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Der Präsident der selbst ernannten Republik, Samwel Schahramanjan, habe am Donnerstag ein Dekret über die Auflösung Bergkarabachs unterzeichnet, teilten die armenischen Behörden in Begkarabach mit.

© Reuters/Photolure/National Assembly of the Republic of Artsakh

Update

Armenier fliehen aus Aserbaidschan: Bergkarabach löst sich zum 1. Januar 2024 auf

Die Behörden der selbst ernannten Republik haben deren Auflösung beschlossen. Die Hälfte der Armenier hat die Kaukasusregion verlassen. Russland sieht keinen Grund für Flucht.

| Update:

Nach der Niederlage der proarmenischen Kräfte gegen Aserbaidschan haben die Behörden in Bergkarabach die Auflösung der Region verkündet. Der Präsident der selbst ernannten Republik, Samwel Schahramanjan, habe am Donnerstag ein entsprechendes Dekret unterzeichnet, teilten die armenischen Behörden in Begkarabach mit.

Die Führung der örtlichen Behörden ordnete an, zum 1. Januar 2024 „alle staatlichen Institutionen und Organisationen“ in der Kaukasusregion aufzulösen. Bergkarabach werde damit „aufhören zu existieren“. Schahramanjan erklärte in seinem Dekret, die aus Bergkarabach geflüchteten Menschen und die dort verbliebenen Bewohner müssten angesichts der bevorstehenden Wiedereingliederung der Region in Aserbaidschan „individuell entscheiden, ob sie bleiben oder zurückkehren wollen“.

Demnach wurde die Entscheidung wegen der schweren politischen und militärischen Lage getroffen. Sie ziele darauf ab, die Sicherheit und das Leben der Bevölkerung in Berg-Karabach zu schützen. Die Auflösung war Teil der Kapitulationsbedingungen

Die armenische Regierung hat Aserbaidschan eine „ethnische Säuberung“ vorgeworfen und eine Reaktion der internationalen Gemeinschaft gefordert.

Seit dem aserbaidschanischen Militäreinsatz in Bergkarabach versuchen Zehntausende Menschen die Enklave zu verlassen.

© AFP/Paz Pizzaro und Robin Bjalon

Der Exodus der Armenier aus Bergkarabach halte an, sagte der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan am Donnerstag bei einer Kabinettssitzung. „Unsere Analyse zeigt, dass es in den nächsten Tagen keine Armenier mehr in Bergkarabach geben wird.“

„Dies ist ein Akt der ethnischen Säuberung, vor dem wir die internationale Gemeinschaft gewarnt haben“, sagte Paschinjan. „Wenn auf die Verurteilung (durch die internationale Gemeinschaft) keine angemessenen politischen und rechtlichen Entscheidungen folgen, werden diese Verurteilungen zu Akten der Zustimmung zu den Geschehnissen.“

Die Region ist seit Jahrzehnten zwischen den Ex-Sowjetrepubliken Aserbaidschan und Armenien umstritten. Bergkarabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, in dem Gebiet leben aber überwiegend Armenier.

Unterdessen sind mehr als die Hälfte der ethnischen Armenier aus der Kaukasusregion geflohen. Bislang seien 65.036 Menschen von dort in Armenien angekommen, teilte die Sprecherin des armenischen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan am Donnerstag mit.

Geflüchtete Armenier aus Bergkarabach kommen in Kornidzor an.

© action press/Патрин Александр

Satellitenbilder zeigen lange Autostaus entlang des Latschin-Korridors, der die einzige Verbindung aus der abgelegenen Gebirgsregion nach Armenien ist. Aserbaidschan hatte am Sonntag nach Monaten die einzige Straße aus Bergkarabach nach Armenien wieder geöffnet.

Das aserbaidschanische Militär hatte den Korridor zuvor blockiert und somit eine humanitäre Katastrophe in Bergkarabach provoziert. Die armenische Regierung hat versprochen, allen Zwangsumsiedlern eine Unterkunft zu besorgen. 

Aserbaidschan und Armenien kämpfte lange um Bergkarabach

In Bergkarabach, das international als Teil Aserbaidschans anerkannt wird, lebten knapp 120.000 ethnische Armenier. Seit Jahrzehnten kämpfen die beiden Länder um die Region.

Am Mittwoch hatte Aserbaidschan offiziellen Angaben zufolge den früheren Regierungschef der international nicht anerkannten Republik Bergkarabach, Ruben Wardanjan, an der Grenze zu Armenien festgenommen. Wardanjan sei in die Hauptstadt Baku gebracht worden, wo die Behörden über das weitere Vorgehen entschieden, teilte Aserbaidschans Grenzschutz der staatlichen Nachrichtenagentur Azertac zufolge mit.

In der Mitteilung des Grenzschutzes wird Wardanjan die illegale Einreise nach Aserbaidschan vorgeworfen. Ob es weitere Anschuldigungen gegen den 55-Jährigen gibt, ist unbekannt.

Wardanjans Ehefrau, Weronika Sonabend, bestätigte die Festnahme. Ihr Mann sei beim Versuch, von Bergkarabach nach Armenien auszureisen, von den aserbaidschanischen Behörden festgesetzt worden, schrieb sie am Mittwoch auf dem Telegram-Kanal ihres Mannes.

Wardanjan, der als Geschäftsmann in Russland zum Milliardär geworden war, zog im vergangenen Herbst nach Bergkarabach und bekleidete dort zwischen November 2022 und Februar 2023 den Posten des Regierungschefs.

Russland nimmt Ankündigung Bergkarabachs zur Kenntnis

Die Vereinten Nationen forderten nach Wardanjans Festnahme die Achtung seiner Menschenrechte. Die aserbaidschanischen Behörden müssten „alle Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass das Recht auf ein ordentliches Verfahren und einen fairen Prozess gewahrt wird“, erklärte das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte.

Russland nahm die Ankündigung der Auflösung von Bergkarabach eigenen Angaben zufolge „zur Kenntnis“. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow betonte zudem, er sähe keinen Anlass für eine Flucht der Armenier aus Bergkarabach.

Zudem kritisierte Peskow die Pläne Armeniens, nach der Auflösung von Bergkarabach dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) beizutreten. „Diese Art von Entscheidungen sind aus unserer Sicht extrem feindselig“, erklärte Peskow. Russland erkennt den IStGH, der im Frühjahr einen Haftbefehl gegen Kreml-Chef Wladimir Putin erlassen hat, nicht an.

Die Spannungen zwischen Moskau und Eriwan hatten sich wegen der Rolle der russischen Friedenstruppen im Konflikt um Bergkarabach verschärft. Armenien fühlte sich von seinem Verbündeten Russland im Stich gelassen, weil Moskau angesichts der Militäroffensive nicht eingegriffen hatte. (AFP, Reuters, dpa)

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