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Russlands Präsident Wladimir Putin und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

© Fabian Sommer/dpa

Verhandlungen mit Russland?: Macron stößt eine notwendige Debatte an

Frankreichs Präsident sinniert über eine künftige Sicherheitsordnung in Europa. Vieles ist unausgereift. Eine Wiederbelebung der Diplomatie könnte allerdings nützlich sein.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Wer zahlt, darf mitreden. „No taxation without representation“, lautete die Parole im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Ins Aktuelle übersetzt: Natürlich darf im Westen die Frage diskutiert werden, wie und unter welchen Bedingungen der Krieg enden soll, den Russland gegen die Ukraine führt.

Ohne Waffen, Gelder und Geheimdienstinformationen aus den USA und Europa wäre die Ukraine nicht überlebensfähig. Bereitwillig in Kauf genommen werden Inflation, Energieknappheit, Flüchtlinge. Nun verteidigt die ukrainische Armee auch westliche Interessen und Werte. Dazu zählen territoriale Integrität, Freiheit, Souveränität, Sicherheit. Aber es wäre verkehrt, daraus ein Mitspracheverbot der Unterstützerländer abzuleiten.

Emmanuel Macron hat bei seinem jüngsten USA-Besuch mit Joe Biden über eine künftige Sicherheitsordnung in Europa gesprochen. Dabei müsse, sagt Frankreichs Präsident, auch die Angst Wladimir Putins Berücksichtigung finden, von der Nato eingekreist zu werden. Er sprach von entsprechenden Garantien, die Russland gegeben werden müssten, sobald das Land an den Verhandlungstisch komme.

Russland bedroht die gesamte Nachkriegsordnung

Dafür erntete Macron, auch aus Kreisen der Bundesregierung, scharfe Kritik. Nicht die Nato bedrohe Russland, hieß es, sondern Russland bedrohe mit seinem Aggressionskrieg die gesamte Nachkriegsordnung. Dringlicher wären Sicherheitsgarantien für die Ukraine, etwa in Form einer funktionierenden Luftabwehr.

Die Kritik ist berechtigt, vieles ist unausgereift an Macrons Überlegungen. Aber es ist verdienstvoll, sich überhaupt Gedanken zu machen über die Modalitäten einer möglichen Verhandlungslösung. Das Wort „Diplomatie“ stets nur mit „München 1938“ oder „Appeasement“ zu assoziieren, führt kein bisschen weiter.

Die Ukraine hat Recht und Moral auf ihrer Seite. Hinzukommen müssen Vernunft und Realismus. Wie groß ist die Chance, dass Russland seine Truppen vollständig abzieht, Reparationen zahlt und Verantwortung für Kriegsverbrechen übernimmt? Und auf der anderen Seite: Je früher die Kämpfe enden, desto eher könnte der Westen dabei helfen, das Land wieder aufzubauen – modern, demokratisch, mit militärischen Beistandsgarantien.

Russland hat den Krieg bereits verloren. Das Militär hat sich blamiert, die internationale Reputation ist dahin, das Land verzeichnet einen „brain drain“, die Nato erweitert sich durch Schweden und Finnland. Sollte es zu Verhandlungen kommen, könnte Putin von dieser Malaise nicht mehr ablenken, indem er die Dynamik des Krieges thematisiert. Er wäre zu einer Bilanz gezwungen, die niederschmetternd ausfallen dürfte.

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