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KUNST Stücke: Ausradiert

Wer sich in den aktuellen Pilgerstrom zur Ausstellung von Yoko Ono in der Galerie Haunch of Venison einreiht und zum interaktiven Spiel mit ihrer Kunst verführen lässt, der sollte unbedingt auch zwei andere Ausstellungen in der Heidestraße besuchen. In der wunderbaren Gruppenschau Eraserhead der Galerie Fruehsorge – contemporary drawings (Heidestraße 46-52, bis 23.

Wer sich in den aktuellen Pilgerstrom zur Ausstellung von Yoko Ono in der Galerie Haunch of Venison einreiht und zum interaktiven Spiel mit ihrer Kunst verführen lässt, der sollte unbedingt auch zwei andere Ausstellungen in der Heidestraße besuchen. In der wunderbaren Gruppenschau Eraserhead der Galerie Fruehsorge – contemporary drawings (Heidestraße 46-52, bis 23. Oktober) sind acht künstlerische Positionen zu sehen, die einmal mehr alle klassischen Konzepte von Zeichnung auf den Kopf stellen. Thema ist das Negativum des Bleistiftzeichnens, das Radieren und Auslöschen, ein substraktives Verfahren, das zu erstaunlichen Ergebnissen und einer konsequenten Auseinandersetzung mit dem Material führt.

Jonathan Callan
bearbeitet fotografische Vorlagen wie das bekannte Bild der Jaltakonferenz oder eine Fotografie von Humphrey Bogart, indem er die Gesichter wegradiert und Augen oder Münder in die weißen Flächen zeichnet – mit gespenstischer Wirkung. Christian Holstad nutzt Zeitungsvorlagen, die er mit dem Radiergummi so lange bearbeitet, bis grotesk deformierte, an Bacon erinnernde Figuren erscheinen. Andere scheinen den Filmen David Lynchs entstiegen, auf den auch der Ausstellungstitel verweist. Für die Frottagen von Jürgen von Dückerhoff sind ebenfalls Fotografien der Ausgangspunkt. Der Radiergummi wird erst angesetzt, nachdem ein Metallrelief – zum Beispiel das Muster eines Zinktellers – unterlegt ist, mit dem bildfremde Strukturen erzielt werden wie bei dem blumenkohlartig zerfransten Gesicht einer Porträtfotografie (Preise: 800 - 42 800 Euro).

Nebenan in der Galerie Hamish Morrison (Heidestraße 46-52, bis 23. Oktober) erinnert die australische Künstlerin Mikala Dwyer in der Ausstellung Square Cloud Compound an die Kolonisation ihres Heimatlandes. Bezugspunkt der aktuellen Arbeit ist eine Installation, die die Künstlerin unlängst für die Biennale in Sydney an einem ihrer Schauplätze, der Gefängnisinsel Cockatoo Island, schuf. Als historisch aufgeladener Ort verweist dieses Eiland nicht nur auf die Geschichte Australiens als ehemalige Gefängniskolonie, sondern auch auf eine spätere, weit unbekanntere Nutzung der Insel: Hier wurden straffällige Mädchen interniert und nicht wenige von ihnen durch die Inselwachen missbraucht. Zwei Videos, in denen Gestalten in grotesker Kleidung sinnlose Tätigkeiten verrichten, handeln ebenso von der dunklen Historie des Landes wie eine begehbare Installation aus ineinander verschlungenen minimalistischen Stoffquadraten, die im ersten Moment heiter wirkt. Dass auch sie den Betrachter mit düsteren Details konfrontiert, wird deutlich, wenn man die Galgenkonstruktionen und die gewaltsam gedehnten Frauenstrumpfhosen erkennt. Selbst Dwyers bewegliche Wolke auf heliumgefüllten Reifen und diverse Collagen spielen komplex mit der Inselgeschichte (Preise: 500 - 6000 Euro).

Angela Hohmann

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