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Kultur: Auf den Spuren der Venus

Illegaler Kunsthandel: Getty-Prozess in Rom

Ein Musterprozess soll es werden. Er soll die räuberischen Praktiken des internationalen Kunsthandels aufdecken und zeigen, dass krumme Geschäfte nicht nur in den Hinterzimmern irgendwelcher Diebe oder Hehler stattfinden, sondern unter den Augen der Weltöffentlichkeit. Angeklagt in Rom ist das renommierte kalifornische Getty-Museum. Für etliche Millionen Dollar und im Bewusstsein der Illegalität soll es Meisterwerke antiker Kunst zusammengerafft haben, die aus Raubgräbereien in Italien stammten – darunter die monumentale griechische  „Venus von Morgantina“ aus Sizilien, die für 20 Millionen Dollar verhökert wurde.

Etwa die Hälfte der von Getty als „antike Meisterwerke“ ausgestellten Gegenstände ist nach Erkenntnissen der italienischen Fahnder illegaler Herkunft. Dafür verantworten müssen sich in Rom von heute an die bisherige Getty-Kuratorin Marion True und der Schweizer Kunsthändler Emanuel Robert Hecht. Bereits zu zehn Jahren Haft verurteilt ist der italienische Kunsthändler Giacomo Medici, dessen „Schließfach“ im Genfer Zoll-Freilager offenbar der Umschlagplatz für den dubiosen Handel war. Medici muss, nach dem im März ergangenen Urteil erster Instanz, zehn Millionen Euro Schadenersatz an das italienische Kulturministerium zahlen, als Abschlag vorerst. Der Staatsanwalt hat 150 Millionen Euro gefordert; das gibt eine Vorstellung vom Umfang des Geschäfts.

Noch bis in den Sommer hinein hat der Getty-Trust seine Kuratorin True als „Respektsperson“ verteidigt, beide beteuern zum Prozessbeginn auch weiterhin ihre Unschuld. Doch Marion True ist inzwischen von ihrem Amt zurückgetreten, offiziell im Zusammenhang mit einem unternehmensethisch nicht vertretbaren Kredit für ein privates Ferienhaus. Und Getty hat – nach der Rückgabe einer Trinkschale 1999 – erst vor einigen Tagen drei Kunstwerke an Italien zurückerstattet: eine Grabstele, eine griechische Vase, einen dreifüßigen etruskischen Bronzeleuchter, alle mindestens 2400 Jahre alt. In Kalifornien will man diese „spontane“ Rückgabe „als Geste guten Willens, nicht aber als Schuldeingeständnis“ verstanden wissen. Doch die Zusammenstellung des Pakets ist bezeichnend: Die Kunstwerke stammen aus Sizilien, aus der Gegend von Neapel/Pompeji und aus der Region Latium bei Rom. Damit ist der archäologisch wertvollste Raum der italienischen Halbinsel abgedeckt.

Wäre es nur Getty! Kulturminister Rocco Buttiglione erklärt, das zur Verlängerung anstehende Abkommen mit den USA, das den transatlantischen Handel mit archäologisch Wertvollem verbietet, habe allein seit 2001 zur Rückgabe von 185190 (!) illegal ausgeführten Gegenständen geführt. Ein gewaltiger Fortschritt: zwischen 1996 und 2000 sind „nur“ 96472 heimgekehrt. Der Handel mit Altertümern gilt nach dem Drogen- und dem Müllgeschäft als der wichtigste Wirtschaftszweig der  Mafia.

2000 antike Gegenstände und 4000 Fotografien weiterer Kunstwerke, also eine Art Bestellkatalog für interessierte Abnehmer, wurden 1995 allein im Genfer Depot des Händlers Medici sichergestellt. Auf der Suche nach dem Verbleib der Objekte sind die italienischen Fahnder in japanischen, australischen, dänischen und auch in deutschen Museen fündig geworden. Im New Yorker Metropolitan Museum befindet sich ein Silberschatz, der offenbar zur „Venus von Morgantina“ gehört; der Direktor des „Metropolitan“ soll dieser Tage zu Gesprächen in Rom sein. Im Linzer Privatmuseum eines österreichischen Händlers wurden im Oktober zahlreiche etruskische Fundstücke beschlagnahmt. Das seien „doch nur Scherben“, verteidigte sich der Mann, der seine Kataloge zuvor breit in der Sammlerwelt streute. Von wegen Scherben: Spezialisten der italienischen Carabinieri und Archäologen beklagen nicht nur, dass sich private Raubgräber mit wüster Baggerkraft durch den Boden buddeln, dass archäologische Fundorte für immer zerstört würden und gerade Sizilien mit Löchern übersät sei. Darüber hinaus würden Beutestücke gezielt in Scherben zerschlagen. Die Händler könnten die Teile dann einzeln verkaufen und höhere Gewinne erzielen.

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