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Charmanter Verlierer. Oliver Masucci, der in David Wnendts Satire „Er ist wieder da“ einen garstig wiedererstandenen Hitler spielt, bei der Lola-Gala in Berlin.

© dpa

Nach den Lolas: Alles für die Rolle

Nachlese zum Deutschen Filmpreis: Gewinner und Verlierer – und eine Zukunft für die Frauen.

Was haben die Lola-Gala der Deutschen Filmakademie und die Palmen-Zeremonie in Cannes gemeinsam? Eigentlich nichts. Bei den Franzosen entscheidet eine Jury aus Filmprominenten über einen vom Festival zusammengestellten, meist um die 20 Titel umfassenden Wettbewerb, alljährlich in Berlin dagegen bestimmen rund 1600 in eben jener Akademie organisierte Filmprominente über die Jahresbesten bis Drittbesten sowie herausragende Leistungen in allerlei Nebenkategorien – weshalb man sich mitunter mit dem großen Vorbild der Oscars auf eine Stufe stellt. Die Oscars und Cannes verbindet zudem, dass ihre Preise allein Ehre, viel Ehre allerdings, einbringen. Hingegen verteilt die Deutsche Filmakademie bei ihrer Gala knapp drei Millionen Euro aus dem Säckel der Kulturstaatsministerin, zum höheren kulturellen Wohle des deutschen Filmwesens.

Von Letzterem wurde bei der Lola-Verleihung am Freitagabend im Palais am Funkturm zwar keinerlei Aufhebens gemacht, wohl weil man alte Zweifel am Prozedere, wonach die Filmschaffenden öffentliche Gelder unter sich aufteilen, nicht erneut schüren will. Zudem macht sich die Nennung deftiger Summen – immerhin 500 000 Euro gibt’s für die Goldene Lola – womöglich schlecht beim Fernsehvolk; die Zeremonie wurde zeitversetzt im Ersten ausgestrahlt. Wobei: Dass man mit einer zwar stattlich erscheinenden halben Million heute einen konkurrenzfähigen Film kaum mehr stemmen kann, lässt sich wohl ebenso schwer vermitteln wie die Beseitigung des hübschen Vorurteils, dass die Weltfilmbranche während der zwölf Maitage an der Côte d’Azur bloß am Strand faulenzt.

Ein Bogen um die Filme, die am Wege liegen

Die Parallele zu Cannes hat nicht nur insofern besonderen Sinn, als die Zeremonien wohl noch nie so dicht, ein Wöchelchen nur, aufeinander folgten wie in diesem Jahr. Auch zeigt sich, dass ein Plenum ebenso wie eine Jury sorgfältig einen erstaunlichen Bogen um Filme machen kann, die durchaus am Wege liegen. Die Cannes-Juroren haben, zum Verdruss keineswegs nur der deutschen Filmkritik, mit Maren Ades hochgeschätzter Tragikomödie „Toni Erdmann“ den ersten deutschen Wettbewerbsbeitrag dort seit acht Jahren demonstrativ links liegen lassen. Und die Akademie bedachte David Wnendts „Er ist wieder da“ zwar zunächst mit fünf Nominierungen, entschloss sich dann aber in geheimer Wahl, den ungemütlichsten, aktuellsten deutschen Film kühl zu verschmähen.

Nicht dass der mit sechs Lolas bedachte Gold-Siegerfilm, Lars Kraumes „Der Staat gegen Fritz Bauer“ nicht über nahezu jeden Zweifel erhaben wäre. Aber waren die keineswegs klischeefreie weihnachtliche Psychiatriegeschichte „4 Könige“ (Bronze) und das nicht nur final sentimentale Boxermilieudrama „Herbert“ (Silber) so viel besser als Wnendts Bestsellerverfilmung mit einem erst betont lächerlich gezeichneten, dann brillant immer unheimlicher in AfD-Deutschland agierenden Oliver Masucci als Hitler? Dass er dann als bester Hauptdarsteller ebenso leer ausging wie sein positiver Gegenpart, der den eigenen Film genau so fundamental tragende Burghart Klaußner als Fritz Bauer, hatte dann fast unfreiwillig komische Züge. Als hätten sich die Akademie-Mitglieder geradezu oscarlike in das immerhin moralisch unanfechtbare Mitleidsvotum für einen Moribunden geflüchtet. Und Peter Kurth spielt seinen ALS-kranken Boxer fraglos mit einiger Hingabe.

Ein Preis für einen Hitlerfilm in Deutschland? Keine Chance

Ein bisschen stimme man eben immer nicht nur fürs bloße Spiel, sondern auch für die Rolle, hier also die qua Drehbuch leidende Figur, war nachher unter Schauspielkollegen zu hören. Zum Wnendt/Masucci-Flop gab es gleich zwei plausible Erklärungen. Publikumsfilme – und mit seinen 2,5 Millionen Zuschauern ist „Er ist wieder da“ satte zehnmal erfolgreicher als „Fritz Bauer“ – hätten es bei der Akademie traditionell schwer. Und ein Preis für einen Hitlerfilm in Deutschland? Keine Chance. Tatsächlich ging etwa Bruno Ganz, 2005 zwar ebenfalls lolanominiert, im legendären „Untergang“ gegen Henry Hübchen in „Alles auf Zucker“ selber unter; auch war der damalige 4,6-Millionen-Zuschauer-Hit nicht mal als bester Film nominiert.

Was bleibt sonst von dieser Lola-Gala als Summe eines insgesamt schwachen deutschen Filmjahrs? Hoffnung auf die Frauen. Nicht nur ist es längst normal und angenehm, die Spitze der Deutschen Filmakademie durch Iris Berben und die deutsche Kulturpolitik dort, wo sie höchst initiativ auch Bundesangelegenheit sein darf, durch Monika Grütters vertreten zu sehen. Überhaupt haben die Frauen allen Grund zum Selbstbewusstsein – allen voran diesmal die Schauspielerin Laura Tonke, die gleich zwei Preise holte und mit hübschem Understatement noch einmal ihren zart derangierten „Hedi Schneider“-Bescheidenheitsgestus zelebrierte. Die starken Regienamen dürften nächstes Jahr dabei sein: Nicolette Krebitz („Wild“), Anne Zohra Berrached („24 Wochen“) und Maren Ade („Toni Erdmann“). Sie machen derzeit das aufregende deutsche Kino, das auch international besteht.

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