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Made in Germany

© Sprengel-Museum

Ausstellung: Glotzt nicht so deutsch!

Die Ausstellung „Made in Germany“ in Hannover sucht nach dem Nationalen in der Kunst

Die einen reagierten pikiert, den anderen war diese Werbung gerade recht, sie platzierten das Schild besonders gut sichtbar vor ihren Kojen. Das Label „made in Germany“ scheidet in der Kunstwelt die Geister. Auf der jüngsten Armory Show, der Kunstmesse von New York, mussten Galeristen aus Germany dieses Etikett an ihren Ständen demonstrativ präsentieren, schließlich waren für ihre Teilnahme bundesdeutsche Fördermittel geflossen.

Bei den amerikanischen Sammlern kam dieser Hinweis umso besser an, denn dort ist Kunst aus deutschen Landen, insbesondere Leipziger Wertarbeit, nach wie vor begehrt. In der Bundesrepublik aber tut man sich schwer mit Werbung dieser Art. Denn was soll das sein: deutsche Kunst, zumal bei unserer Vergangenheit? Da hilft auch nicht weiter, dass es im Film, beim Regietheater, der Nachwuchsliteratur mit diesem Adjektiv keine Berührungsängste gibt. In der Kunst gibt man sich geziert und bevorzugt die Bezeichnung „international“.

Die Ausstellung „Made in Germany“ macht es sich hingegen leicht. Sie klatscht das umstrittene Gütesiegel als Titel drauf und zuckt im selben Moment wieder zurück. Nein, mit deutscher Befindlichkeit, nationalen Spezifika in der Kunst habe das Projekt nichts im Sinn, wird erklärt. Trotzdem profitieren die Kuratoren nur zu gern vom Reizwert dieses Etiketts. Schließlich wollen auch Ausstellungen verkauft sein, und das geht umso besser mit Hilfe eines schillernden Begriffs, der alles unter sich vereint: Malerei, Skulptur, Fotografie, Installation. Nur vor Ort muss die Kunst geschaffen sein, eben „made in Germany“. Vor über hundert Jahren wurde dieses Diktum von den Briten kreiert zur Kennzeichnung deutscher Produkte in Abgrenzung von landeseigener Ware. Womit nicht zu rechnen war: dass die einstige Brandmarkung zum Gütesiegel avancierte.

Der Stadt Hannover gelingt mit „Made in Germany“ ein Coup – nicht nur weil sie in diesem Sommer der Megakunst-Events vorneweg mit dem ersten Großprojekt an den Start gegangen ist, noch bevor die Metropolitan-Ausstellung in Berlin, die Biennale in Venedig, die Documenta in Kassel und die Skulpturenprojekte in Münster eröffnet sind. Sprengelmuseum, Kestnergesellschaft und Kunstverein haben für ihr Gemeinschaftsprojekt 52 Künstler zwischen 30 und 40 Jahren ausgewählt, zur einen Hälfte deutschstämmig, zur anderen zugezogen. Gegenwärtig wirkt Deutschland für internationale Künstler attraktiver denn je aufgrund des dicht gesponnenen Netzes aus Ausstellungsinstitutionen und Förderangeboten. Und Berlin, wo drei Viertel der Beteiligten leben, lockt dazu mit günstigen Mieten.

Man mag sich ärgern über diese Art von Ranking, die auch „Germany’s Next Top-Artist“ überschrieben sein könnte. Und doch ist den Machern von „Made in Germany“ Aufmerksamkeit gewiss, denn hier findet eine Kanonisierung der aussichtsreichsten Midcareer-Künstler statt. Das Konzept hat Veit Görner, heute Leiter der Kestnergesellschaft, vom Kunstmuseum Wolfsburg mitgebracht, wo vor elf Jahren mit der Ausstellung „German Open“ schon einmal auf einen Schlag die entscheidenden Namen der nächsten Jahre zu sehen waren. Heute sind Franz Ackermann, Daniel Richter, Jonathan Meese oben angelangt. Nun geht die nächste Generation an den Start.

