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Große Geste, großer Ton. Jeff Beck 2011 im Hamburger Stadtpark.

© action press / OHEIM,FRANK

Abschied von einem Gitarrenhelden: Jeff Beck ist gestorben

Zwischen scharfkantiger Härte und Lyrismus schaffte er mühelos den Sprung vom Bluesvirtuosen zum rasanten Fusionmusiker.

Mit Eric Clapton und Jimmy Page gehörte Jeff Beck zu den Gitarrenhelden, die Mitte der sechziger Jahre bei der British-Bluesband The Yardbirds die Meisterprüfung ablegten. Er war dort Claptons Nachfolger, der darüber nicht glücklich war. Hatte er doch gedacht, dass mit seinem Ausstieg das Schicksal der Band besiegelt wäre. Mit Jeff Beck aber starteten die Yardbirds noch einmal richtig durch.

Jeff Beck wurde zur Gitarren-Legende – aber nie ein Superstar der ersten Liga wie Clapton und Page. Dennoch war er der technisch Raffinierteste der drei und der einzige, der in späteren Jahren noch musikalisch Relevantes beizusteuern hatte. Mitte der Siebziger, als sich Rock und Jazz plötzlich viel zu sagen hatten, wandte er sich mit den Alben „Blow By Blow“ und „Wired“ Fusion-Sounds zu, die er um die Jahrtausendwende mit Alben wie „Who Else?“ oder „Jeff“ überzeugend fortentwickelte: ein hochenergetisches Gemisch aus Rock, Jazz, Techno und Blues. Kennzeichnend wurde seine Verbindung von scharfkantiger Härte und Lyrismus. Zwischen bösartig stotternden Riffs und fiesen Licks wirkten langsame Stücke wie „Nadia“ oder „Bulgaria“ umso magischer mit dem Saitengesang ihrer fragilen Melodiebögen.

Jeff Beck wurde 1944 in Walley, Surrington geboren. Die Liebe seines Vaters zum Jazz und die Freude seiner Mutter an permanenter Radiomusik prägten ihn. Er sollte Klavier lernen; doch das Tasteninstrument befriedigte ihn nicht. Er öffnete lieber die Innereien des Klaviers und experimentierte mit den Saiten. Die erste Gitarre baute er sich selbst aus einer Zigarrenkiste und einer Zaunlatte; die Bünde aufgemalt, der Klang laut eigener späterer Auskunft „terrible“. Mit seinem ersten richtigen Instrument eiferte er dann bereits den Vorbildern nach: Chet Atkins und den Rock’n’Roll- und Rockabilly-Gitarristen der fünfziger Jahre. 

Nie ohne meine Stratocaster

Zu Jeff Becks bevorzugtem Gitarrenmodell wurde die klanglich variable Fender Stratocaster. Er empfand sie wie einen Teil seines Körpers. Zunehmend verzichtete er beim Anschlag auf Plektren. Stattdessen bearbeitete er mit seiner rechten Hand feinfühlig die Saiten, während er zugleich den Tremolohebel drückte und der Ringfinger am Volumenregler drehte, mit dessen raffiniertem Einsatz Beck die Töne schwellen und heranschweben ließ.

Dezent arbeitete er mit Tapping oder Bottleneck und zauberte ergreifende Melodien aus den allerhöchsten Lagen. Die in seine rechte Hand eingewanderte musikalische Intelligenz war sein Kapital, mit dem er bisweilen fahrlässig umging. Bei seinen Sportwagen-Schraubereien zog sich der Oldtimer-Liebhaber heikle Verletzungen zu; einmal säbelte er sich beim Gemüseschneiden eine Fingerkuppe der Greifhand ab. „Das war’s“, hatte er damals im ersten Schreck gedacht; nie wieder Gitarrengott. Der Finger konnte chirurgisch wiederhergestellt werden.

Für seine unter die Haut gehende, hochdynamische Instrumental-Version des Beatles-Klassikers „A Day In The Life“ wurde ihm einer seiner acht Grammys verliehen. Beck, dem Sangeskunst selbst nicht gegeben war (dafür war in seiner frühen Jeff Beck Group unter anderem der damals noch nicht so bekannte Rod Stewart zuständig), machte die menschliche Stimme und ihre Phrasierung zunehmend zum Maß seines Gitarrenspiels.

Schmelz und Schmalz

Keiner konnte die elektrische Gitarre so singen lassen, konnte so viel Seele in jeden Ton legen wie er, was ihn dazu verleitete, auch abgehangene Filmmusik, Premium-Schnulzen wie „Over The Rainbow“ oder sogar Opern-Arien wie Puccinis „Nessun Dorma“ in sein Repertoire aufzunehmen, um die Übergänge zwischen Schmelz und Schmalz auszutesten.  

Viele Stars wie Tina Turner oder Mick Jagger ließen sich von Beck ihre Alben verfeinern. Herausragend sind seine Beiträge auf Roger Waters’ bestem Solowerk „Amused to Death“. Für seine eigene Alben engagierte Beck Sängerinnen wie Imelda May und Joss Stone, mit der er hinreißend „There’s No Other Me“ einspielte. Seine Gitarre umgarnt Stones Soulstimme dabei mit der Zartheit eines verliebten Urtiers, um dann, parallel zum schreienden Crescendo der Sängerin, sympathetisch loszuröhren.

Als eindrucksvoller Querschnitt durch Becks Repertoire empfiehlt sich das Album „Live at Ronnie Scott’s“ aus dem Jahr 2008, auch als Video auf Youtube. Sein sensitives Zusammenspiel mit der Bassistin Tal Wilkenfeld und dem Schlagzeuger Vinnie Colaiuta ist sehenswert. Noch als drahtiger 70-Jähriger wirkte Jeff Beck in den ärmellosen T-Shirts, seinem notorischen Bühnen-Outfit, fast alterslos.

Im vergangenen Sommer hat er gemeinsam mit dem Schauspieler Johnny Depp noch ein Album aufgenommen, dessen Titel „18“ offenbar das jugendliche Gefühl beim Zusammenspiel zum Ausdruck bringen sollte. Nun ist Jeff Beck – respektvoll erschüttert muss es die Gitarrenwelt hinnehmen – 78-jährig überraschend an einer bakteriellen Meningitis verstorben.

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