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Kultur: Abgeordnetenhaus: Neue Defizite drücken Berliner Bühnen

Ob das ein schlechtes Vorzeichen war? Bei der Anhörung des Unterausschusses Theater im Berliner Abgeordnetenhaus zum Etatentwurf 2000 der Kulturverwaltung waren zeitweise mehr Intendanten im Raum als Stühle.

Ob das ein schlechtes Vorzeichen war? Bei der Anhörung des Unterausschusses Theater im Berliner Abgeordnetenhaus zum Etatentwurf 2000 der Kulturverwaltung waren zeitweise mehr Intendanten im Raum als Stühle. Eine "Reise nach Jerusalem" drohen die Verhandlungen über die Zuschüsse tatsächlich zu werden, denn in fast allen Theater- und Opernhaushalten klaffen Löcher. Kultursenatorin Christa Thoben (CDU) scheint nicht zu wissen, wo sie das Füllmaterial hernehmen soll.

Mehr Geld wird es für die Kultur auf keinen Fall geben, stellten Klaus Wowereit (SPD) und Heiner Kausch (CDU) gleich zu Sitzungsbeginn klar. Institutionen, die keinen ausgeglichenen Haushalt vorzuweisen hätten, bräuchten sich keine Hoffnung auf zusätzliche Mittel zu machen. Genau das aber tun die drei Opernhäuser: Sie erklären sich außer Stande, im kommenden Jahr die Millionensummen, die durch die Gehaltssteigerung im öffentlichen Dienst anfallen, aus ihrem Etat auszugleichen.

Staatopern-Chef Georg Quander rechnete das in einem bühnenreifen Monolog vor: 1,5 Millionen Mark habe ihn die Tariferhöhung 1999 gekostet, drei Millionen fielen 2000 an, im Jahr 2001 wären es bereits 7,2 Millionen. Sein Fazit: "Insgesamt sind das 11,7 Millionen Mark. Bei flexiblen Mitteln von 19,7 Millionen kann ich das Haus am 28. 2. 2001 zumachen." Das Rechenkunststück, er habe - die Tarifproblematik mal ausgeklammert - seit 1995 sogar eine Million Plus gemacht, wollte ihm keiner abnehmen. Nach heftiger Kritik aus allen Fraktionen (Wowereit: "Sie glauben wohl, Sie könnten selber darüber entscheiden, wieviel Zuschuss Sie brauchen?") wurde das Votum über den Staatsopern-Haushalt zurückgestellt. Defizitäre Haushalte wollen die Abgeordneten definitiv nicht verabschieden. Ebenso erging es der Deutschen und der Komischen Oper, wobei der kleinsten der drei Berliner Opernbühnen ein gutes Zeugnis ausgestellt wurde. Albert Kost, Intendant der Komischen Oper, habe beträchtliche Sparleistungen erbracht. Allerdings sei der, der sich an die Vorgaben halte, am Ende der Dumme, weil das Land Berlin stets noch die (mutwillig?) gemachten Defizite übernommen habe, meinte Wowereit.

Castorf droht mit Weggang

Die Problematik der Tarifsteigerungen drückt ebenso die Sprechtheater. Frank Castorfs Volksbühne hatte 1999 einen ausgeglichenen Etat vorzuweisen, für 2000 wird mit einem Defizit von einer Million Mark gerechnet. Problematisch für die Volksbühne gestaltet sich die dringend gebotene Renovierung des 1913 erbauten Hauses. Die ursprünglich vorgesehenen Baumittel von neun Millionen Mark sollen nun bis auf eine halbe Million Mark gesperrt werden.

In einer fröhlich-verzweifelten Rede beschrieb Castorf die Situation als "kämpferisch". Er fragte sich laut, wie lange man so etwas machen könne. Das Land sei jetzt verlockend groß und bald zehn Jahre für ihn eine "schöne Zeit" gewesen. Eine Drohung, seinen Vertrag demnächst nicht zu verlängern - oder Rückzugsgelüste gar? Christa Thoben ging zum Telefonieren vor die Tür, kaum dass Castorf ("Ich bin eine alte Plaudertasche") mit seinen unterhaltsamen Ausführungen begonnen hatte. Ob Thoben das Volksbühnen-Defizit zu decken gedenkt, blieb unklar.

Im Falle des Deutschen Theater, wo 2,4 Millionen Mark im Haushalt fehlen, will sie helfend eingreifen, ohne dies näher zu begründen. DT-Intendant Thomas Langhoff musste sich harte Fragen nach seinem Finanzgebaren gefallen lassen. Er reagierte verletzt und sehr persönlich: "Sie sollten uns hier nicht kleinlich fertig machen." Kulturpolitik müsse eine Frage der Liebe sein. Sein drohendes Defizit konnte Bernd Wilms, Intendant des Maxim Gorki Theaters, plausibel erklären - mit dem Umzug ins Schiller-Theater. Das Gorki wird derzeit renoviert, und im großen Charlottenburger Ausweichquartier sei alles marode.

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