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Lachender Zweiter? Spaniens Nochpremier Pedro Sánchez könnte auch der künftige sein.

© action press/Splash News

Jetzt ist der König am Zug: Wie aus Spaniens Wahlverlierer der Regierungschef werden könnte

Der konservative Wahlsieger Feijóo und der linke bisherige Amtsinhaber Sánchez wollen Spaniens Regierung führen. Realistische Chancen hat nur einer von beiden.

Von Juan F. Álvarez Moreno

„Ich bin mir sicher, dass Sie das Prinzip der parlamentarischen Demokratie verstehen und teilen“, schrieb Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez in einem Brief an seinen Kontrahenten, den konservativen Alberto Núñez Feijóo. Dieser hatte zuvor sein Recht auf das Ministerpräsidentenamt eingefordert – schließlich habe er die Parlamentswahl gewonnen.

Am Montag legte Sánchez dann nach: In einem Video machte der Sozialdemokrat klar, dass er trotz Wahlniederlage Ministerpräsident bleiben will und deutete an, dass ihn eine Mehrheit im Parlament unterstützen würde. Tatsächlich könnte sein Plan aufgehen.

Nach der Parlamentswahl am 23. Juli sind die spanischen Konservativen zwar stärkste Kraft, doch weder der linke noch der rechte Block kommen auf die absolute Mehrheit. Beide Spitzenkandidaten, Sánchez und Feijóo, sehen sich als künftige Ministerpräsidenten und wollen sich nach der Sommerpause im Parlament küren lassen.

Vox sei Dank: Sánchez muss Basken nicht fürchten

Im zweiten Wahlgang geht es auch ohne absolute Mehrheit. Dann braucht ein Kandidat nur mehr Ja-Stimmen als sein Gegner.

Für den Wahlsieger Feijóo sieht es düster aus: Nur die rechtspopulistische Partei Vox unterstützt ihn offen. Zwei kleine regionale Parteien könnten noch für ihn stimmen. Doch die baskische PNV, die Feijóo ebenfalls braucht, wollte sich nicht einmal mit ihm treffen – wegen der Zusammenarbeit mit den Rechten.

Feijóo fehlen damit drei Stimmen. „Alle relevanten Parteien außer der konservativen PP haben eine Brandmauer gegen rechts wie in Deutschland errichtet“, sagt die Politikwissenschaftlerin Cristina Monge dem Tagesspiegel. Deswegen habe PP-Chef Feijóo keine Chance auf den Posten des Regierungschefs.

Sánchez‘ Weg zur Macht ist aber auch kein leichter: Um seine Minderheitsregierung von Sozialdemokraten und Linken – die als Sammelbewegung „Sumar” firmieren – weiterzuführen, braucht er die Unterstützung von mindestens fünf kleinen, nationalistischen oder separatistischen Parteien.

Eins eine sie alle, meint Politologin Monge: „Die Alternative von PP und Vox wäre für sie und ihre Wähler schlechter.“ Darauf setzen Sánchez’ Sozialdemokraten. Vizeparteichefin María Jesús Montero bestätigte bereits diskrete Gespräche mit den kleinen Parteien.

Alle relevante Parteien außer der konservativen PP haben eine Brandmauer gegen rechts wie in Deutschland errichtet.

Cristina Monge, Politikwissenschaftlerin

Zudem brauchen die Sozialdemokraten die Stimmen der katalanischen Partei Junts von Carles Puigdemont. Der ehemalige Ministerpräsident Kataloniens hält sich im Ausland auf, weil die spanische Justiz ihn wegen eines illegalen Unabhängigkeitsreferendums verfolgt.

Allerdings könnte schon eine Enthaltung der Junts-Abgeordneten ausreichen, wenn Sánchez eine kanarische Abgeordnete noch für sich gewinnen würde, die den Konservativen zuneigt.

Sie zeigt sich inzwischen offen dafür. Für ihre entscheidende Ja-Stimme könnte sie Vergünstigungen für ihre Wähler einfordern.

Ob Sánchez Junts zumindest zu einer Enthaltung bewegen kann, ist aber unsicher: Die Partei fordert ein Unabhängigkeitsreferendum für Katalonien und die Straffreiheit für Parteichef Puigdemont. „Am Anfang jeder Verhandlung stellen die Parteien Maximalforderungen“, relativiert Politologin Monge aber.

Die Verfassung sieht zwei Kandidaten nicht vor

Denkbar sei statt eines Unabhängigkeitsreferendums auch eine Vereinbarung zwischen der Zentralregierung und den katalanischen Parteien, so Monge. Führende Sozialdemokraten haben beispielsweise einen milliardenschweren Schuldenschnitt für Katalonien ins Spiel gebracht.

Ob Sánchez mehr Unterstützer im Parlament als Feijóo hat, wird sich am 17. August zeigen: In einer ersten Sitzung wird ein Parlamentspräsident gewählt. „Dafür müssen sich die Parteien verständigen und erste Pakte schmieden“, so Monge. Erst dann werde über die Wahl des Ministerpräsidenten diskutiert.

Eine Schlüsselrolle spielt dabei König Felipe: Der Monarch muss mit allen Parteichefs beraten und entscheiden, ob sich Feijóo oder doch Sánchez zuerst dem Parlament stellen dürfen. „Der König muss laut Verfassung die Person mit den meisten Unterstützern im Parlament mit der Regierungsbildung beauftragen“, sagt Monge.

Nicht vorgesehen sei das Szenario mit zwei Kandidaten, die behaupten, gewählt werden zu können. „Die Juristen sind sich in der Frage nicht einig.“ Bekomme kein Kandidat eine Regierungsmehrheit, ist laut Politologin Monge um den Jahreswechsel mit einer Neuwahl zu rechnen. Bis dahin bliebe Sánchez Ministerpräsident.

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