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Wagner

© Franz Kühn

Ausstellung: Die Schlacht am klassischen Dreieck

Der Verein Berliner Künstler war berühmt für seine Kostümfeste. Nun hebt er seinen Bilderschatz.

Toll trieben es die alten Künstler. Zum Beispiel beim Pergamonfest am 26. Juni 1886: In Anwesenheit des Kronprinzenpaares feierten Mitglieder des Vereins Berliner Künstler ein Kostümfest im Stil der hellenistischen Antike. Carl Humanns archäologische Entdeckungen waren damals in aller Munde. Auf dem Landesausstellungsgelände am Lehrter Bahnhof hatte man aus Pappmaché Teile des Pergamonaltars und des Zeus-Tempels von Olympia nachgebaut.

Vor dieser Kulisse führten 1300 kostümierte Mitwirkende eine Art Toga-und Sandalen-Festspiel auf: An der Akademie ergraute Kunstprofessoren mit Rauschebart mimten antike Priester; die Jüngeren machten sich gut als lanzenbewehrte Krieger oder verwegene Blechbläser; ihre Freundinnen wurden als Jungfrauen in meterlange weiße Stoffbahnen verpackt. Im Triumphwagen zog König Attalos an seinem Volk vorbei. Anschließend zechte man bis tief in die Nacht in einer eigens errichteten Künstlerkneipe, der „Osteria zum klassischen Dreieck“.

Den Klassikern der Künstlerboheme – Wein, Weib und Gesang – kann man auf vielen der historischen Aufnahmen begegnen, die in der Kabinettausstellung „Berliner Künstlerleben. Fotografien und Dokumente des Vereins Berliner Künstler seit 1841“ in der Akademie der Künste nun erstmals gezeigt werden. Sie entstammen den kriegsbedingt spärlichen Resten des Archivs, die der 1841 gegründete Verein – heute der älteste noch bestehende Künstlerverein Deutschlands – vor ein paar Jahren der Akademie als Dauerleihgabe übergeben hat. Nun, da man die Sammlung historischer Fotos geordnet und wissenschaftlich aufbereitet hat, blicken wir in eine untergegangene Welt. Auch das: eine Ausgrabung.

Zu sehen ist ein Karneval nachgespielter Kulturen. Berühmt war der Verein Berliner Künstler, kurz VBK, in seiner Blütezeit um 1890 für seine Kostümfeste, bei denen man in Umzügen oder lebenden Bildern kulturelle Glanzzeiten wie die italienische Renaissance, das holländische 17. Jahrhundert, die Epoche Karls des Großen oder der Minnesänger heraufbeschwor. Andere Aufnahmen zeigen die Herren Künstler in Frack und Ordensschmuck beim offiziellen Festmahl zu Ehren von Adolph Menzel.

Vereinsvorsitzender war damals lange Zeit der Schlachtenmaler Anton von Werner, der zugleich Direktor der Akademie der Künste, Mitglied der Landeskunstkommission und kulturpolitischer Berater von Kaiser Wilhelm II. war – ein echter Staatskünstler. Entsprechend ablehnend verhielt sich der VBK gegenüber der 1898 von Max Liebermann mitbegründeten Berliner Secession. Im Verein zu sein, hieß, zu den Etablierten gehören zu wollen. Doch gab es bemerkenswert viele Doppelmitglieder von VBK und Secession.

Neben der preußischen Obrigkeit umwarb der VBK auch Mäzene unter den großbürgerlichen Kunstfreunden der Reichshauptstadt. 1898 konnte der Verein ein eigenes, mithilfe eines Aktienfonds errichtetes Künstlerhaus einweihen: in der Bellevuestraße 3, direkt am Potsdamer Platz. Ein mondäner Ausstellungs- und Gesellschaftspalast, den man aus wirtschaftlichen Gründen 1928 an den Wertheim-Konzern verkaufen musste. Seine Wohlfahrtsleistungen für bedürftige Mitglieder hat der VBK erst nach 1933 drastisch eingeschränkt. Nun wurde man der Reichskammer der bildenden Künste angegliedert. Der Versuch des damaligen Vereinsvorsitzenden Carl Langhammer, das VBK-Ehrenmitglied Max Liebermann zu schützen, zeugt von persönlichem Mut. Gleichgeschaltet wurde der Verein natürlich doch. Nach 1945 war es schwierig, zu einem Neuanfang zu kommen. Erst im Herbst 1949 erteilten die Alliierten die Lizenz, um den VBK weiterzuführen. Er galt als unzeitgeistig traditionell.

Derzeit zählt der Verein 107 Mitglieder, etwa ein Viertel davon kann von der Kunst leben. Die erste Frau wurde erst 1990 von der Mitgliederversammlung als vereinswürdig akzeptiert, inzwischen gibt es mehr weibliche als männliche Mitglieder. Seit 2005 ist der Maler Sigurd Wendland, Jahrgang 1949, VBKVorsitzender. Von ihm erwartet man, das alte Schiff flott fürs 21. Jahrhundert zu machen, jüngere, erfolgreiche Künstler zur Mitgliedschaft zu bewegen und das seit 1965 genutzte Vereinshaus am Schöneberger Ufer aus seinem Dornröschenschlaf zu reißen. Derzeit sehen die Vereinsräume in den oberen Etagen aus wie zu Menzels Zeiten. West-Berliner Biedermeier. Das ist rührend – und ziemlich anachronistisch. Zeit zum Aufräumen.

Den Versuch, sich der eigenen, wechselvollen Geschichte zu nähern, unternimmt eine parallele, von Heike Welzel kuratierte Ausstellung im Vereinshaus. Unter dem Titel „Preußische Boheme“ hat sie rund 80 Arbeiten aus dem Werkarchiv des VBK ausgewählt: Zeichnungen, Druckgrafiken und wenige Gemälde, in die Sammlung des Vereins gelangt seit dem späten 19. Jahrhundert. Darunter befinden sich Trouvaillen wie Carl Steffecks um 1870 entstandenes lebensgroßes Bildnis des Berliner Künstlerübervaters Johann Gottfried Schadow oder Max Schlichtings 1894 datierte Schöne im blauen Kimono, mit sparsamen Pinselstrichen auf die Leinwand gesetzt. Es findet sich Erstaunliches wie Willi Jaeckels Porträt von Leni Riefenstahl. Und natürlich auch jede Menge Mittelmaß.

Das Sammeln und Bewahren im Museum oder im Archiv hat etwas Ernüchterndes. Es macht unweigerlich klar, dass nicht jede künstlerische Position Bestand haben wird. Der Zeitgeist lässt sich für einige Augenblicke manipulieren, die Zeit nicht. Auch für Künstler gilt: Man muss die Feste feiern, wie sie kommen.

Akademie der Künste am Pariser Platz sowie Galerie des VBK am Schöneberger Ufer 57, bis 5. August. Die beiden Kataloghefte kosten jeweils 7,50 Euro.

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