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Albertina: Von der Sucht, den Menschen im Gedächtnis zu bleiben

Kaiser Maximilian I. überließ bei seinem Erscheinungsbild nichts dem Zufall - wie eine Ausstellung in der Wiener Albertina zeigt.

Als „letzter Ritter“ wird Maximilian I. apostrophiert. Darin schwingt Herablassung gegenüber einem Herrscher, der an der Wende zur Neuzeit der Ritterromantik verhaftet blieb. Nur: So verhält es sich nicht. Maximilian, der zweite Habsburger auf dem deutschen Kaiserthron, als Nachfolger seines Vaters Friedrich III., 1459 in der Wiener Neustadt geboren, 1486 in Frankfurt am Main zum Römischen König gewählt und in Aachen gekrönt, seit 1493Alleinherrscher im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, 1508 zum „Erwählten Römischen Kaiser“ proklamiert – dieser Maximilian ist eine der faszinierendsten Gestalten jener Umbruchzeit um 1500. Er war Ritter und moderner Herrscher zugleich, Krieger und Dichter, er liebte Turniere und war stolz auf seine konkurrenzlose Artillerie, mit der er Städte und Länder eroberte.

Und er war ein großer Auftraggeber der Künste. Durchaus kein Mäzen, wie der Katalog zur Ausstellung der Wiener Albertina, „Kaiser Maximilian I. und die Kunst der Dürerzeit“, feststellt. Sondern ein Stratege seines öffentlichen Erscheinungsbildes, der die von ihm beauftragten Künstler, wie den zwölf Jahre jüngeren Dürer, den Meister der „Donauschule“ Albrecht Altdorfer oder seinen Innsbrucker Hofmaler Jörg Kölderer, aufs Genaueste anwies, ihre Arbeiten prüfte und gegebenenfalls inhaltlich korrigierte. Maximilian lag alles an seinem Nachruhm. „Wer in seinem Leben kein Gedächtnis macht, der hat nach seinem Tod kein Gedächtnis, und dieser Mensch wird mit dem Glockenton vergessen“, heißt es in der zu seinen Lebzeiten unveröffentlichte Erzählung „Weißkunig“, der „weise König“, von 1514/16. Vergessen werden wollte Maximilian I. auf keinen Fall, und man darf wohl sagen: Das hat er glänzend erreicht.

Davon zeugt die Ausstellung, deren wichtigste Stücke aus museumseigenen Beständen beigesteuert werden, vor allem die Druckgrafik Dürers. Das propagandistische Potenzial dieses neuen, preiswerten und öffentlichkeitswirksamen Mediums hat Maximilian sehr früh erkannt. Hauptstück der Ausstellung ist der auch nach Verlust der ersten 48 von 109 vergleichsweise großformatigen Miniaturen noch 54 Meter lange „Triumphzug Kaiser Maximilians“ in der für den Kaiser bestimmten Prunkausgabe des Regensburgers Albrecht Altdorfer und seiner Werkstatt, die die – tatsächliche und angenommene – Ahnenreihe des Herrschers, seine siegreichen Schlachten, aber auch seine Armee in größter Detailfreude und herrlichem Kolorit darstellt.

Darauf basiert die Holzschnittausgabe von 1516/18, die im Wesentlichen von Hans Burgkmair d. Ä. in Augsburg geschnitten wurde, jedoch beim Tod des Herrschers unvollendet blieb. Albrecht Dürer entwarf zudem 1518 den „Großen Triumphwagen“, eines der kostbarsten Zeugnisse der Antiken- und Renaissancerezeption im Alten Reich. Zur vollständigen Ausführung kam dieser, mit seinen zahlreichen lateinischen Personifikationen herrscherlicher Tugenden, erst 1522 – Beleg für den Nachruhm, den Maximilian so sehr erstrebte. Damals regierte bereits sein Enkel als Karl V., der Kaiser, in dessen Reich „die Sonne nie untergeht“. Dürer reiste eigens nach Antwerpen, um sich von Karl die Jahrespension bestätigen zu lassen, die der Großvater ihm bewilligt hatte – bezeichnend im Hinblick auf den allmählichen Übergang von mittelalterlichen Abhängigkeitsverhältnissen zu neuzeitlicher Verrechtlichung.

Die beiden Ausgaben des „Triumphzugs“ nehmen den Großteil der Ausstellung ein, die handkolorierte Prunkausgabe zeigt die damalige Welt. Die Allgegenwart des Krieges bezeugt die großartige Tafel Altdorfers, der 1518 den „Sieg Karls des Großen über die Awaren bei Regensburg“ in zeitgenössische Landsknechtsheere übersetzt und so ein Bild der unablässigen Kriegszüge der Habsburger liefert. Die früher gezogene, reizvolle Verbindung des Gemäldes, das nur von Altdorfers „Alexanderschlacht“ übertroffen wird, zu den Kreuzzugsplänen Maximilians, die nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453 erwogen wurden, wird aber nicht mehr aufrechterhalten.

Gewiss, „Bella gerant alii, tu felix Austria nube“: „Mögen andere Krieg führen, Du, glückliches Österreich, heirate“, wie der auf die überaus geschickte Heiratspolitik Friedrichs III. und seines Sohnes Maximilian gemünzte Maxime zu Recht lautet. Tatsächlich aber galt es ebenso, in Schlachten zu ziehen, und wenn etwas an der Bezeichnung Maximilians als „letztem Ritter“ zutiefst wahr ist, sind es die Tapferkeit und Kühnheit, mit denen der Kaiser stets vorneweg ritt. Seinen Wahlspruch „Durch so viele Gefahren“ hat er unablässig strapaziert. Seine über alles geliebte erste Ehefrau Maria von Burgund, die ihm das reiche burgundische Erbe einbrachte, starb hingegen 25-jährig nach einem Reitunfall. Die zweite Frau, Bianca Maria Sforza, ließ er links liegen. Sie war nicht standesgemäß, brachte dem hochverschuldeten Fürsten jedoch eine reiche Mitgift ein. Als sie starb, was schon die Zeitgenossen auf Gram zurückführten, kam Maximilian nicht zur Beerdigung.

Am 28. Juni 1518 erhielt Dürer Gelegenheit, auf dem Reichstag den Kaiser zu porträtieren. „Den hab ich zu Augsburg hoch oben auf der Pfalz in seinem kleinen Stüble konterfeit“, vermerkte Dürer auf der intimen Kreidezeichnung. Auf ihr basiert ein Gemälde, das den Kaiser in einer Naturwahrhaftigkeit zeigt, die den idealisierenden Vorstellungen des Hofes zuwiderlief. Maximilian war am Ende seines Lebens voller Schuldgefühle ob seines irdischen Tuns und verfügte, seinen Leichnam zu geißeln und die Zähne auszubrechen. Vom toten Kaiser ist das überhaupt erste Bildnis eines Verstorbenen, ein Dokument der Hinfälligkeit, in der Ausstellung zu sehen. Sie ist in jeder Hinsicht faszinierend und flankiert zudem eindrucksvoll das in der Geschichtswissenschaft seit längerem wiedererwachte Interesse am Alten Reich. Bernhard Schulz

Wien, Albertina, bis 6. Januar. Katalog bei Prestel, 415 S., 32 €

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