidens im Gazastreifens einigte sich der UN-Sicherheitsrat am Freitag in New York auf einen Kompromiss und forderte die Aufstockung der humanitären Hilfe. Das Gremium verabschiedete einen deutlich aufgeweichten Kompromisstext ohne die Forderung nach einer unverzüglichen Waffenruhe. Die USA enthielten sich.

Seit Anfang der Woche hatte es danach ausgesehen, dass Washington seine Vetomacht einsetzen würde, um die Interessen des Verbündeten Israel zu schützen. Massive Zugeständnisse der Unterhändler konnten in letzter Sekunde ein Scheitern des Beschlusses verhindern. Insgesamt stimmten 13 der 15 Mitglieder des Sicherheitsrats für den Text. Neben den USA enthielt sich Russland.

Der völkerrechtlich bindende Beschluss fordert Israel dazu auf, „unverzüglich einen sicheren und ungehinderten humanitären Zugang“ in den Gazastreifen zu ermöglichen. Über sämtliche Grenzübergänge sollen nun laut der Resolution humanitäre Güter geliefert werden. Auch müssten die Voraussetzungen für eine nachhaltige Einstellung der Gewalt geschaffen werden. In der strittigen Frage zur Güterkontrolle einigten sich die Ratsmitglieder darauf, einen UN-Koordinator einzusetzen. Dieser solle in Zusammenarbeit mit allen Akteuren auch für die Beschleunigung der Lieferungen sorgen.

Andere Passagen wurden auf Druck der USA gestrichen, darunter ein Abschnitt, der „alle Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, einschließlich aller willkürlichen Angriffe auf Zivilisten und zivile Objekte“ verurteilt. Auch eine zuvor geforderte unverzügliche Aussetzung der Gewalt, um Hilfslieferungen zu ermöglichen, ist in der verabschiedeten Resolution nicht mehr enthalten.

Das israelische Militär hat indes die Anwohner des Flüchtlingslagers Al-Bureidsch im Zentrum des Gazastreifens zur Flucht aufgerufen. Die Menschen sollen Schutzräume in Deir al-Balah rund sechs Kilometer weiter südlich aufsuchen, wie ein Sprecher der Armee am Freitag auf der Plattform X auf Arabisch mitteilte. Die Aufforderung gilt demnach auch für Menschen aus anderen Vierteln im Norden sowie dem Zentrum des Küstengebiets. Einen Zeitrahmen nannte die Armee nicht. Israel hatte kürzlich angekündigt, die Bodenoffensive auf weitere Gebiete im Gazastreifen ausdehnen zu wollen.

Israel ruft die Zivilbevölkerung des Gazastreifens seit Wochen dazu auf, sich zu ihrer eigenen Sicherheit in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens zu begeben. Rund 1,9 der etwa 2,2 Millionen Einwohner des schmalen Küstengebiets mussten wegen der Kämpfe ihre Häuser und Wohnungen verlassen. (mit dpa)

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