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Muttis Klügster wollte klüger sein als Mutti. Ex-Umweltminister Roettgen und seine Chefin.

© dapd

Angela Merkel: "Mutti" macht das schon

Merkel schmeißt Röttgen raus und alle schreiben von "Mutti". Undenkbar, dass bei vergleichbaren Ränkespielen eines mächtigen Mannes wie Kohl oder Schmidt von „Vati“ die Rede gewesen wäre. Wer so schreibt, hat Angst - und zeigt außerdem, wie unreif er ist.

Von Caroline Fetscher

Wenn derzeit öffentlich von „Mutti“ die Rede ist, kann das nur die eine sein: Kanzlerin Angela Merkel. Genauso wenig muss erklärt werden, wer mit „Muttis Liebling“ oder „Muttis Musterschüler“ gemeint ist: jener Minister, den „Mutti gerade ohne Gnade geschasst hat. Über dessen Absturz „von Muttis Klügstem zum Ex-Minister“ schrieben die Zeitungen, davon dass „Muttis Bester“ sitzen geblieben sei, vielleicht weil „Muttis Klügster“ sich „für klüger als Mutti“ gehalten habe. „,Mutti’ hat kalt und schnell ihren ,Klügsten’ an die Luft gesetzt,“ hieß es sogar in der seriösen „FAZ“. Ein Blatt argwöhnte, dieser Plan habe „schon länger in Muttis Nähkästchen“ gelegen, und im Stil einer Familienserie stand anderswo zu lesen: „Mutti hatte bei der Heimkehr ihres vermeintlichen Ziehsohns die Nase voll von dessen Eskapaden.“ Wenn dann auch noch bilanziert wird, „Mutti“ habe inzwischen alle „ihre Söhne geköpft“, nimmt das Geschehen die Dimension einer Wikinger-Saga oder antiken Tragödie an.

Die Metaphern reichen vom tückischen, nähenden Hausmütterchen bis zur rächenden, strafenden Mutter. Allesamt sollen sie dazu dienen, den Umgang einer Regierungschefin mit Macht und Vasallen zu kennzeichnen. Aber wie kommt es, dass der Spitz- und Spottname „Mutti“ häufiger benutzt wird als je zuvor? Undenkbar, dass bei vergleichbaren Ränkespielen eines mächtigen Mannes wie Helmut Kohl, Franz Josef Strauß oder Helmut Schmidt von „Vati“ die Rede gewesen wäre. Zwar hält sich die auf Machtnachfolge bezogene familiäre Metapher von Sohn, Kronprinz, Ziehsohn und Landesvater in allen Parteimilieus, doch eine vergleichbare Metapherninflation, wie wir sie im Augenblick mit der ja kinderlosen Kanzlerin und ihrem am Muttertag gefallenen „Sohn“ erleben, war noch nicht da.

Lag in der Mutti-Metapher zuvor ein Gran ironisch-liebevoller bis anhänglich-infantiler Verehrung, so ist sie nun vollends ambivalent geworden. In Kombination mit dem versagenden Primus und dessen Los gesellt sich ein neues Element zu der Wortwahl, eins aus der pubertären Sphäre. Auf dem Schulhof hatten sich die Jungs gekloppt – so war es nach der NRW- Wahl aus Schlagzeilen wie „Unionspolitiker prügeln auf Röttgen ein“ herauszuhören. Neben der Wut auf den Primus reagierten die Jungs nachträglich den Neid auf dessen Privilegien ab, das ging bis zu Schmähungen vor laufender Kamera. Als sich dann aber „Mutti“ in die blitzschnell intervenierende Schulleiterin verwandelte, wurde aus der mobbenden Meute eine solidarische Brüderhorde, eine Horde in Furcht. Der bösen, der köpfenden Frau, die Anflüge einer Iron Lady zeigt, wird das Unbehagen präsentiert, das sie auslöst, wenn sie ihre Vetomacht hart demonstriert, und eben nicht mütterlich schlichtet.

Gerade deshalb wird sie beharrlich als „Mutti“ beschworen, darin mischen sich Angst, abgewehrte Anerkennung und versteckter Hohn. Dieser adoleszenten, vorsätzlich entpolitisierten Sprechweise geht es einerseits darum, die mächtige, weibliche Person zurück auf ihren vermeintlichen Platz zu verweisen, ihr die Schürze umzubinden, sie zu entwaffnen. Ähnlich versuchte das Getrud Höhler unlängst in einer Talkrunde mit Hannelore Kraft, die sie als eine Art Mutterfigur aus der „Lindenstraße“ abtat. Ein Versuch der Degradierung: Ihre Macht ist nur die einer Hausfrau, das wahre Leben spielt sich draußen ab, außerhalb ihres Einflussgebiets.

„Mutti“? Ganz gleich, wohin man als Wähler tendiert: Es lohnt sich, darüber nachzudenken, aus welcher Position und Opposition da gesprochen wird, wie unreif solche Rede ist, wie fantasiearm und wie wenig den Fragen angemessen, um die es derzeit politisch geht.

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