zum Hauptinhalt
Was hängt denn da? Ingeborg Lommatzsch’ Fotografien von der Ersteinrichtung des Brücke-Museums im Jahr 1967.

© Ingeborg Lommatzsch

Ausstellung im Brücke-Museum: Die Frische des Neubeginns ist zurück

„Ein Künstlermuseum für Berlin“: Die neue Direktorin des Brücke-Museums erinnert mit ihrer ersten Ausstellung an die Anfänge im Grunewald.

Karl Schmidt-Rottluff muss selbst sehr glücklich gewesen sein, als er am 25. September 1967 an den Architekten Werner Düttmann schrieb. Zehn Tage zuvor war das neue Brücke-Museum am Rande des Grunewalds eröffnet worden, das der Künstler durch seine großzügige Schenkung überhaupt erst ermöglicht hatte. „Es müsste jeder Besucher für eine Weile dort froh werden“, dankte der bereits hoch betagte Maler dem Senatsbaudirektor für seinen ebenso einfachen wie genialen Entwurf, der innerhalb eines Jahres umgesetzt worden war.

Düttmanns brutalistische Architektur, wie man sie von der St. Agnes-Kirche kennt, seine zum Teil kompliziert verschachtelten Räume, wie sie für die Akademie der Künste am Hanseatenweg charakteristisch sind – all dies löste sich beim Brücke-Museum durch die spielerische Versetzung unterschiedlich großer Kuben um einen Lichthof in Wohlgefallen auf. Das sanftmütige Ergebnis war ein Künstlermuseum, ein architektonisches Juwel am Rande der Stadt, zu dem man damals pilgerte – um Kunst und Bau als Einheit zu genießen.

Das könnte sich nun wiederholen. Die seit Oktober amtierende neue Direktorin Lisa Marei Schmidt hat sich vorgenommen, das Haus aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken, indem sie an die strahlenden Anfänge vor 50 Jahren erinnert. „Ein Künstlermuseum für Berlin: Karl Schmidt-Rottluff, Leopold Reidemeister und Werner Düttmann“ heißt ihre erste Ausstellung, mit der sie neben dem Künstler und dem Architekten auch den dritten Gründervater würdigt.

Plötzlich flutet Licht in die Räume

Zusammen mit dem erfahrenen Museumsmann Leopold Reidemeister hatte Schmidt-Rottluff die Idee für ein eigenes Haus entwickelt und dazu nach langer Suche das Grundstück in Dahlem gefunden: vis-à-vis des Ateliers von Arno Breker, wo ursprünglich die Villa vom Lieblingsbildhauer des „Führers“ stehen sollte. Durch die minimalistische Architektur Düttmanns, darin die einst verfemte Brücke-Kunst, markierte das Triumvirat sichtbar die Gegenposition. Mit Schmidt-Rottluff, Düttmann, Reidemeister hatten sich Drei gefunden, die auf diese Weise auch das „Dritte Reich“ zu überwinden suchten, als ein Fanal der Moderne.

Von dieser Kampfansage an die Vergangenheit, einer späten Wiedergutmachung ist heute nicht mehr viel zu spüren, auch wenn sich das Breker-Atelier nach wie vor trutzig auf der anderen Grundstücksseite befindet. Doch die Frische des Neubeginns ist auf einmal zurückgekehrt. Mit Lisa Marei Schmidt erfährt das Museum eine phänomenale Verjüngung, geboren aus dem Respekt gegenüber der Leistung ihrer Vorgänger. Ihre Premiere rekonstruiert nicht nur die allererste Ausstellung des Hauses, sondern führt auch das Gebäude auf seine Stunde Null zurück.

Die zugunsten von Hängefläche für Bilder verstellten Fenster wurden wieder geöffnet, plötzlich flutet Licht herein, die Architektur beginnt wieder mit der Umgebung zu kommunizieren, wie ursprünglich von Düttmann gedacht. Klebefolien vor den Fenstern machen es heute möglich, dass die Kunst von diesem Lichtschwall unversehrt bleibt. Vielleicht werden in Zukunft sogar die Jalousien von der Decke entfernt. In der Gründerzeit des Museums war man mit den Luxzahlen noch nicht kleinlich.