Da es also vornehmlich um name-dropping geht, verwundert es nicht, dass die drei Ausstellungsteile völlig disparat nebeneinander stehen. Dem Sprengelmuseum scheint am wenigsten an einer homogenen Präsentation gelegen: Mathilde ter Heijnes Postkartenständer stehen wie vergessen im Foyer, die begehbare Akustik-Rumpelkammer von RothStaufenberg ist unter die Museumsrampe gequetscht. In der Ausstellungshalle offenbart sich vollends die inhaltliche Unverbindlichkeit des Konzepts. Zu sehen sind interessante Arbeiten, beginnend mit der sechs Meter hohen obsessiven Zeichnung von Ralf Ziervogel bis hin zur Aquarellmalerei Gabriel Vormsteins auf den Wirtschaftsseiten der FAZ, aber ebenso hätten es auch Werke anderer Künstler sein können.

Die Beiträge gewinnen dort nachhaltigen Reiz, wo sie sich am Ausstellungstitel reiben: Das dänisch-schwedische Künstlerpaar Elmgreen & Dragset platzierte einen jungen Mann im Entree, der jedem Eintretenden als gedruckte Karte die Frage hinhält: „Bist du hier, um Vergebung zu erlangen?“ Das Duo mokiert sich damit über den typisch deutschen Schuldkomplex und kreuzt ihn mit der sakralen Aura des Museums. Eine Breitseite feuert auch der Brite Jonathan Monk ab: Seinen mit Spiegelfolie verklebten VW-Golf widmet er „Dem deutschen Volke“. Das vornehmlich deutsche Publikum kann sich nun selbst in einem der am stärksten national konnotierten Exportgüter beglotzen. Sergej Jensen lockt mit der geliebten Deutschmark auf die falsche Fährte, indem er einen alten Tausender mit dem Konterfei der Brüder Grimm auf Leinwand klebt. Vorbei, es war einmal …

Ein roter Faden ist nicht zu sehen. Zwar kommt es zu interessanten Verdichtungen etwa im Kunstverein, wo der Pole Slavomir Elsner die Gattung Porträt ad absurdum führt, indem er seine Personnage mal hinter einer Handpuppe, mal im blendenden Gegenlicht verbirgt. Von den Leipziger Akteuren des Erfolgsschlagers junge deutsche Malerei ist ansonsten keiner zu sehen; stattdessen dominieren Installation und Skulptur. Die Maler Thomas Zipp und Andreas Hofer ergänzen ihre Bilder in der Kestnergesellschaft durch aufwendige Arrangements: Zipp gesellt seinen Porträts deutscher Geistesgrößen einen ausrangierten DDR-Feuerwehrwagen mit Hühnern als lebenden Bewohnern bei. Hofers Traumlandschaft „Forbidden Worlds“ hängt in einem hölzernen Gehäuse, das außerdem eine surrealistische Skulptur – halb Standuhr, halb Wurmgestalt – birgt.

Für „Made in Germany“ gibt es offensichtlich keinen gemeinsamen Nenner. Sobald man eine Richtung zu erkennen glaubt, geht es auch schon wieder andersrum wie in Julian Rosefeldts „Trilogie des Scheiterns“. In seiner Doppelprojektion führt die Filmfigur auf der linken Seite ein geordnetes Leben, während sie auf der rechten die Wohnungseinrichtung nach und nach demoliert. Kunst „made in Germany“ scheint permanent auf der Flucht vor festen Kriterien zu sein. Rosefeldts Beitrag liest sich nicht nur wie das Psychogramm eines gestörten Menschen, sondern wie ein Statement zur in Deutschland produzierten Kunst: Die Sehnsucht nach einer klaren Definition und deren Zerstörung gehen Hand in Hand.

Sprengelmuseum, Kestnergesellschaft, Kunstverein, Hannover, bis 26. August. Katalog (Hatje Cantz) 38 Euro.

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