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Jüdische Siedlung

© Ariel Schalit/PA/AP

Jüdischer Siedlungsbau: Muss Deutschland seinen Druck auf Israels Regierung verstärken?

Die rechtsgerichtete Regierung will mehr Siedlungen in den besetzten Gebieten schaffen und illegale Außenposten im Westjordanland legalisieren. Drei Experten analysieren die Lage.

Die Ankündigung empört nicht nur Palästinenser: Israels rechtsgerichtete Regierung will mehr jüdische Siedlungen in den besetzten Gebieten schaffen und illegale Außenposten im Westjordanland legalisieren. Anlass sind vor Kurzem von Palästinensern verübte Anschläge.

Mehrere Regierungen, darunter die der USA und Deutschlands, verurteilten das Vorhaben in einer gemeinsamen Stellungnahme scharf. Kann auf die Regierung in Jerusalem eingewirkt werden? Drei Experten analysieren die Lage.


Deutschland kann von den USA lernen, wie der Konflikt zu entschärfen ist.

Der Plan neuer jüdischer Siedlungen lässt einen etwas ratlos zurück. Er wirft die Frage danach auf, wie das Recht auf Entwicklung und Zukunft der im Westjordanland lebenden Palästinenser so je gewährleistet werden kann.

Aber was soll die Forderung nach mehr Druck auf Israels Regierung mehr sein als Selbstvergewisserungspolitik? Glaubt jemand im Ernst, dass man in Jerusalem auf Druck aus Berlin hin seine Politik in den Gebieten ändern würde? Zumal wir ein doppeltes Glaubwürdigkeitsproblem haben:

  1. Unsere Kritik am Siedlungsbau war immer zu pauschal: Nie wurde differenziert, ob es um den Ausbau vorhandener Siedlungen ging, die auch nach den israelisch-palästinensischen Verhandlungspapieren zu Israel gehen sollen, oder um den Bau neuer.
  2. Während bei Israel immer minutiös jeder Schritt kritisch begleitet wurde, bekam Berlin bei der marokkanischen Besiedlung der besetzten Westsahara nicht die Zähne auseinander. Der Letzte, der bei Netanjahu einen Siedlungsstopp erreicht hatte, war Trump, weil er dafür etwas zu bieten hatte: Die Abraham Accords mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Vielleicht lässt sich daraus etwas für deutsche Außenpolitik lernen. 

Nur ein international abgestimmter Vorstoß bringt etwas

Die neue israelische Regierung geht im Konflikt mit den Palästinensern in die Offensive. Sie plant konkrete Schritte, um die Herrschaft über das Westjordanland zu zementieren und zielt auf eine de facto Annexion ab, bei der Teile des Gebietes zwar nicht offiziell zu israelischem Staatsgebiet erklärt, aber Siedlungen weitgehend integriert werden.

Ein palästinensischer Staat soll unmöglich gemacht werden. Dafür sind die Siedlungsprojekte um Jerusalem und die Legalisierung der Außenposten zentral: Sie sind strategisch angelegt, um die für einen palästinensischen Staat notwendige territoriale Kontiguität aufzubrechen. Will die Bundesregierung an einer verhandelten Konfliktlösung festhalten, sollte sie international konzertiert Druck auf Israel ausüben, um diese Pläne aufzuhalten.

Zudem muss die internationale Gemeinschaft eine Perspektive zur Konfliktbeilegung einfordern, sonst ist das akute Eskalationspotential kaum einzufangen. Ein Ansatz von „agree to disagree“ bestärkt die israelische Regierung in ihrem Vorhaben. 


Der Siedlungsbau ist nur eines der Symptome einer Krise der israelischen Demokratie

Deutschland unterhält aufgrund seiner Geschichte besondere Beziehungen zu Israel. Die Sicherheit Israels ist, so sagte es die frühere Bundeskanzlerin Merkel, „Staatsräson“.

Diese Sicherheit ist seit den Wahlen zur Knesset im November vergangenen Jahres von innen gefährdet. Eine rechtsextreme Regierung beabsichtigt, die - aufgrund einer bis heute fehlenden Verfassung ohnehin fragile - Demokratie binnen kürzester Zeit zu zerstören.

Die damit einhergehende Aufkündigung eines Verständnisses Israels als eines Staates aller seiner Bürger droht Israel von innen zu zerreißen, von den außenpolitischen Gefahren in der Region ganz zu schweigen. Wer um die Sicherheit Israels besorgt ist, muss daher in diesen Tagen und Wochen auf die Bewahrung der liberalen Demokratie und des Rechtsstaates dringen.

Das gilt für Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gleichermaßen. Die Frage des Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten ist nur ein – wenngleich gefährliches – Symptom. Die eigentliche Frage ist die der Zukunft des Staates Israel als eines freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaats. 

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