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Topographie des Terrors: In der Black Box des Erinnerns

Manchen Sturm hat die Stiftung Topographie des Terrors überstanden, mehr als einmal ist sie beinahe untergegangen. Jetzt ist ihre Zukunft gesicherter denn je. Der Bau ihres festen Sitzes beginnt im November.

Manchen Sturm hat die Stiftung Topographie des Terrors überstanden, mehr als einmal ist sie beinahe untergegangen. Jetzt ist ihre Zukunft gesicherter denn je. Der Bau ihres festen Sitzes auf dem Gelände der einstigen Gestapo-Zentrale Prinz-Albrecht-Palais nach Entwurf von Ursula Wilms (Büro Heinle Wischer und Partner) für insgesamt 24 Millionen Euro beginnt im November, im Mai 2010 soll die Eröffnung sein. Am Mittwoch wurde 20. Geburtstag gefeiert, so unspektakulär, wie der Beginn einst war. Mit dem Spaten in der Hand, so Stiftungsvorsitzender Andreas Nachama, seien im Sommer 1987 engagierte Bürger losgezogen, um unter dem planierten Gelände die Trümmer auszumachen, die von der Terrorzentrale übrig geblieben waren.

Die katastrophale Baupleite um den ästhetisch faszinierenden, augenscheinlich jedoch unbaubaren Entwurf des Schweizers Peter Zumthor fand bei der Feier keine Erwähnung mehr. Vor drei Jahren nannte Nachama die Trennung von Zumthor einen „Silberstreif am Horizont“. Jetzt bekommt die Stiftung, was sie immer wollte: einen grundsoliden Bau mit Seminar- und Bibliotheksräumen und den Arbeitsplätzen der Mitarbeiter.

In der derzeitigen Bibliothek fand denn auch der wichtigere Teil der Geburtstagsfeier statt: die Vorstellung der Zusammenarbeit mit der Shoah Foundation des Filmregisseurs Steven Spielberg, offiziell das „Visual History Archive“. Die Freie Universität Berlin ist seit vergangenem Dezember als erste außeramerikanische Institution Partner des Archivs, hat also Zugriff auf die insgesamt 52 000 Interviews mit Zeitzeugen des Holocaust, die Spielberg im Laufe von fünf Jahren hat sammeln lassen. 120 000 Stunden Filmmaterial stehen digitalisiert zur Verfügung. Das Material ist so umfangreich, dass es nur auf Anmeldung einer „kontrollierten Öffentlichkeit“, das heißt Forschern und Institutionen zur Verfügung gestellt werden kann. Doch es ist exzellent erschlossen – allein 50 000 Suchbegriffe machen die Interviews in Ein-Minuten-Segmenten zugänglich. Bevor sich der Interessent also in den Originalinterviews verliert, hat er die Möglichkeit, sein Forschungsziel minutengenau einzukreisen. Der entsprechende Internetzugang erscheint zunächst kompliziert, liefert aber ungemein präzise Fundstellen (www.vha.fu-berlin.de).

An die Stelle einer ausdrucksstarken Architektur, wie sie Zumthors „Stabwerk“ genannter Entwurf versprach und nicht halten konnte, tritt das digitale Dokument, der für die Ewigkeit festgehaltene Augenzeugenbericht. Die Individualisierung der Erinnerung hat mit dem Spielberg-Archiv eine uneinholbare Dimension erreicht. Das Gelände der Topographie wird demgegenüber nur noch karger wirken. Bernhard Schulz

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