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Bishop Briggs, Jahrgang 1992, heißt eigentlich Sarah Grace McLaughlin.

© Universal

Bishop Briggs im Lido: Auf der Stelle joggen

102 Millionen Aufrufe auf Spotify: Die britische Sängerin Bishop Briggs präsentiert im Kreuzberger Lido Songs, die zum Sport machen anregen.

Bishop Briggs macht Sport-Musik. Also Musik, die fast ausschließlich aus antreibenden, heroisch tönenden Refrains besteht, die von Großem künden, das so dröhnt, dass es einem unmöglich ist, einen Bishop-Briggs-Sport-Song einfach so durchzustehen. Auch wenn er einen kein Stück berührt, so bewegt er einen doch. Wenigstens mitwippen muss man oder auf der Stelle joggen. Bishop Briggs selbst geht das ganz genauso. Sie läuft auf der Stelle oder joggt vom linken zum rechten Bühnenrand.

Dann singt sie. „Like A River“ oder „White Flag“, ihre großen Hits, die allesamt schon unter Automobil- und Mobiltelefonwerbungen gelegen haben. Einfach weil ihre Musik dafür geschrieben ist. Große Gefühle schnell. Keine Leerstellen. Nur so viel Langsamkeit, wie für einen großen, schnellen Aufbau nötig ist. Es ist Musik, die bei dem Streamingdienst Spotify seit ihrem Erscheinen Anfang des Jahres schon 102 Millionen Mal aufgerufen wurde. Es ist Musik, die so geschrieben und produziert ist, dass sie keiner wegklickt, weil sie eben keine Leerstellen hat, aber jeder jeden Tag Leerstellen hat, an denen er eine Bishop-Briggs- Zündung gebrauchen kann.

Bishop Briggs heißt eigentlich Sarah Grace McLaughlin, doch Bishopbriggs ist der schottische Ort, in dem ihre Eltern geboren wurden. Sie selbst ist gebürtige Londonerin, lebt aber in Los Angeles, spricht keinen britischen Akzent mehr, sondern wirkt englischsprachig-undefiniert-international. Sie ist die Jetzt-Moderne, durch und durch. Sagt, sie möchte, dass jeder zu seiner Meinung steht, und dass jeder gehört werden sollte, solange er nicht rassistisch, homophob, transphob oder frauenfeindlich ist. Alle applaudieren. Sie freut sich. Sie joggt.

Ein kurzes, dichtes Dröhnen

Ihre Band besteht aus einem Synthie-Keyboarder, der auch als Gitarrist fungiert, sowie einem Schlagzeuger. Er schickt Bässe durch das kleine Lido, die den Bühnenboden derart zum Vibrieren bringen, dass man das Gefühl hat, man stünde auf dem Rollfeld vor einer startenden Turbine, und die Bewegungen, die Briggs macht, die mache sie gar nicht aus Lust und Not, sondern aus einem Überlebenskampf heraus, eben weil sie sonst weggeweht werden würde. Ihre glasklare, starke, mitunter sakral klingende Stimme wenigstens wird von ihren Musikern zerfetzt.

Nach vierzig Minuten sagt Briggs, normalerweise ginge ein Künstler jetzt von der Bühne, um sich dann wieder auf die Bühne zurückklatschen zu lassen. Zugabe nennt man diese Prozedere ja. Aber sie würde, „weil sie sich so wohlfühle auf der Bühne“, darauf verzichten wollen und einfach ihre letzten beiden verbleibenden Songs spielen. Denn mehr habe sie einfach nicht. Und das Publikum klatscht frenetisch und übersieht glatt, dass das bedeutet, dass es eben wirklich nur noch zwei weitere Songs bekommt und das Konzert dann nach 45 Minuten auch schon vorbei ist. Eine Bishop-Briggs-Show ist eben ganz genau wie ein Bishop-Briggs-Song: ein kurzes dichtes Dröhnen, das, nachdem es vorüber ist, keinen bleibenden Eindruck hinterlässt, aber während es passiert auch niemanden stört.

Julia Friese

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