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Kultur: Auf ewig Moritzplatz

Galerie Deschler: Rainer Fetting im Überblick

Wild ist an dem Bild wenig. Die Mauer erhebt sich in blassem Lila vor einem Himmel aus flächigem Gelb. Der Schatten eines Hauses verdunkelt die Zimmerstraße und macht noch einmal deutlich, was einem nach zwei Jahrzehnten aus dem Gedächtnis geglitten ist: wie scharf die Mauer damals durch den Berliner Asphalt schnitt. Als „Erstes Mauerbild“ von 1977 markiert es in der Galerie Deschler den Auftakt der Ausstellung von Rainer Fetting und zugleich jene Phase, in der die Stadt hedonistische Spielwiese war. Wilde Zeiten also, doch das sieht man dem Bild wirklich nicht an. Seine Referenzen liegen, vom Motiv abgesehen, tiefer in der Vergangenheit, wo Ernst Ludwig Kirchner oder ein van Gogh für das Sichtbare auf der Leinwand ihre eigenen Farben wählten: Gelb für den Himmel, Blau für die Straße, Grün für Gesichter.

Deshalb erstaunt es nicht, wenn Fetting noch immer übellaunig reagiert, sobald die Rede auf die Neuen Wilden kommt. Ein Etikett, genau wie jüngst die Neue Leipziger Schule, das nach Trend klingt und deshalb ein kurzes Verfallsdatum besitzt. Fetting lehnt solche Klassifizierungen ab. Dass er keine Malerei mache, sondern Kunstgeschichte, dieses Zitat verfolgt ihn. Dabei sollte es verhindern, was später doch passierte: Die Maler vom Moritzplatz wurden zur Marke. Eine Berliner Blüte, in Farbe explodiert und anschließend rasch verwelkt. Wer will heute noch als Neuer Wilder gelten? Fetting jedenfalls nicht. Der Künstler feierte just seinen 60. Geburtstag, da wird es Zeit für einen Rückblick und die Frage, was genau man eigentlich geleistet hat.

Die Ausstellung in der Galerie antwortet darauf mit ausgewählten Arbeiten. Und ebenso die erste große Monografie des Künstlers im DuMont-Verlag (68 Euro). Auf knapp 400 Seiten rekapitulieren Autoren wie Jan Hoet die Kunst der achtziger Jahre und ihren Stellenwert, vor allem aber die Genese von Fettings Werk anhand zahlreicher Abbildungen und privater Fotos. Dass er ein großes malerisches Werk geschaffen hat und dennoch in der Öffentlichkeit vor allem als jener Bildhauer gilt, der Willy Brandt überlebensgroß in Bronze goss, gehört zu den absurden Wahrheiten.

Die Bilder im Buch räumen genau wie Fettings originale Werke mit einigen Klischees auf und vermitteln neue Einsichten. Wie frisch etwa die Mauerbilder heute wieder wirken, die keine alte Zeiten spiegeln, sondern ein Stück Zeitgeschichte. Und dass der Maler dort am stärksten reagiert, wo ihn die Themen seiner Arbeit unmittelbar berühren. Sobald er Freunden für ein Porträt ins Gesicht schaut oder einer Stadt wie New York gegenüber tritt. In solchen Gemälden manifestiert sich Fettings Größe. Die Natur, der er sich aktuell ebenfalls widmet, gehört eher nicht dazu. Sie behauptet zwar einen prominenten Platz in der Galerie, zählt jedoch zu den schwächeren Arbeiten. Auch das: eine Einsicht.

Galerie Deschler, Auguststraße 61; bis 9. Januar, Di-Sa 12-18 Uhr.

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