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Das Haus der Berliner Festspiele.

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50 Jahre Jazzfest Berlin: Auftakt mit Elliott Sharp

Der New Yorker Gitarrist und Saxofonist Elliott Sharp eröffnet das 50. Jazzfest Berlin. Zum runden Geburtstag bringt die Festivalleitung eine limitierte „Jubiliäums-LP“ heraus.

Vinyl lebt. In einer Nische zwar, doch kommen dort neben aktuellen Titeln auch ständig rare oder vergessene Aufnahmen zu neuen Ehren. So ist es eine zugleich nostalgische und zeitgemäße Aktion, dass das Jazzfest zu seinem 50. Geburtstag eine limitierte „Jubiliäums-LP“ mit zwei bisher unveröffentlichten Konzertmitschnitten herausbringt. Auf der ersten Seite ist Alexander von Schlippenbachs Globe Unity Orchestra bei den Berliner Jazztagen 1966 zu hören. Der Pianist und Komponist erinnerte sich Anfang der Woche bei der Vorstellung der Platte im Delphi Filmpalast: „Wir waren fantastisch platziert. Vor uns war Boris Blacher mit seinen Streichquartetten, dann kam das Globe Unity Orchestra mit meinem Stück und nach uns Albert Ayler mit seinem Quintett. Und das in der Philharmonie.“ Ein großer Auftakt für das erste europäische Free Jazz Orchester.

Auf der B-Seite des Jubiläumsalbums, das nur während des Festivals erhältlich ist, befindet sich eine Auftragskomposition von Carla Bley (1979), die besonders an das als respektlos und protestfreudig empfundene Berliner Jazzpublikum der Anfangszeit erinnert: „Boo To You Too“. Denn gebuht, getrampelt und gepfiffen wurde häufig bei den Jazztagen in der Philharmonie. Es war die Zeit der Lenco-Plattenspieler ohne Endabschaltung und des Vietnamkriegs. Eine Epoche, in der der Nachholbedarf an amerikanischem Jazz langsam abflaute und eine starke Politisierung der Jazzrezeption einsetzte. Das bekam in Berlin nicht nur Duke Ellington zu spüren, der 1969 als Nixon-Freund von der Bühne gepfiffen wurde.

Vorwort von Martin Luther King

Politisch ist auch jetzt die Eröffnung des Jazzfests im Haus der Berliner Festspiele mit einem weiteren Jubiläum: Vor 50 Jahren besuchte Martin Luther King Jr. Berlin und schrieb ein Vorwort für das Programmheft der ersten Berliner Jazztage. Aus diesem Anlass hat Festivalleiter Bert Noglik eine Auftragskomposition ermöglicht. Das Stück „Tribute: MLK Berlin ’64“ des New Yorker Gitarristen und Saxofonisten Elliott Sharp. Der 1951 als Sohn eines Holocaustüberlebenden in Cleveland, Ohio geborene Musiker schlägt darin einen kompositorischen Bogen von der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung bis zu den Todesschüssen auf Michael Brown in Ferguson, Missouri.

Wenn auch vom Gesamteindruck etwas streng chronologisch und schleppend, gelingt Elliott Sharp eine stimmige Integration der widersprüchlichen Gefühlswelt des heutigen Amerika in die ihm eigene Klangsprache, die er in jahrzehntelangen Experimenten mit der New Yorker Downtown-Avantgarde entwickelt hat. Während seiner mehrteiligen Impro-Blues-Komposition, die teils von Bildern des Predigers begleitet wird, wechselt Sharp zwischen E-Gitarre und Saxofonen hin und her. Seine vierköpfige Band wird dabei von den beiden Poeten und Sängern Eric Mingus und Tracie Morris ergänzt, die ihre Texte sowohl deklamieren als auch singen. Dem Dilemma des alltäglichen Rassismus zum Trotz kündet „Tribute: MLK Berlin ’64“ verhalten von Zuversicht.

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