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Maurice Summen, Ramin Bijan, Chris Imler, Gunther Osburg und Andreas Spechtl (von links) sind Die Türen – die Band, mit der alles begann.

© Gabriele Summen

20 Jahre Staatsakt-Label: Türen, Kerzen und flammende Herzen

Das Berliner Indie-Label Staatsakt feiert mit einem Buch, einem neuen Album und einem Konzert sein zwanzigjähriges Bestehen. Eine Würdigung.

Die österreichische Band Ja, Panik hatte 2009 gerade ihr drittes Album aufgenommen und war auf der Suche nach einer Plattenfirma. Sänger Andreas Spechtl erinnert sich: „Indie-Labels und Major-Labels. Nix hat sich gut angefühlt, irgendwie hat es nie funktioniert. Eine Seite hatte immer keine Lust auf eine Zusammenarbeit. Wir waren schon ziemlich ratlos“. Da erzählte plötzlich ihr Booker von diesem neuen Label namens Staatsakt, das ein Typ aus einer Band namens Die Türen betreibe.

Spechtl war skeptisch, fand den Namen der Band und auch eines ihrer Konzerte, das er besuchte, nur so lala. Trotzdem traf man sich anschließend mit Sänger und Label-Macher Maurice Summen. „Ab da war alles klar. Überraschenderweise war man derart gleich gepolt (auch der Humor!!!) und gleich so angesteckt von seiner sprudelnden und überbordenden Art, dass es, glaub ich, wenige Tage gedauert hat, bis man sich entschieden hatte, die Platte bei Staatsakt zu veröffentlichen“, erzählt Spechtl in dem Buch „Was erscheint, ist gut, was gut ist, erscheint“ (Verbrecher Verlag), das Maurice Summen und Markus Göres zum zwanzigjährigen Jubiläum von Staatsakt herausgebracht haben.

Einladung zum Senfeieressen bei Mama

Rund 40 Musiker*innen, deren Platten bei Staatsakt erscheinen, sprechen über das Label, ihren eigenen Werdegang und Themen wie Drogen, Provinzflucht oder Gegenkultur. Die an Jürgen Teipels „Verschwende deine Jugend“ erinnernde Zitatcollage versammelt von Christiane Rösinger über Jens Friebe, Tobias Bamborschke und Chris Imler bis hin zu Peter Licht und Masha Qrella die Stimmen von Staatsaktler*innen verschiedener Generationen und vermittelt ein schönes Bild vom Geist und der Arbeitsweise des Labels.

Dessen zentrale Figur ist Maurice Summen, der Staatsakt zusammen mit dem mittlerweile ausgestiegenen Gunther Osburg gründete – zunächst vor allem, um die Alben der eigenen Band Die Türen herauszubringen. Doch bald wuchs die kleine Firma, veröffentlichte auch Werke von Bonaparte, Ja, Panik, Erobique, später kamen etwa Nichtseattle, die Heiterkeit oder die Kerzen hinzu, eine Popband aus Ludwigslust, die Maurice Summen unter anderem durch eine Einladung zum Senfeieressen bei der Mutter des Sängers davon überzeugte, sie unter Vertrag zu nehmen. Einige von ihnen sind am Samstag beim Konzert im Festsaal Kreuzberg zu erleben.

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Im Buch betonen die Bands und Sänger*innen immer wieder, wie gut es sei, einen Labelchef zu haben, der selbst Musiker ist. Maurice Summen könne „versiert Feedback geben“ sagt Jens Friebe, und Reverend Dabeler lobt, dass er sich in die Perspektiven von Musiker*innen einfühlen könne, dass er „mitdenkt, ohne autoritär zu sein“. Das sind keine Einschleim-Statements, sondern freundschaftliche Würdigungen von Gleichgesinnten, die sich mit Staatsakt eine eigene widerständige Ecke in der deutschen Musiklandschaft geschaffen haben. Das ist nicht wenig in Zeiten, in denen die Marktmacht der Majors erdrückend ist und andere Berliner Independent-Labels wie Kitty-Yo oder Aggro Berlin längst verschwunden sind.

Und Die Türen? Haben Anfang Oktober ihr sechstes Album herausgebracht. Es heißt „Kapitalismus Blues Band“ und entstand größtenteils in der Nähe von Angermünde, wohin sich das Quintett zu Live-Sessions zurückgezogen hatte. Die zehn Songs verbinden Indie- mit Krautrock, jazzige Momente mit psychedelischem Mäandern und den wieder wunderbar dadaistisch-parolenhafen Texten. Maurice Summen singt über den brennenden Grunewald, das Verhältnis von Subtext zu Klartext und träumt in der ironischen Mittelschichtsfluchtfantasie von einem Tiny House („Ich bau mir einen großen Zaun um meinen tiny Raum“), zu der eine folkige Akustikgitarre das Landleben-Flair beisteuert.

Ja, Panik-Frontmann Andreas Spechtl hat seine Skepsis gegenüber den Türen inzwischen übrigens so gründlich überwunden, dass er seit mehr als zehn Jahren selbst mitspielt – bleibt ja in der Staatsakt-Familie.

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