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Kultur: Anstiftung zur Redefreiheit

Kasachstans Regime und der Mut eines Regisseurs.

„Es gibt ein Sprichwort bei uns: Leute, die mit einem Stein nach dir werfen, sollst du zum Essen einladen.“ Der kasachische Theatermacher, Autor und Regisseur Bolat Atabajew, der das einmal sagte, muss für seine Weigerung, sich einschüchtern zu lassen, einen hohen Preis zahlen. Wie gestern gemeldet, sitzt der 60-Jährige seit 15. Juni hinter Gittern, nachdem bereits ein Ausreiseverbot über ihn verhängt worden war. Der Vorwurf: Anstiftung zu sozialer Unruhe. Eigentlich sollte er am 28. August in Weimar mit der Goethe-Medaille ausgezeichnet werden, wegen seines mutigen Eintretens für demokratische Strukturen und seiner Verdienste um den deutschkasachischen Kulturaustausch. Gemeinsam mit der litauischen Literaturwissenschaftlerin Irena Veisaite und dem bosnischen Schriftsteller Dževad Karahasan will das Goethe-Institut Persönlichkeiten ehren, die „für eine offene Aufarbeitung nationaler Traumata eintreten und auch gegenwärtige gesellschaftliche Schwierigkeiten thematisieren“.

Atabajew ist in seinem Land eine Theaterlegende, als Gründer und langjähriger Leiter des Deutschen Theaters in Almaty und als Autor politischer Parabeln wie dem Theaterstück „Die Lawine“, in dem er die Einschränkung der Meinungsfreiheit thematisierte. Auch andere TabuThemen griff der Autor auf, etwa den Genozid an den Wolgadeutschen in Kasachstan im Zweiten Weltkrieg („Muslima“, 1988) oder die Diskriminierung Russlanddeutscher in der Bundesrepublik in „Lady Milford aus Almaty“ (2000).

Hintergrund seiner Festnahme ist Atabajews öffentliche Parteinahme für die streikenden Ölarbeiter in der Stadt Schanaosen Ende 2011. Bei den Unruhen dort gab es mindestens 13 Tote und hunderte Verletzte. Auch andere Oppositionelle wurden verhaftet und teils zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Unter der autoritären Herrschaft von Präsident Nursultan Nasarbajew wird die Meinungsfreiheit immer weiter eingeschränkt. In einem Statement der Oppositionspartei Alga, deren Chef ebenfalls in Untersuchungshaft sitzt, heißt es nun: „Die Regierung hat beschlossen, es nicht mehr bei kosmetischen Drohungen und Säuberungen zu belassen. Der neue Kurs lautet, alle denkbaren Störfaktoren auszurotten.“

Wie die Leiterin des Goethe-Instituts in Almaty, Barbara Fraenkel-Thonet, bestätigte, soll Atabajew bis 23. Juli in Haft bleiben – was aber Monat für Monat verlängert werden könne. „Sollte es zu einer Anklage kommen, wird er verurteilt und dann bedeutet das Lagerhaft“, sagte ein westlicher Vertreter vor Ort. Auch Volker Schlöndorff, an dessen Kasachstan-Film „Ulzhan“ (2007) Atabajew mitgearbeitet hat, protestiert gegen die Verhaftung und forderte in einem Brief an den zuständigen Richter die unverzügliche Freilassung seines Kollegen. chp (mit dapd)

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