Haarkleine Rekonstruktion der ersten Brücke-Ausstellung

Auch Details kehren zurück. Im Eingangsbereich ist der Schmutzteppich entfernt, stattdessen scheint der dunkelbraune Ziegelboden wieder auf. Auch das Bohnerwachs darauf ist abgeschrubbt. Zusammen mit dem Gelb des Kokosteppichs, dem Olivgrün der Fensterrahmen, dem Schwarz der Lüftungsgitter am Boden kommt ein dezentes Farbkonzept erneut zur Geltung, das der Kunst den bestmöglichen Auftritt zu gewähren sucht. Mit Hilfe des Düttmann-Sohnes Hans wurden die ursprünglichen Vitrinen nachgebaut, die nun exakt dort Aufstellung gefunden haben, wo sie zu Beginn einmal standen.

Die neue Direktorin geht mit ihrer Hommage an Schmidt-Rottluff, Düttmann, Reidemeister so weit, dass sie die erste Ausstellung des Brücke-Museums haarklein rekonstruiert. Mit Hilfe historischer Fotografien, Zeitzeugenberichten und anderer Dokumente hat sie eine Zeitreise angetreten, wie sie heute in vielen Museen passiert, die sich der Geschichte ihres Hauses zu nähern suchen. Für Lisa Marei Schmidt aber war es zugleich ein Kennenlernen des Gebäudes, so manche Frage klärte sich dabei. Zum Beispiel die, warum im Hause mit grauen Passepartouts gearbeitet wurde, während in allen anderen Sammlungen cremeweiße üblich sind. Die Antwort ergab sich schnell. Reidemeister präsentierte damals die Papierarbeiten in gläsernen Klemmrahmen, wie sie nun wieder am Nylonfaden von der Decke baumeln. Das Grau dient dazu, die Bilder von der hellen Wand dahinter abzuheben.

Bis ins Detail wurde die Hängung kopiert. Die Unterkante der Gemälde dient als Linie, fast bauchtief angesetzt, was den Betrachter beinahe intim vor den Bildern stehen lässt, als wäre er ihnen näher gerückt. Die Hauptwände sind den Brücke-Künstlern reserviert, vor allem Schmidt-Rottluff und Erich Heckel, der die Gründung des Museums seinerseits mit einer Schenkung von 1500 Werken unterstützte. Neben Max Pechstein und Otto Mueller kommt Ernst Ludwig Kirchner hier zu kurz, das fiel auch den Zeitgenossen damals auf. Schmidts Vorgängerin Magdalena Moeller vermochte die Lücke durch so manchen geschickten Ankauf zu schließen. In den Nischen finden dafür Künstlerfreunde mit ihren Werken Platz: Max Kaus, Anton Kerschbaumer, Otto Herbig, Emy Roeder.

Schüler-Workshops, Künstlerauftritte, Performances

Trotz all der Vergangenheitsseligkeit flackert in der Ausstellung auch Neues auf. Da und dort zwischen den Bildern und Skulpturen stehen farbige Hocker von Sol Calero. Sie bilden eine Verbindung zu dem Außenpavillon der aus Venezuela stammenden Malerin, die als erste Künstlerin zu einer Kollaboration mit dem Museum eingeladen wurde. Das Ergebnis ist die „Casa Isadora“ im Garten als Erinnerung an das von Kirchner und Pechstein 1911 gegründete MUIM-Institut (Moderner Unterricht in Malerei), die bis ins nächste Jahr noch stehen wird.

Die „Casa Isadora“ ist bunt wie ein Brücke-Bild und besitzt zugleich etwas von dem Flair, das auch die Atelierwohnungen der Künstler damals ausstrahlten: eine Mischung aus praktischer Behausung und Bühne zur Selbstinszenierung. Hier sind künftig Schüler-Workshops, Künstlerauftritte, Performances geplant. Der Besucher aber darf sich in den Kiefern umsäumten Garten setzen, Kunst und Architektur noch einmal auf sich wirken lassen. Und einfach froh sein.

Brücke-Museum, Bussardsteig 9, bis 12. August, Mi-Mo 11 – 17 Uhr.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false