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Schule in Charkiw.

© Imago/Zuma Wire/Madeleine Kelly

Ukraine-Invasion Tag 734: Wie zieht man Kinder in Zeiten des Krieges groß?

Scholz erteilt Macrons Vorstoß eine Absage. Russische Truppen erobern offenbar weiteren Ort in der Ostukraine. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Wie zieht man ein Kind in Zeiten der russischen Invasion groß? Für manche Ukrainerinnen und Ukrainer war das kurz nach Ausbruch des Krieges unvorstellbar – sie verließen das Land. So wie die 35-jährige Viktoria, die ihren Sohn einen Tag nach dem Einmarsch der Russen in einem Bunker zur Welt brachte. Im britischen „Guardian“ schreibt sie nun über ihre Flucht und welche Ängste sie hat (Quelle hier).

Viktoria und ihr Mann lebten am 24. Februar 2022 in der Nähe von Irpin und Butscha. Als sie eine herabfallende Granate vor ihrem Wohnzimmer gesehen hätten, hätten sie sich zur Flucht entschlossen, schreibt sie im „Guardian“. 17 Stunden ohne Pause bis nach Lviv, das Neugeborene gewickelt auf dem Rücksitz. Zu diesem Zeitpunkt habe sie noch gedacht, der Krieg werde nicht lange dauern.

„Wir waren so froh, Fedir zu haben“, schreibt sie weiter. „Wenn wir ihn nicht gehabt hätten, wären wir verrückt geworden - er war unsere Quelle der Freude und des Glücks.“ Drei Monate später kehrten sie nach Kiew zurück, doch die Stromausfälle machten das Leben mit einem Baby schwer, schließlich verließen sie das Land ganz, gingen eine Zeit nach Großbritannien, sind derzeit in Deutschland.

Doch der Krieg bleibe nah, schreibt Viktoria – zumal ihre Mutter in Saporischschja lebe. Der zweite Jahrestag der Invasion sei hart gewesen: „Ich versuchte, mich auf Fedirs Geburtstag vorzubereiten, aber mein Instagram-Feed erinnerte mich an all die Gefühle von vor zwei Jahren - Angst, Verzweiflung, Traurigkeit. Das brachte mich zum Weinen.“ Und vor einem habe sie auch weiterhin Angst: Dass sie nie wieder in eine friedliche Ukraine zurückkehren werde und dass ihr Sohn nicht mehr bei seinen Verwandten aufwächst.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:

