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Der Berliner Maler und Bildhauer Detlef Waschkau hat das neue Atelier im siebten Stock des Ministeriums getestet.

© Nikolaus Netzer

Artist-in-Residence-Programm in Berlin: Auswärtiges Amt fördert ausländische Künstler

Kunst auf dem Dach: Das Auswärtige Amt finanziert ein Artist-in-Residence-Programm für ausländische Künstler in Berlin. Ein Atelier wird auch zur Verfügung gestellt: in einer alten Abstellkammer.

Er kommt morgens und geht abends. Soweit ist alles normal. Nur dass der Berliner Künstler Detlef Waschkau seit vier Monaten einen Hausausweis braucht und Sicherheitsschranken durchqueren muss, bevor er sein Atelier betritt. Dieses befindet sich zurzeit im Auswärtigen Amt am Werderschen Markt. Im siebten Stock, auf dem Dach des Gebäudes, liegt ein Penthouse, das bisher nur als Abstellraum genutzt wurde. Es ist von einer Terrasse umgeben, die einen spektakulären Blick auf Berlin bietet.

Diesen Raum will das Außenministerium künftig für die Kunstproduktion zur Verfügung stellen. Ab Herbst wird das Amt ein Artist-in-Residence-Programm ins Leben rufen. Detlef Waschkau ist so etwas wie der Testkandidat, der prüfen soll, wie es sich anfühlt – als Gast des Ministeriums.

Residence-Programm für Berlin: Win-Win-Situation für alle

Pro Jahr sollen künftig drei ausländische in Deutschland lebende Künstler jeweils drei Monate im Dach-Studio arbeiten. Anschließend folgt eine Ausstellung in den Räumen des Internationalen Clubs und in einer Berliner Galerie. Den Anstoß für das Residence-Programm gab Werner Tammen, Galerist und Vorsitzender des Landesverbandes Berliner Galerien (LVBG). Der LVBG wird auch die Auswahl der Stipendiaten des neuen „Artist-in-Residence-Programms“ organisieren. „Die Galerien des Verbands können je einen Künstler aus ihrem Programm vorschlagen, eine Jury bestehend aus einem Kurator, einem Kritiker und einem Galeristen, entscheidet“, so Tammen. Die ersten drei Kandidaten werden im September anlässlich der Art Week bekanntgegeben.

Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten, wie es scheint. Sichtbarkeit für die Künstler; für das Auswärtige Amt eine Möglichkeit sich im Glanz der hiesigen Kunstszene zu sonnen, die in erheblichem Umfang zum positiven Bild Berlins im Ausland beigetragen hat.

Das Dach-Studio: ein vergessener Ort der Behörde

Der 1961 in Hannover geborene und in Berlin lebende Detlef Waschkau hat bereits Kontakte im Haus geknüpft, für ihn steht bald eine Ausstellung in der Deutschen Botschaftsresidenz in Peking an. Solche Dinge können sich ergeben, wenn man nah dran ist. Im temporären Atelier auf dem Dach hängen etliche seiner Holz-Reliefs an den Wänden. Auf einem Tisch liegen Schnitzeisen, auf einem anderen stehen Töpfe mit Farbpigmenten. Die Wände hier oben sind unverputzt, Kabel hängen aus der Decke, in einer Ecke sind Möbel des Internationalen Clubs zusammengerückt. Ein vergessener Ort in einer Behörde. Man möchte an die siebeneinhalbte Etage aus dem Film „Being John Malkovich“ denken – wäre da nicht die spektakuläre Terrasse vor der Tür.

Detlef Waschkaus Thema ist die Metropole, der Raum und die Menschen darin. In seinen ausgeklügelten, in mehreren Schichten angelegten Holz-Reliefs zeigt er Alltagsszenen und Architekturen aus China, Japan oder Berlin. Die Kuppel des Berliner Doms hat es ihm derzeit angetan. So frei gewählt sind seine Themen allerdings nicht immer: Anlässlich des 100. Geburtstages von Willy Brandt fertigte der Künstler beispielsweise eine Porträt-Serie des Alt-Bundeskanzlers im Auftrag der SPD.

Kunst soll Verständigung schaffen

„Wir wollen weg von der Repräsentation hin zur Produktion“, sagt Andreas Görgen, Leiter der Kulturabteilung im Auswärtigen Amt. Ähnliches formulierte Außenminister Frank Walter Steinmeier im Frühjahr in einer Rede zur Kulturpolitik. Die Auswärtige Politik steht vor harten Herausforderungen: Ukraine-Krise, die Bedrohung durch den „Islamischen Staat“, alte Ordnungen, die bröckeln. Von der Kunst und der Kultur erhofft man sich Verständigung, Dialog, „Weltvernunft“, wie Willy Brandt es einmal genannt hat. Staatstragende Repräsentationskunst ist nicht mehr zeitgemäß in einer globalisierten Welt, die auf Netzwerken basiert.

Die Auswärtige Kulturpolitik fördert Künstler vor allem über Institutionen wie das Institut für Auslandsbeziehungen – das zum Beispiel die deutschen Beiträge zur Venedig Biennale koordiniert – oder über die Goethe-Institute. „Etwa 140 Künstler senden die Goethe-Institute pro Jahr in die Welt“, sagt Andreas Görgen. Wenn Steinmeier auf Reisen geht, begleiten ihn Schriftsteller, Theatermacher oder Komponisten. Jetzt kommt die Kunst also auch zu ihm ins Haus. Das steht dem Ministerium gut zu Gesicht, genauso die Kooperation mit den finanziell stets eng kalkulierenden mittelständischen Galerien. Ein kleine Geste oder doch große Politik?

Das Dach-Studio wird erstmal renoviert

Während der ersten Amtszeit von Frank Walter Steinmeier 2005 bis 2009 hatte Tammen bereits den Künstler Michael Ramsauer im Dach-Studio des Ministeriums untergebracht. Unter Guido Westerwelle fand die Kooperation keine Fortsetzung. Nun ist Steinmeier erneut am Ruder und knüpft an alte Zeiten an. Der Minister hat außerdem das Auswärtige Amt – ein riesiger Apparat mit mehr als 11 000 Beschäftigten – zu Beginn seiner zweiten Amtszeit einem Umbauprozess unterworfen, um die Behörde offener und moderner zu machen. Da passt es ins Bild, dass bald Künstlerstipendiaten im Stammsitz am Werderschen Markt ein- und ausgehen. Das Dach-Studio wird über die Sommermonate zunächst renoviert. Schließlich sollen die dort künftig arbeitenden Künstler und Künstlerinnen ihre Besucher nicht in einem Rohbau empfangen. Ganz ohne Repräsentation geht es dann doch nicht.

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