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AusGEHEN: Die Zukunft heißt immer Lobo

So nachts durch die Torstraße in Mitte zu rauschen, am besten auf der Rückbank eines großen Mercedes-E-Klasse-Taxis, das hat was: so viel urbanes Leben, so viele Lichter, so viele neue vermeintliche Szeneläden, so viele junge Menschen überall! Mitte ist doch noch irgendwie toll, denkt man da, und die Torstraße um Klassen besser als die Linienstraße.

So nachts durch die Torstraße in Mitte zu rauschen, am besten auf der Rückbank eines großen Mercedes-E-Klasse-Taxis, das hat was: so viel urbanes Leben, so viele Lichter, so viele neue vermeintliche Szeneläden, so viele junge Menschen überall! Mitte ist doch noch irgendwie toll, denkt man da, und die Torstraße um Klassen besser als die Linienstraße. Geradezu alt im Vergleich zur sich ständig erneuernden Umgebung ist dagegen das St. Oberholz an der einen Ecke des Rosenthaler Platzes. Aus dem doppelstöckigen Laden leuchtet es natürlich auch schön heraus, allerdings von den Laptops, Smartphones und Tablets, die hier jeder Besucher vor Augen und Nase hat.

Das St. Oberholz ist eine Legende – legendärer als der Burger King, der hier vorher drin war, wie die alten Säcke unter uns wissen. Ein Laden, der nichts als ein Klischee ist und das Tag und Nacht bestätigt: Die digitale Boheme, hier sitzt sie, ob es sie nun gibt oder nicht. (Doch sitzt sie nicht inzwischen überall, auch in der U-Bahn?) Trotzdem: Wenn zwei Begriffe, womöglich Lebensweisen verschmolzen sind, dann „digitale Boheme“ und „St. Oberholz“. Ob hier aber inzwischen auch digitale Geschäfte gemacht werden, App-Ideen kursieren? Oder eignet sich da ein Ort wie die Meierei in der Kollwitzstraße, Prenzlauer Berg nicht besser?.

Hier sitzt man nicht, zumindest nicht tief, sondern hoch, an hohen Tischen, hier ist Geschwindigkeit Trumpf: rein, raus, rein, raus. Und hier hat morgens um halb neun Uhr auch jeder einen Laptop vor sich. Als ich mich in der Meierei mit dem Amazon-Singles-Verleger Laurenz Bolliger treffe (nur zum informellen Austausch, nichts für die Zeitung, das Amazon-Headquarter hat gesprochen, hugh), steht hinter uns ein Mann mit rotem Iro, natürlich, Sascha Lobo!, natürlich, digitaler Bohemien! Irgendwann wendet sich Lobo uns zu, schaltet sich ein, stellt seine „sobooks“-Plattform vor, die mehr so „post-Amazon“ sei und die Bücher ganz ins Netz stelle, sie quasi als Websiten behandele. Wo Lobo ist, ist halt immer die Zukunft – selbst im Beisein eines Amazon-Mannes, selbst nach seinen jüngsten Internet-Schwanengesängen.

Als Lobo gerade auf seinem Smartphone ein unbekanntes Foto von Wolfgang Herrndorf zeigt, entdeckt er eine weitere Bekannte und begrüßt sie herzlich. Sie arbeite bei Google, so Lobo, „da sind ja alle hier, Amazon, Google, ich!“. Nur gut, dass schließlich die Frau eines Bestsellerautors mit ihrem Kind die Meierei betritt (analoge Vergangenheit!) und gleich hinter ihr ein Bekannter von mir, der sein Geld mit einem Wollladen in Reinickendorf verdient. So viel Zukunft auf einmal, die muss doch geerdet werden, gerade in Prenzlauer Berg.

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