  • Bundeskanzler Olaf Scholz hat Ideen einer Entsendung von Truppen aus Nato- und EU-Staaten in die Ukraine eine klare Absage erteilt. Es habe auf der Pariser Ukraine-Konferenz am Montag ein einhelliges Meinungsbild gegeben, „dass es keine Bodentruppen, keine Soldaten auf ukrainischem Boden geben wird, die von europäischen Staaten oder von Nato-Staaten dorthin geschickt werden“, sagte der SPD-Politiker. Er reagierte damit auf Äußerungen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Dieser hatte nach der Konferenz nicht ausgeschlossen, dass es zu einer Entsendung westlicher Truppen in die Ukraine kommen könnte. Auch die Nato hat nach Bündnis-Angaben „keine Pläne für Nato-Kampftruppen“ in der Ukraine. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Frankreichs Außenminister Stéphane Séjourné hat die Aussagen von Präsident Emmanuel Macron zu einer möglichen Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine etwas zurechtgerückt. Man müsse neue Unterstützungswege in den Blick nehmen, die auf sehr präzise Bedürfnisse antworteten, sagte Séjourné in der französischen Nationalversammlung. Er denke da vor allem an Cyberabwehr, die Produktion von Waffen in der Ukraine und die Minenräumung. „Einige dieser Handlungen könnten eine Präsenz auf ukrainischem Territorium erforderlich machen, ohne die Schwelle zur kriegsführenden Macht zu erreichen“, sagte er.
  • Der russische Präsident Wladimir Putin hat die im Dezember angekündigte Umstrukturierung der Militärbezirkskommandos offiziell beschlossen. Das schreibt das „Institute for the Study of War“ (ISW) in seinem jüngsten Lagebericht unter Berufung auf die russische Nachrichtenagentur Tass. Mehr dazu hier.
  • Der bekannte Menschenrechtler Oleg Orlow ist wegen Kriegskritik in Russland zu zweieinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Ein Gericht in Moskau befand den 70-Jährigen, der einst die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Organisation Memorial als Co-Vorsitzender mit leitete, am Dienstag der angeblich wiederholten „Diskreditierung“ von Russlands Armee für schuldig. Mehr dazu hier.
  • Russland hat nach eigenen Angaben einen von den ukrainischen Spezialdiensten vorbereiteten Giftgasangriff in der teilweise russisch kontrollierten Region Saporischschja in der Südukraine vereitelt. „Ein Versuch der ukrainischen Spezialdienste, ein Attentat in der Region Saporischschja unter Einsatz eines Äquivalents des nach Nato-Klassifizierung giftigen militärischen Wirkstoffs “BZ’ zu verüben, wurde vereitelt„, erklärte der russische Geheimdienst FSB.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist eigenen Angaben zufolge zu Gesprächen über einen möglichen Austausch von Kriegsgefangenen zwischen Kiew und Moskau nach Saudi-Arabien gereist. Er sei in Saudi-Arabien angekommen, um mit Kronprinz Mohammed bin Salman zu sprechen, schrieb Selenskyj im Onlinedienst X.
  • Die Ukraine hat in der Nacht zum Dienstag von neuen russischen Raketen- und Drohnenangriffen berichtet. Von landesweit insgesamt sechs Raketen konnte nur ein Drittel abgefangen werden, wie die ukrainische Luftwaffe mitteilte. Von den 13 Drohnen hingegen habe man 11 abwehren können.
  • Die russischen Streitkräfte haben die Einnahme eines weiteren Dorfes nahe der Stadt Awdijiwka in der Ostukraine verkündet. „In der Gegend von Awdijiwka“ hätten Einheiten „die Siedlung von Sewernoje befreit“, erklärte das russische Verteidigungsministerium in seinem täglichen Lagebericht. Mehr dazu lesen Sie in unserem Newsblog.
  • Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil steht hinter der Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der Ukraine keine Taurus-Marschflugkörper zu liefern. „Das hat meine volle Unterstützung und meine volle Solidarität“, sagte Klingbeil in der ntv-Sendung „Beisenherz“. Ausschlaggebend dafür sei das Risiko, dass Deutschland mit der Lieferung möglicherweise in den Krieg gegen Russland hineingezogen werden könnte.
  • Koalitionspolitiker von FDP und Grünen haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wegen seiner Weigerung kritisiert, der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zu liefern. Die Vorsitzende des Bundestag-Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sagte dem Fernsehsender „Welt“, Scholz liege falsch mit der Behauptung, es müssten Bundeswehrsoldaten in die Ukraine, um diese Waffe vorzubereiten. „In diesem Fall kann die Programmierung in Deutschland stattfinden, beziehungsweise die ukrainischen Soldaten müssen das hier gelehrt bekommen.“
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnt vor Konsequenzen für den Getreidetransport durch das Schwarze Meer, sollte die US-Militärhilfe ausbleiben. „Ich denke, die Route wird geschlossen... denn um sie zu verteidigen, braucht man auch Munition, Luftabwehr und andere Systeme“, sagt Selenskyj dem Sender CNN. Durch den Seekorridor konnten nach seinen Angaben bislang rund 30 Millionen Tonnen Getreide und andere Agrarprodukte exportiert werden.
  • Die Ukraine hat bisher nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj weniger als ein Drittel der von der EU versprochenen Million Artilleriegeschosse erhalten. „Von der einen Million Granaten, die uns die Europäische Union versprochen hat, sind nicht 50 Prozent angekommen, sondern leider nur 30 Prozent“, sagte Selenskyj.
  • Die Organisation einer Trauerfeier für den in Haft ums Leben gekommenen Kremlkritiker Alexej Nawalny wird nach Angaben seines Teams von den Behörden in Russland behindert. „Nach einem Tag Suche haben wir immer noch keinen Trauersaal gefunden“, schrieb Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch auf der Plattform X (vormals Twitter). Einige Bestattungsunternehmen hätten erklärt, sie seien ausgebucht, andere hätten abgelehnt, sobald der Name Nawalny gefallen sei. „An einer Stelle wurde uns gesagt, dass den Beerdigungsinstituten verboten worden sei, mit uns zu arbeiten.“

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