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KUNST Stücke: Bauchgrimm

„Unterwegs im Kunstbetrieb“ sind sie alle – Karlheinz Schmid ebenso wie Barbara Buchmaier und Andreas Koch. Schmid seit gut vierzig Jahren, die beiden anderen noch längst nicht so lang.

„Unterwegs im Kunstbetrieb“ sind sie alle – Karlheinz Schmid ebenso wie Barbara Buchmaier und Andreas Koch. Schmid seit gut vierzig Jahren, die beiden anderen noch längst nicht so lang. Vielleicht ist das ein Grund, weshalb Schmids Buch „Hals- und Ohrabschneider“ (Verlag Lindinger + Schmid, 220 S., 19.80 Euro) als dickes Hardcover erscheint, während das unermüdlich „vonhundert“ publizierende Duo seine dreimal im Jahr erscheinende Zeitschrift (www.vonhundert.de, 5 Euro) betont schlicht und wie ein Arbeitsheft aussehen lässt. Beide Seiten aber betreiben Kunstkritik und widmen sich denselben Dingen.

Schmid, der noch einen Informationsdienst mit Aktuellem aus dem Kunstbetrieb und dazu die kostenlose „Kunstzeitung“ herausgibt, lässt wenig unkommentiert. „Brav gebastelt, solide fotografiert“ lautet sein Urteil über die Arbeiten von Thomas Demand. Er zweifelt am Talent von Jean-Michel Basquiat, erinnert an den 1993 verstorbenen Kritiker Wolfgang Max Faust und kritisiert Tony Cragg für dessen Berufung des Bildhauers Richard Deacon an die Düsseldorfer Kunstakademie – einen „guten Freund“, was als Kriterium nicht zählen kann. Schmid schöpft aus dem Vollen, fast alle genannten Akteure kennt oder kannte er persönlich. Und genau so schreibt er auch: aus der Ich-Perspektive, mit Verve und Überzeugung. Aber ohne das beschwerliche Instrumentarium der Analyse. Dass er durchaus darüber verfügt, zeigt sein Text zu Blinky Palermo. Ungewöhnliche vier Seiten lang und gespeist aus Schmids eigener Studentenzeit an der Frankfurter Städelschule, während derer sich Palermos Karriere in Düsseldorf sehr vielversprechend entwickelte. Ein Star wurde er allerdings erst nach seinem frühen Tod 1977. Schmid zeichnet die strategischen Schritte seiner Vermarktung eindringlich nach. Im Übrigen behauptet er viel, verfällt gern ins Anekdotische und kennt als Gradmesser für Qualität nur eine Eichung – den eigenen Geschmack.

Vor diesem Hintergrund erweist sich der Ansatz der weit jüngeren Kritiker in „vonhundert“ auch als Generationensprung. Hier wird vieles theoretisch verhandelt. Man obduziert die vergangene Berlin Biennale und stellt Diagnosen, die im Gespräch zwischen dem Künstler Andreas Koch und dem Kritiker Raimar Stange durchaus unterschiedlich ausfallen. Ein wenig Gossip gibt es auch in Form eines Tagebuchs, dazu Kritik an allzu willfähriger Kunstkritik und einen gewagten Kurzschluss: Melanie Franke vergleicht eine Fotokampagne von H&M mit Bildern von Francis Picabia. Wer immer in diesem Heft eine Meinung hat, der begründet sie auch – selbst wenn er dafür ein bisschen häufig die Worte „Kontext“ und „künstlerische Praxis“ heranziehen muss. Bei der Berlin Biennale, die Thema mehrerer Beiträge ist, kippt der Anspruch. Aus der Kritik wird ein Diskurs für Eingeweihte. Die Richtung aber ist klar: Es geht um Objektivierbarkeit. Urteile aus dem Bauch heraus sind passé. Auch wenn sie manchmal mehr Spaß beim Lesen machen.

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