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Wunderbare Welt. Zum zwölften Mal machen sich die Weekend-Besucher auf, um Werke aus den Künstlerateliers zu entdecken – wie hier in der Galerie Neu.

© Marco Funke

Auftakt des Gallery Weekend: Von Kosten und Kühen

Umbruch in der Galerienszene: Bei aller Weekend-Vorfreude geht auch die Angst um. Denn trotz großem künstlerischem Potential der Galeristen verschwinden immer mehr Kunsträume in Berlin.

Von außen sieht man manchmal mehr, betriebsblind sind immer die drinnen. Wenn in den nächsten Tagen ein paar tausend Kunstgänger durch Berlin ziehen, werden sie erst einmal die spektakulären Neuzugänge bestaunen: Es ist noch viel Platz für stolze Privatsammler. Und auch die eine oder andere Galerie, die sich unabhängig von den 54 offiziellen Teilnehmern am Gallery Weekend zeigt, hat garantiert noch nicht jeder gesehen.

Hinzu kommen, fast schon traditionell, immer andere Räumlichkeiten: Die Attraktivität der Quartiere verschiebt sich latent. Nach zahllosen Expansionen bis in den Wedding und darüber hinaus etabliert sich seit einigen Jahren der alte Westen als neue Mitte. Dass die Galerie Contemporary Fine Arts mit ihrem Umzug nach Charlottenburg in jene Gegend zurückkehrt, in der sie 1992 begonnen hat, ist ein weiterer Beleg dafür. Doch die Auswärtigen werden auch Veränderungen wahrnehmen, die sich leise vollziehen. Oft so schleichend, dass viele Berliner sie im vermeintlichen Überangebot an Kunst kaum wahrnehmen oder die Neuigkeit schon abgehakt haben.

Wo zum Beispiel steckt die Galerie Schleicher Lange? Sie hatte Anfang 2012 in Kreuzberg eröffnet, sich zuvor aber schon in Paris etabliert und war rasch mit spannenden Positionen auf dem Gallery Weekend und der Messe ABC im Berliner Kunstherbst präsent. Nun sucht man sie vergeblich, die Räume gibt es nicht mehr und damit auch keine Ausstellungen von Künstlern wie Diogo Pimentao oder dem wiederentdeckten schwedischen Pionier Lars Eglund.

Das Profil der Galeristen: Neugierig, kompromisslos und gut vernetzt

Die Lücke schmerzt, selbst wenn die Dichte der Galerien weiterhin enorm ist. Vor Schleicher Lange haben allerdings schon andere ihre Galerietätigkeit aufgegeben. Joanna Kamm, Christian Ehrentraut, Sassa Trülzsch, Alexander Ochs. Reception ist zum „curatorial office“ geschrumpft. Und Sommer & Kohl geben zwar noch eine Postadresse in der Kurfürstenstraße an, im Übrigen annonciert das Duo jedoch „temporäre Locations“ auf seiner Website. Sie alle gehören zu jenen Protagonisten, denen die Stadt ihren Ruf als Ort aufregender Entdeckungen verdankt. Ochs als Experte für chinesische Künstler. Ehrentraut als ehemaliger Direktor der Galerie Liga, die der zweiten Generation Leipziger Maler zum Erfolg verhalf. Kamm und Trülzsch zeigten früh Arbeiten von Alexander Laner, Fiete Stolte oder Pavel Pepperstein – spröde Konzeptkünstler, die heute international unterwegs sind.

Neugierig, kompromisslos, mit einem Gespür für künstlerisches Potenzial und gut vernetzt. So ließe sich das Profil jener Galeristen beschreiben, die den Standort lange mitgeprägt haben und es vielfach tun. Noch. Denn inzwischen wird klar, dass es nicht um vereinzelte Phänomene geht. Die Krise ist systemisch. Das sehen nicht nur Betroffene so. Kristian Jarmuschek, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Galerien und Kunsthändler, zugleich selbst Galerist in Berlin, analysiert die Entwicklung als Umbruch. Seiner Ansicht nach trifft es vor allem Galerien, die Ende der neunziger Jahre gegründet wurden. Jene, die die „Chancen in Berlin“ erkannt und ergriffen hätten – tolle Räume, geringe Mieten, ein interessiertes Publikum. Fast alle haben Künstler aus dem eigenen Jahrgang ins Programm aufgenommen und langsam aufgebaut. Die wenigsten haben eine cash cow in ihren Reihen: Stars oder malende Veteranen, deren Werke fünfstellige Summen garantieren. Dafür sind die Biografien zu jung.

Der Mut zum Risiko und zum Experiment darf nicht verloren gehen

Nun verändert sich Berlin. Die Räume verschwinden, die Mieten steigen, und die Messen, auf denen eine gute Galerie vertreten sein sollte, werden immer internationaler und damit finanziell aufwendiger. Der gängige Betrieb gibt das aber nicht her: Wer Arbeiten im vierstelligen Bereich verkauft, der muss auf Dauer kapitulieren. Jarmuschek weiß, dass man in anderen Branchen von einer wirtschaftlichen Bereinigung spricht. Er erinnert jedoch daran, wie wichtig genau diese Galerien für die Attraktivität der hiesigen Kunstszene sind. Würden sie verschwinden, blieben am Ende wenige wichtige Player. Und vielleicht ein paar, die zwar gut verkaufen, deren Künstler allerdings nicht die künftigen Diskurse in Kunstvereinen mitbestimmen, auf Biennalen gezeigt werden und später oft auf der Documenta in Kassel vertreten sind.

Die Erosion hält an, weitere Schließungen stehen bevor. Auch wenn es keine einfache Lösung gibt, gilt es sie zu diskutieren, damit Berlin seine Galeristen mit Mut zum Risiko und Experiment nicht verliert. Das Gallery Weekend hat es vor zwölf Jahren vorgemacht und ein eigenes, florierendes Modell erfunden. Es muss noch mehr Impulse dieser Art geben.

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