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Oberes Belvedere.

© Lukas Schaller

300 Jahre Belvedere in Wien: Ort der Macht und der Kunst

Das Schloss Belvedere in Wien feiert 2023 sein 300-jähriges Bestehen. Die erste Jubiläumsschau zeigt: Kaum ein Ort steht so sehr für die Geschichte und Identität Österreichs.

„Österreich ist frei!“ Mit den berühmten Worten des österreichischen Außenministers Leopold Figl im Marmorsaal des Wiener Belvedere begann 1955 der Neustart der Republik Österreich. Dass die vier Alliierten USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich den Staatsvertrag in den Prunkräumen des oberen Schlossbaus unterzeichneten, war Kalkül. Denn auch Hitler hatte dort während des Zweiten Weltkriegs verbündete Staatschefs empfangen. Das barocke Schloß hatte der Diktator des Deutschen Reichs in jungen Jahren sogar einmal selbst gemalt.  

Das Belvedere in Wien war immer beides: ein Ort der Kunst und ein Ort der Macht. Das zeigt auch die Ausstellung „300 Jahre Ort der Kunst“, die das gesamte Jahr 2023 in der Orangerie im Unteren Belvedere zu sehen ist und das Jubiläumsjahr mit zahlreichen Sonderausstellungen einläutet.

In zwölf Kapiteln wird die wechselvolle Geschichte der barocken Schlossanlage von 1723 bis heute erzählt. Ergänzt wird die Zeitleiste mit Werken von 75 Künstlern, darunter sind immerhin 14 Frauen, dazu kommen Modellen, Dokumente und historische Fotos. Das ist gut gemacht, kompakt erzählt, Geschichte im Schnelldurchlauf. Nur hätte man sich hier und da etwas mehr Tiefe gewünscht.

Im ersten Kabinett springt ein heroisches Porträt des einstigen Hausherrn ins Auge. Johann Gottfried Auerbach malte Prinz Eugen von Savoyen vor rund 300 Jahren als Feldherrn. Daneben trägt ein schwarzer Page den Helm seiner Prunkrüstung – aus heutiger Sicht sei das eine „rassistische Darstellung“, wie die Kuratoren zeitgemäß auf einer Tafel dazu erläutern.

Prinz Eugen von Savoyen (1663 bis 1736), der stolz auf seine franco-italienische Herkunft war, machte als Heeresführer im kaiserliche Österreich Karriere. Als großer Kriegsstratege, der die Türken schlug und gegen Frankreich siegte, ging er in die Geschichtsbücher ein. Als bibliophiler Schöngeist, dem man Homosexualität nachsagte, weil er nie heiratete und keine Kinder hatte, ließ er sich von seinem Lieblingsarchitekten Johann Lukas von Hildebrandt außerhalb der Stadtmauern eine Residenz bauen.

Von seiner Kunstsammlung ist in Wien und auch in der aktuellen Ausstellung nichts mehr zu sehen. Nach Prinz Eugens Tod erwarb das Kaiserhaus seine Schlösser, seine Nichte verkaufte das Inventar nach Turin. Kaiserin Maria Theresia überführte die habsburgische Gemäldesammlung ins Obere Belvedere und machte die Galerie 1777 öffentlich zugänglich. Als 1891 das Kunsthistorische Museum eröffnete, zogen die Schätze um. Das Belvedere wurde ab 1903 zur „Modernen Galerie“. Gemälde von Gustav Klimt und Egon Schiele kamen in die Sammlung, aber auch Bilder der impressionistischen Landschaftsmalerin Tina Blau.

Der Marmorsaal im Oberen Belvedere.
Der Marmorsaal im Oberen Belvedere.

© Lukas Schaller

Dass 1923 ein Barockmuseum im Unteren Belvedere, den früheren Stallungen und der Orangerie, dazu kam und 1953 dann auch eine Abteilung für die Mittelalter-Bestände eingerichtet wurde, erweiterte die Museumsbestände. Die Handschrift der jeweiligen Museumsdirektoren erkennt man deutlich in jedem Zeitabschnitt. Auch die unrühmliche Karriere des NS-konformen Direktors Bruno Grimschitz, der seinen Vorgänger Franz Martin Haberditzl 1938 dreist aus dem Amt drängte, wird in Originalbriefen dokumentiert.

Ein bisschen ausführlicher hätte man sich aber gerade das Kapitel der NS-Zeit gewünscht, als die Moderne Galerie in der Orangerie schließen musste und das Belvedere Lager und Umschlagplatz für den NS-Kunstraub aus jüdischem Besitz wurde. Zwar werden einige Restitutionsfälle beleuchtet, etwa das Bleirelief des Barockkünstlers Jakob Gabriel Mollinaro, das die Erben des jüdischen Bankiers Alphonse Rothschild erst 1999 zurückerhielten. Bereits drei Jahre später konnte es das Belvedere zurückkaufen.

Wien ist frei.

Leopold Figl, österreichischer Außenminister 1955 im Marmorsaal des Belvedere

Das siebenköpfige Kuratorenteam setzt zwar erfrischende Akzente in der Präsentation, etwa wenn neben dem Auerbach-Gemälde des Belvedere-Posterboys Prinz Eugen eine Karikatur von Oswald Oberhuber hängt. Der 2020 verstorbene Doyen der zeitgenössischen Kunst Österreichs zeichnete den Prinzen 2009 als frechen Reiter vor hellgelbem Grund. Auch Fritz Behns marmornes Standbild von Wilhelm Furtwängler, eine Skulptur aus der NS-Zeit, wird bewusst nur liegend präsentiert.

Mehr Informationen wünscht man sich über Österreichs berühmteste Restitution. Den Streit um Klimts „goldene Adele“ und anderer Klimt-Gemälde hat sogar Hollywood verfilmt, in der Ausstellung wird er lakonisch nur in einem Kunstwerk thematisiert: Marcin Maciejwoski malte 2006, im Jahr der Rückgabe, das comicartige Bild „I used to live in Vienna, now I live in L.A. and the paintings have followed me here“.

Der Text steht in einer Sprechblase, man sieht das Belvedere sowie die Köpfe der Adele, der jüdischen Erbin Maria Altmann und der damaligen österreichischen Kulturministerin Elisabeth Gehrer. Acht Jahre dauerte der Rechtstreit damals. Im Rückblick auf die 300-jährige Geschichte des Belvedere ist das aber nur eine Episode. Klimt ist ab 3. Februar dafür Thema der Schau „Klimt. Inspired by Van Gogh, Rodin, Matisse ...“. Und am 22. März eröffnet zum Jubiläum die neue Schausammlung im Oberen Belvedere.

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