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Buntes Treiben. Die Ausstellung in der Galerie Wedding.

© Trevor Lloyd

Ausstellung in der Galerie Wedding: Jeder sein eigener Kosmos

Alieninvasionen, Rollenspiele und ravende Kids: Die Galerie Wedding untersucht in einer Schau Lebens- und Selbstentwürfe.

Wollte man beschreiben, wer vor den Schaufenstern der Galerie Wedding vorbeiläuft, man täte sich schwer. Rund um die Müllerstraße leben Türken, Araber, Deutsche, Afrikaner, Studenten, Rentner, Alkis und Hipster. Es gibt Kebab-Läden, aber auch eine neue Bibliothek, Cafés mit veganem Kuchen und die Galerie Wedding, einen kommunalen Ausstellungsraum, in dem die Kuratoren Solvej Ovesen und Bonaventure Ndikung, bekannt als Co-Kurator der Documenta 14, seit zwei Jahren das übergeordnete Programm gestalten.

Die nun in diesem Rahmen von Nadia Pilchowski kuratierte Ausstellung „I Am Large, I Contain Multitudes“ (eine Zeile aus einem Gedicht von Walt Whitman von 1881) zeigt, wie Menschen verschiedene Versionen ihres Selbst entwerfen – und welche Schwierigkeiten dabei auftreten können. Wenn wir „unser Leben“ nach eigenem Gusto „kuratieren“, wie es der Soziologe Andreas Reckwitz formuliert, erfahren wir dann mehr Gemeinschaft, oder weniger? Sind wir dann ganz und gar Ich? Oder schon Du?

„The Sssecret of SSSSuccess“ zischt es aus einem Lautsprecher hinter dem Eingang. Die Soundinstallation der Künsterlin Hanne Lippard penetriert mit Zischlauten die Ohren der Besucher. „What is your mission for your bussssinessss?“ Lippard fragt nach Werten, Missionen und Zielen im Leben. Als sei es selbstverständlich, dass man so etwas hat. Schnell fühlt man sich mies, wenn statt konkreter Bilder nur Leere vor der inneren Leinwand auftaucht. Wovon würde man träumen, wenn man nicht scheitern könnte? Na? Lippards hypnotische Stimme lässt nicht so leicht locker.

Protagonisten treten aus sich selbst heraus

Sie treibt den Besucher unter Kopfhörer, die zu Ed Fornieles' Video „Test Studies“ gehören. Hier quälen sich die Protagonisten nicht mehr mit ihrem mickrigen Selbst herum. Sie treten aus sich heraus. Vier junge Menschen erzählen, wie sie sich bei Rollenspielen am Computer erleben. Einer der Jungs hat sich in der Simulation eine Partnerin gesucht, die eigentlich nicht sein Typ ist, ihm aber trotzdem Halt gibt in einer fiktiven Zukunftswelt ohne Social Care. Eine Frau muss im Spiel mit einer Alien-Invasion klarkommen und sieht sich schließlich stranguliert am Geäst eines Baumes.

Auch die „Millennials“ in den farbtrunkenen Porträts der Malerin Grace Weaver beobachten sich ständig selbst, mit dem Mobiltelefon in der Hand, allerdings in einer flauschigen Feel-Good-Welt. Lauter Singles. Alle in ihrem eigenen Kosmos. Um Zugehörigkeit und Ausschluss geht es auch in einer verstörenden Installation der Künstlerinnengruppe „Fort“. Hinter einer „Clubtür“ läuft ihre Videoarbeit „The Shining“, in der Kinder zu einem Techno-Beat tanzen, manche wie in Trance, andere den Betrachter taxierend. Scheinbar haben alle bereits eine Vorstellung davon, wie man möglichst individuell und kollektiv-ekstatisch ravt. Sie tanzen wie Abziehbilder von Abziehbildern. Ihrer gruseligen Gesellschaft kann man gar nicht so leicht entfliehen. Die Clubtür hat keine Klinke. Got ya! Jetzt zeig uns, wer du bist.

Galerie Wedding, Müllerstr. 146/147, bis 15. 7.; Di bis Sa 12 – 19 Uhr

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