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Kultur: Aller guten Dinge sind zwei

KLASSIK

„Wiederhole nie ein erfolgreiches Experiment“, heißt eine schöne Wissenschaftlerweisheit, die sich auch auf die Kunst übertragen lässt. Ist Andrej Boreyko , der aufstrebende Chefdirigent der Jenaer Philharmonie, weise gewesen, als er am Freitag abermals vor die Berliner Philharmoniker trat, nach seinem überraschenden Debüt 2001? Ja und nein: Statt den Erfolg mit handfestem Schostakowitsch und Beethoven zu wiederholen, legte er die Messlatte noch etwas höher. So unterschiedlich die Werke des Abends waren – jedes verlangt ein ungewöhnliches Maß an dirigistischer Kohäsionskraft, um ihr disparates Material zum Ganzen zu zwingen. Beeindruckend gelang dies in Brahms’ Doppelkonzert für Violine und Violoncello: Wie Ausrufezeichen schleuderte der Cellist Ludwig Quandt die gezupften Schlusstöne seines ersten Solos in den Saal, dezidiert bis an den Rand der Rechthaberei bot ihm Guy Braunstein Paroli, und trennscharf wie im Lehrbuch ließ Boreyko Zweier- und Dreierrhythmen des Orchesters parallel laufen – eine gespannte Intensität, die alle Beteiligten bis zum Schluss durchhalten konnten. Der mit kalligraphischer Lust aufgesetzte, harte aber faire Ehevertrag zwischen den ungleichen Partnern dürfte auch bei mehrmaligem Hören Bestand haben. Etwas weniger zwingend als die erste Konzerthälfte, die mit einer fulminant-eklektizistischen Konzertouvertüre von Symanowsi begonnen hatte, fiel der zweite Teil aus: Bei Haydns Sinfonie „Il distratto“ fehlte dem ernsthaft am Melos feilenden Boreyko der letzte Mutwille zur komischen Überzeichnung, während auch kollektive Virtuosität aus Lutoslawskis Konzert für Orchester kein Haydn ebenbürtiges Meisterwerk machen konnte.

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