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Einblick ins Privatleben von Salvador Allende

© Cine Global

Doku über Salvador Allende: Auf der Suche nach den Bildern der Familie

Akt der Befreiung: „Mein Großvater Salvador Allende“ ist eine sehr persönliche Doku über das einstige chilenische Staatsoberhaupt.

Vielleicht war es das letzte Mal, dass die Partei- und Staatsführung der DDR recht hatte. Es war der 11. September 1973, der Tag des blutigen Militärputsches in Chile, des Sturzes von Staatsoberhaupt Salvador Allende. Den alten Kommunisten hatte das Blutbad nur bestätigt, was sie immer schon wussten: Die Demokratie ist bloß das Feigenblatt des Kapitals; sobald dessen Interessen bedroht sind, lässt es jede Maske fallen. Allende war der erste frei gewählte sozialistische Präsident Lateinamerikas? Umso schlimmer.

Das Volk hatte sich geirrt, es hat sein Wahlrecht missbraucht! So ungefähr müssen es die US-Strategen hinter General Pinochet interpretiert haben. Millionen Menschen kannten Allendes Gesicht, und nach seinem Tod wurde es vollends zur Ikone. Erst dreißig Jahre später fiel seiner Enkeltochter Marcia Tambutti Allende auf, dass sie das gleiche Bild von ihrem Großvater hatte wie alle. Sie kannte nur die Ikone. Und sie kannte das tiefe Schweigen, mit der ihre Familie ihn umgab.

Dieses Schweigen, beschloss Marcia Tambutti Allende, aufgewachsen in Mexiko, dürfe nicht das letzte Wort sein. Sie wollte nicht den Präsidenten Chiles sehen, sondern ihren Großvater. Seinen Namen kannte sie schon: Chicho, so hieß er in der Familie. Also beschloss sie, ihn mit der Kamera zu finden.

Die Allendes haben keine Fotoalben, alles ging verloren

Als sie die Arbeit an ihrem Film begann, lebte ihre Großmutter noch, Allendes Frau Hortensia, genannt Tencha. Sie war schon zu alt, um sich zu wehren. Also sitzt sie in „Mein Großvater Salvador Allende“ in würdevollem Schweigen beziehungsweise ebenso würdevoller Einsilbigkeit vor der Kamera ihrer Enkelin. Was soll sie sagen? Sie wisse ja nicht einmal, ob ihr Mann sich selbst getötet hatte, wie die Zeitungen damals schrieben. Jemand, der das Leben so liebte wie er? Aber dass ihre Tochter Tati Selbstmord begangen hatte, wenige Jahre später, so viel weiß sie. Aber sie hat nicht nur ihren Mann und ihre Tochter verloren, sondern auch ihre Heimat. Heute lebt sie im Exil in Mexiko.

Andere Familien besitzen Fotoalben, die man sich bei Treffen gemeinsam anschaut. Die Allendes haben keine solchen Erinnerungsstücke, alles ging während des Putsches verloren. Und dann erfährt die Filmemacherin während der Dreharbeiten, dass ihrer Großmutter nichts so wichtig war wie die Bilder ihrer Familie. Also macht sie sich auf die Suche.

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Marcia Tambutti Allende ist Biologin; „Mein Großvater Allende“ ist ihr erster Film, geboren aus dem Ehrgeiz, einen Großvater zu haben, wie alle anderen auch, die eigene Familiengeschichte zu kennen. Er ist sehr privat, aber nur insofern er die Grenzen des Privaten aufhebt. Das ist eine empfindliche Balance, eigentlich nichts für Anfänger, aber die Regisseurin findet dieses Gleichgewicht. Es ist ein Akt der Befreiung.

Die DDR nahm Tausende chilenische Flüchtlinge auf

Im westlichen Bewusstsein wird das Schweigen vornehmlich als Verdrängung wahrgenommen. Ein Irrtum, denn es geht dabei zugleich um Bewahrung und Zeitstillstand. Aber irgendwann werden beide lebensfeindlich. Insofern porträtiert Allendes Film auch eine Rückkehr ins Leben: Cousinen, die eigene Mutter, ihre Schwester, lachend gebeugt über Bilder der Vergangenheit, über Bilder von Chicho. Die DDR nahm nach 1973 Tausende chilenischer Flüchtlinge auf. Die Rockbands des Landes, gewöhnlich in aufrichtiger gegenseitiger Geringschätzung der Staatsführung verbunden, schrieben ihre schönsten Lieder: über Chile. Über Neruda. Über den Sänger Victor Jara.

Und nicht zu vergessen: Im Estado de Nacional de Chile sollte 1973 Mikis Theodorakis’ „Canto General“ aufgeführt werden, der Text stammt von seinem Freund, dem Dichter Pablo Neruda. Dazu kam es nicht mehr. Die Putschisten hatten das chilenische Nationalstadion in ein Gefängnis umfunktioniert. Alles im Namen der Freiheit und Demokratie.

Der Film läuft im Klick und im Sputnik

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